Heribert HirteCDU/CSU - Modernisierung des Personengesellschaftsrechts
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freunde des Rechts, einen schönen guten Morgen! Wir beraten in zweiter und dritter Lesung die Reform des Personengesellschaftsrechts. Auch wenn es jetzt schon mitten in der Nacht ist: Das ist ein Jahrhundertwerk. Wir gehen an einen zentralen Teil des BGB ran, nämlich an das Personengesellschaftsrecht, das seit rund 120 Jahren praktisch nicht verändert wurde.
Warum tun wir das? Die Rechtsprechung hat die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in einem zentralen Punkt schon vor einigen Jahren verändert und ihr – eigentlich entgegen dem, was im Gesetz steht – Rechtsfähigkeit zuerkannt. Das, was im Gesetz steht, ist nicht mehr das, was jetzt das gelebte Recht ist. Deshalb mussten wir anpassen. Wir mussten anpassen, indem wir die Tatsache in Textform gießen, dass die BGB-Gesellschaft auch eine unternehmenstragende Gesellschaft ist.
Dafür haben wir erst einmal die Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaft festgeschrieben – was der Bundesgerichtshof vorher gemacht hatte. Wir haben zweitens vor, ein Gesellschaftsregister auch für die BGB-Gesellschaft einzuführen. Zwei riesige Schritte, Veränderungen gegenüber der lange Zeit geltenden Lage.
Ein dritter wesentlicher Punkt: Wir führen – aber nur bei den sogenannten Handelsgesellschaften – eine Regelung zur sogenannten Beschlusskontrolle ein. Es geht um die Frage, wie Beschlüsse, die rechtswidrig sind, angefochten werden können, dass sie angefochten werden müssen binnen einer bestimmten Zeit, so, wie wir das im Aktienrecht und im GmbH-Recht auch haben.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat dieses Gesetz sehr ausführlich beraten und gut vorbereitet. Deshalb kam in der Anhörung von allen Sachverständigen Zustimmung zu dem Gesetzentwurf, sodass wir am Ende nur noch in Detailfragen weiter beraten und das Gesetz noch ein klein wenig besser gemacht haben.
Diese Detailfragen möchte ich ansprechen. Wir haben eine Vermutung geschaffen, dass dann, wenn man nach außen auftritt, eine Gesellschaft auch als solche Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt. Wir haben die Nachhaftung – dazu gibt es auch einen Antrag der Grünen – entsprechend diesen Überlegungen ein wenig eingeschränkt. Wir haben auch in einem weiteren Fall – was die Kommanditistenhaftung angeht – gesagt: „Da geht uns das Gesetz ein wenig zu weit“, weil wir das Gefühl hatten, dass hier unberechtigte Haftung geschaffen wird.
Wir haben uns dann mit der Frage beschäftigt, ob das Auswirkungen auf das Steuerrecht haben könnte, und haben ganz deutlich gesagt: Das hat es nicht. Denn das für die Personengesellschaften maßgebliche Prinzip der transparenten Besteuerung – dazu haben wir auch den Wissenschaftlichen Dienst befragt – bleibt erhalten. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Was uns ein bisschen umgetrieben hat, war die Sorge der Bundesländer, dieses Gesetz so schnell umsetzen zu müssen, wie es ursprünglich vorgeschlagen war, nämlich letztlich innerhalb eines Jahres. Deshalb haben wir das Inkrafttreten dieses Gesetzes auch aufgrund der erforderlichen Reaktions- und Anpassungsnotwendigkeiten, vor allen Dingen aber zur Einführung der Register um ein weiteres Jahr hinausgeschoben. Es wird also erst am 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Es ist ein gutes Gesetz, und ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Für mich ist das heute die letzte Rede im Deutschen Bundestag.
(Stephan Thomae [FDP]: Oh!)
Ich möchte mich deshalb bei allen Rechtspolitikern – natürlich in erster Linie bei den Kollegen Rechtspolitikern meiner Fraktion – für die wirklich gute Zusammenarbeit in den letzten acht Jahren und insbesondere in den letzten jetzt bald zwei Jahren, in denen ich den Vorsitz des Rechtsausschusses innehatte, bedanken. Herzlichen Dank!
(Beifall im ganzen Hause)
Ich möchte zur Arbeit des Unterausschusses Europarecht, der sozusagen ein bisschen im Verborgenen geblüht hat – Patrick Sensburg, der eben gesprochen hat, war mein Vorgänger in der Funktion des Vorsitzenden des Unterausschusses –, einige Bemerkungen machen und Ihnen einige Anregungen für die nächste Legislaturperiode mitgeben; denn die Arbeit im Unterausschuss Europarecht – dort haben wir die Arbeit der Bundesregierung im Ministerrat letztlich überwacht – hat eine zentrale Bedeutung für die europäische Integration.
Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir früher auf das einwirken – und umgekehrt Informationen darüber bekommen –, was in Brüssel passiert. Wir sind konkret einen Schritt gegangen, weil wir das Gefühl hatten, dass wir bisher zu wenig getan haben: Wir haben ein Verfahren eingeführt, durch das wir die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beobachten und begleiten können. Das ist ein Punkt, bei dem wir ganz aktiv nach vorne gegangen sind – letztlich auch, um die Integrationsverantwortung, deren Einhaltung das Bundesverfassungsgericht von uns verlangt, tatsächlich mit Leben zu erfüllen.
Aber es ist noch mehr zu tun. Wir haben uns deshalb an den Bundestagspräsidenten und an den Vorsitzenden des Europaausschusses gewandt, um zu sagen: In der nächsten Legislaturperiode muss das bitte umgesetzt werden. – Ich nenne das mal die Nachberichterstattung; denn wir wissen aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dass in Brüssel natürlich noch viel mehr über die Art und Weise der Umsetzung geredet wird, dass es dann Empfehlungen und Vergleiche mit anderen Ländern gibt und dass wir Abgeordnete vieles davon gar nicht erfahren. Unser Anspruch ist, diese Informationen zu bekommen, um eine bessere Entscheidung treffen zu können. Daran sollten wir in der Zukunft gemeinsam arbeiten.
Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, meiner Familie zu danken, die diese acht Jahre mitgetragen hat. Wenn man hier über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie redet, dann muss man auch sagen – wie viele Stunden sind wir jetzt am Beraten? –: Das hier ist nicht familienfreundlich. – Das sollte man auch in Erinnerung rufen. – Herzlichen Dank! Meine Kinder sitzen dort oben.
(Beifall im ganzen Hause – Stephan Thomae [FDP]: Um diese Zeit? Die gehören ins Bett! – Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: Weiß das das Jugendamt?)
– Die sind in diesen acht Jahren älter geworden; das muss man dazusagen.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Na, du zum Glück nicht!)
Jetzt dürfen sie das; anfangs durften sie das nicht.
Ein Dank gilt auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – zwei sitzen auch auf der Tribüne – hier in Berlin und in Köln.
(Zuruf von der SPD: Sind das Überstunden?)
Ich möchte ganz herzlich den Kölnerinnen und Kölnern Dank sagen, die mich zweimal in meinem Kölner Wahlkreis gewählt, mir das Vertrauen ausgesprochen und dadurch die Möglichkeit gegeben haben, hier in ihrem Sinne zu arbeiten. Herzlichen Dank!
(Beifall im ganzen Hause – Abg. Manfred Grund [CDU/CSU], Mechthild Rawert [SPD] und Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] erheben sich)
In diesem Sinne bitte ich – jetzt werden wir formal – um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. Ich danke herzlich und wünsche eine weiterhin gute Nacht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der AfD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herzlichen Dank, lieber Professor Dr. Heribert Hirte. Sie haben ja auch für einige Jahre die Funktion des Vorsitzenden des Rechtsausschusses übernommen. Dafür auch aus dem Plenum heraus ein ganz, ganz herzliches Dankeschön! Wir wünschen Ihnen beruflich weiterhin viel Erfolg und persönlich ein schönes Leben mit Ihrer Familie. Danke sehr!
(Beifall)
Das Wort geht an Fabian Jacobi von der AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530831 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 236 |
Tagesordnungspunkt | Modernisierung des Personengesellschaftsrechts |