Norbert BarthleCDU/CSU - Gemeinnützigkeit politischer Organisationen
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich trete ganz bewusst heute nicht von der Regierungsbank aus hier ans Rednerpult, sondern aus der Mitte meiner Fraktion, wo ich mich nach wie vor wohlfühle.
Würde ich heute als PStS aus dem BMZ reden, dann würde ich als Allererstes sagen: Heute ist ein guter Tag für Deutschland, heute ist ein guter Tag für die ganze Welt, vor allem für die Kinder dieser Welt, die immer noch ausbeuterische Kinderarbeit leisten müssen. Denn in der vergangenen Woche haben wir hier das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Dieses geht heute, genau zu dieser Stunde, durch den Bundesrat, und dann ist es durch. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn ich schon beim Dankesagen bin, dann fange ich gleich bei der Finanz-AG unserer Fraktion an, die mir diese Redezeit eingeräumt hat. Antje Tillmann, Christian von Stetten, Olav Gutting, ein ganz herzliches Dankeschön! Das ist das schönste Abschiedsgeschenk, das ihr mir machen konntet; denn damit habe ich Gelegenheit, mich in aller Form nach 23 Jahren vom Deutschen Bundestag zu verabschieden.
Damit schließt sich auch ein Kreis. In meiner ersten Legislaturperiode von 1998 bis 2002 war ich Mitglied im Finanzausschuss und durfte bei Gerda Hasselfeldt vieles lernen. Ich habe in meiner ersten Rede damals über Haushaltsfreibeträge usw. geredet und habe schon damals über Haushaltskonsolidierung und solide Staatsfinanzen gesprochen. Das Thema hat mich dann irgendwann wieder eingeholt, und ich komme nochmals darauf zurück.
Ich will aber doch noch einen Satz zum heutigen Antrag der AfD sagen.
(Stephan Brandner [AfD]: Das ist nett!)
Ich will es herunterbrechen auf eine einfache Formel. Das Gemeinnützigkeitsrecht beschreibt, dass sich gemeinnützige Zwecke dadurch auszeichnen, dass man der Allgemeinheit dient, und zwar materiell, geistig und sittlich und in selbstloser Art und Weise. Jede Organisation, die diesen Anspruch nicht erfüllt, sondern die strategisch, systematisch Hausfriedensbruch betreibt, Sachbeschädigungen vornimmt, sogar Körperverletzungen in Kauf nimmt, muss sich die Frage stellen lassen, ob sie noch gemeinnützig sein kann oder nicht. Egal ob sie von links oder von rechts kommt, egal für welchen Zweck sie eintritt, der vermeintlich gut sei, diese Frage muss sich jede Organisation stellen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)
Lassen Sie mich aber Dank sagen, vor allem an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowohl im Wahlkreis als auch in meinem Bundestagsbüro. Ich glaube, man kann schon sagen, dass es bemerkenswert ist, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sie sitzen auf der Besuchertribüne – mich von Bonn nach Berlin begleitet haben, 23 Jahre in Treue in meinem Büro mir zugearbeitet haben. Ich glaube, das gibt es nicht in jedem Bundestagsbüro. Dafür meinen größten Respekt!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich sage selbstverständlich auch Danke an die Menschen, die mich im BMVI begleitet haben, in meiner ersten Staatssekretärszeit, und jetzt im BMZ und in der Deutsch-Griechischen Versammlung. Ich spreche da immer von meinem Dream-Team, und da ist ein Stück Wahres dran.
Die BMZ-Zeit – auch das sage ich an dieser Stelle – war für mich die schönste Zeit in dieser ganzen 23-jährigen Periode. Warum? Ich bin meiner hochgeschätzten und hochverehrten Bundeskanzlerin Angela Merkel dankbar,
(Stephan Brandner [AfD]: Na ja!)
die mich in der letzten Wahlperiode zum Staatssekretär im Verkehrsministerium ernannt hat und in dieser Periode zum Staatssekretär im BMZ. Das BMZ zeichnet sich ja dadurch aus, dass man dort weniger Gesetze macht, sondern eher schöne Projekte auflegt und gute Taten vollbringt. Gerade gestern durfte ich den Startknopf für das Deutsch-Afrikanische Jugendwerk drücken. Auch das wird seine Wirkung entfalten. Da hinterlässt man gute und schöne Spuren. Deshalb auch danke an alle, die in der entsprechenden Arbeitsgruppe versammelt sind und sich mit Entwicklungspolitik beschäftigen.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist ein besonderer Ausschuss; denn die Mitglieder dieses Ausschusses wollen im Prinzip über alle Fraktionsgrenzen hinweg mit einer Ausnahme – ich schaue einmal in die Richtung – mehr oder weniger dasselbe. Deshalb ist es sehr angenehm, da zu arbeiten. Meiner Ansicht nach müsste das BMZ eigentlich Weltministerium heißen; denn dort kümmert man sich um die Angelegenheiten dieser Welt.
Dass das wichtig ist, sieht man schon allein am Beispiel Kohleausstieg, CO2-Reduzierung. Wir haben richtigerweise den Ausstieg aus der Kohle beschlossen. Keine Frage, dazu stehen wir. Das ist ein gutes und wichtiges Signal an die Welt. Ich hoffe sehr, dass uns weitere Nationen folgen; denn anderenfalls bleibt dieser Schritt nahezu wirkungslos. Warum? In Deutschland gibt es etwas mehr als 100 Kohlekraftwerke, allein in China mehr als 1 000. Genau in diesem Jahr werden 92 neue gebaut; es werden also etwa so viele neu gebaut, wie wir abschalten.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Die Arbeit des BMZ ist unglaublich wichtig; denn das BMZ trägt die richtigen Ideen hinaus in die Welt. Dafür ist es zuständig. Also, liebe Haushälterinnen und Haushälter der kommenden Periode: Gebt dem BMZ nochmals mehr Geld; die brauchen es.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In der nächsten Wahlperiode wird mit Sicherheit eine heftige Debatte über das Thema Staatsfinanzen stattfinden; denn infolge der Coronakrise haben wir Neuverschuldungen zu gewärtigen, die für einen normalen gestandenen Haushälter vor einiger Zeit noch unvorstellbar waren: in zwei Jahren mehr neue Schulden als ein ganzer Jahresetat. Das kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Das hat natürlich auch dazu geführt, dass unser Staatsdefizit inzwischen wieder auf über 70 Prozent gestiegen ist. Wir waren schon bei 59 Prozent im Jahre 2019. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung.
Wenn ich Stimmen höre, dass man die Klimakrise genauso heftig bekämpfen und ernsthaft angehen müsse wie die Coronakrise, womöglich mit demselben finanziellen Aufwand, dann ist das etwas, was dieser Staat und diese Staatsfinanzen nicht tragen können.
(Michael Schrodi [SPD]: Doch!)
Dann überspannen wir die Möglichkeiten, die wir haben. Ich empfehle allen künftigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses, dass sie sich an den Ratschlag des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung halten, der klipp und klar sagt: Eine zu hohe Staatsverschuldung wirkt immer als Wachstumsbremse und belastet vor allem nachfolgende Generationen. – Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, wie sehr sich ein Staat verschuldet.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Sie werden Debatten erleben, in denen die Befürworter von mehr staatlichen Schulden – sie kommen meistens aus dieser Ecke –
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es geht um mehr Einnahmen!)
Ihnen sagen werden: Wenn man das Geld auch auf Schulden basierend richtig einsetzt,
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es geht nicht um mehr Schulden! Es geht um mehr Einnahmen, und zwar von denen, die sie haben!)
richtig investiert, also in Bildung, in Digitalisierung, in Klimaschutz, in Infrastruktur, dann erzeugt das eine Investitionsrendite, dann werden wir künftig mehr Steuereinnahmen und weniger Staatsausgaben haben. – So argumentieren Ökonomen in der Theorie.
Den Politikern in diesem Hohen Hause empfehle ich: Erinnern Sie sich einfach an die vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Wir hatten Wirtschaftswunderjahre unter Ludwig Erhard, Stichwort „soziale Marktwirtschaft“. Frau Baerbock, der war übrigens von der CDU.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat übers Umsetzen gesprochen! Sie hören einfach nicht mehr zu!)
Was ist daraus gefolgt? Keine ausgeglichenen Haushalte, keine Rücklagen, sondern Jahr für Jahr steigende Staatsverschuldung, die irgendwann in den 90er-Jahren sogar explodiert ist. Wenn solche Renditen erzielt werden, dann werden sie in aller Regel sofort wieder vervespert in zusätzliche Sozialausgaben.
(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Als ich 1998 angefangen habe, lag der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt bei etwa 39 Prozent. Heute liegt er bei 52 Prozent. Das sage ich einfach mal so zum Nachdenken. Wer meint, dass sich Haushalte über Investitionsrenditen stabilisieren, der meint auch, dass sein Hund einen Wurstvorrat anlegt.
Ich empfehle deshalb – ich erlaube mir, dies an dieser Stelle an die kommenden Kolleginnen und Kollegen zu sagen –: Halten Sie sich einfach an die Regeln! Die Politik hat sich zu Recht klare Regeln gegeben mit dem Maastricht-Vertrag – 60 Prozent Schuldenstand und 3 Prozent Defizit – und der Schuldenbremse, 0,35 Prozent des BIP als maximale Verschuldung für den Bund, 0 für die Länder. Leider haben noch nicht alle Bundesländer diese Schuldenbremse in ihre Landesverfassungen übernommen. Mein Heimatland, Baden-Württemberg, hat sie übernommen. Aber es gibt noch vier Bundesländer, die das bisher nicht getan haben.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)
Ich fürchte, in Berlin wird dieser Appell nicht auf offene Ohren stoßen.
Halten Sie sich also an die Regeln, die sich die Politik selbst gegeben hat, auch auf europäischer Ebene. Dort gibt es den Fiskalvertrag und den Stabilitätspakt. Das sind kluge Regelungen, die hoffentlich auch in Zukunft noch tragfähig sind und Geltung haben. Denn wir brauchen in der künftigen Haushalts- und Finanzpolitik eine klare Orientierung, die da lautet: statt Ideologie Vernunft, statt neuer Steuern Wirtschaftswachstum. Dann liegen wir richtig. Deshalb hoffe ich, dass diese Grundsätze auch in den kommenden Wahlperioden gelten.
Abschließend darf ich noch etwas anderes sagen. Ich bin auf zwei Dinge stolz. Das eine ist, dass mein Büro in den 23 Jahren 840 Besuchergruppen mit rund gerechnet 41 500 Personen betreut hat. Das ist eine tolle Leistung. Das Zweite, auf das ich stolz bin, ist: Man hat mir mal die Wortpatenschaft für den Begriff „Generationengerechtigkeit“ verliehen. Mit diesem Etikett an der Brust verlasse ich dieses Hohe Haus gerne – mit einer Träne im Auge, aber mit Stolz und großer Zufriedenheit, hier gedient haben zu dürfen.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)
Kollege Barthle, ich entschuldige mich noch mal für das Versehen vorhin. Aber ich hoffe, das hat nun auch diejenigen, die nicht wussten, dass Sie heute das letzte Mal – voraussichtlich – an dieses Redepult treten, aufmerksam gemacht.
Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute für den neuen Lebensabschnitt. Und auch hier eine persönliche Bemerkung: Wir sind gleichzeitig in dieses Hohe Haus gewählt worden.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ich erinnere mich gut!)
Erst noch in Bonn am Rhein und dann nach dem Umzug nach Berlin waren wir in unterschiedlichster Verantwortung und mit unterschiedlichsten Perspektiven tätig.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wir hatten mal ein Rededuell! Erinnere ich mich gut dran!)
– Genau, ich auch. – Also: Herzlichen Dank für alles und alles Gute.
(Beifall)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530892 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Gemeinnützigkeit politischer Organisationen |