25.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 237 / Tagesordnungspunkt 36

Linda TeutebergFDP - Gemeinnützigkeit politischer Organisationen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten über die Themen der Anträge, die bei diesem Tagesordnungspunkt zu beraten sind, nämlich die Frage der Gemeinnützigkeit politischer Organisationen und Fragen des Linksextremismus, sind voll von Missverständnissen und Doppelmoral.

Zu den Missverständnissen gehört, dass es eine scharfe Trennlinie zwischen Gemeinnützigkeit und politischem Engagement gäbe. Nein, anders wird ein Schuh daraus. Aus guten Gründen sieht unser Grundgesetz die politischen Parteien als besondere Organisationsform für das politische Engagement mit allgemeinpolitischem Mandat vor. Auch das ist ein gemeinnütziges Engagement, aber eben ein besonderes, das aus guten Gründen, aus historischer Erfahrung, durch die Verfassung besonders erwähnt und geschützt wird. Und aus guten Gründen gibt es deshalb auch hohe Anforderungen, die an Parteien gestellt werden. Sie betreffen vor allem die demokratische Verfasstheit der Parteien und weitgehende Rechenschafts- und Transparenzpflichten – Pflichten, die andere Vereine so nicht haben, das allerdings aus gutem Grund.

Ein Beispiel für die Doppelmoral in der Debatte darüber ist ein Treffen von NGOs 2019 in der Brandenburger Landesvertretung – Zivilgesellschaft im Regierungsgebäude: schon interessant und bezeichnend –, die nicht verlegen waren, konkrete Formulierungshilfen für ihre Vorstellungen von Gemeinnützigkeitsrecht zu geben. Dabei ging es um Steuerbegünstigungen,

(Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die sonst, wenn es um andere geht, gern als Teufelszeug geschmäht werden, frei nach dem Motto: Lobbyisten sind immer nur die anderen.

Wir brauchen eine versachlichte Debatte über dieses Thema, eine sinnvolle Reform des Gemeinnützigkeitsrechts – in der nächsten Legislaturperiode nämlich –, und daran gibt es einige Anforderungen. Zum einen darf das Gemeinnützigkeitsrecht kein Schlupfloch für intransparente Parteienfinanzierung sein, die am Parteienrecht vorbei funktioniert. Es muss aber sinnvolle Rahmenbedingungen für vielfältiges ehrenamtliches Engagement jenseits der Parteien geben – auch dies muss das Gemeinnützigkeitsrecht leisten –, und es muss sinnvoll differenziert werden zwischen einerseits dem Brauchtum, das das Grundgesetz eher überwinden will, wie exklusive Männerklubs, und andererseits zum Beispiel Chören, die sich in Ausübung ihrer Kunstfreiheit dafür entscheiden, entweder Männer- oder Frauenchöre zu sein. Da gibt es genug sinnvolle Differenzierungen für die, die sich dabei Mühe geben wollen. Eine solche sinnvolle Reform brauchen wir in der nächsten Legislaturperiode.

Wichtig ist mir bei dem Thema allerdings auch: Es wird so gern über Shrinking Spaces, über schrumpfende Räume für zivilgesellschaftliche Organisationen, geklagt. Schrumpfende Räume gibt es zum Teil auch für die ehrenamtlichen Aktiven in politischen Parteien, wenn in unseren Kommunen öffentliche Räume zunehmend so gewidmet werden, dass sie nicht mehr an Parteien vermietet werden. Dabei braucht Demokratie Räume, um sich zu versammeln,

(Stephan Brandner [AfD]: Da ist was dran, Frau Teuteberg!)

um gerade den demokratischen Pflichten gerecht zu werden. Und deshalb: Aus Angst vor extremistischen Parteien die Bewegungsfreiheit aller politischen Parteien zu beschränken, ist der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Genau!)

Verfassungspatriotismus im besten Sinne und Daseinsvorsorge für unsere Demokratie, zu der politische Parteien gehören, ist vielmehr, hier für gute Rahmenbedingungen zu sorgen.

Deshalb fand ich es auch schade, Herr Kollege Schrodi, dass Sie das wohlfeile Verhalten gezeigt haben, das man so oft mitbekommt, und „Parteipolitik“ so pauschal als Schimpfwort genutzt haben.

(Michael Schrodi [SPD]: Wo habe ich das gemacht?)

Man kann immer am konkreten politischen Handeln Kritik üben; aber Parteipolitik ist etwas, was unser Grundgesetz will, und wir sollten uns selbst nicht daran beteiligen, das verächtlich zu machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Kollegin Teuteberg, kommen Sie bitte zum Schluss.

Genau. – Abschließende Bemerkung zum Linksextremismus, der ja auch in den Anträgen zu diesem TOP angesprochen ist. Er ist kein „aufgebauschtes Problem“, wie es die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern mal gesagt hat; er ist eine ernste Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Kollegin Teuteberg, meines Wissens halten Sie heute nicht Ihre letzte Rede. Das heißt, die Toleranzgrenze ist überschritten.

Gewalt kann keine Rechtfertigung in Gemeinnützigkeit finden. Wir brauchen Menschen, die sich friedlich engagieren, und eine Reform der Rahmenbedingungen dafür.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte wirklich darum, die vereinbarten Redezeiten einzuhalten und nicht zu überschreiten. Sie wissen: Wir haben eine Vereinbarung im Präsidium, was Verabschiedungen oder letzte Reden betrifft. Aber das setzt voraus, dass alle anderen sich bitte auch an die Spielregeln halten.

Das Wort hat die Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530888
Wahlperiode 19
Sitzung 237
Tagesordnungspunkt Gemeinnützigkeit politischer Organisationen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta