Elisabeth MotschmannCDU/CSU - Förderung der Kulturarbeit gem. BVFG
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenwart und Vergangenheit gehören – wir haben es gehört – beim Thema „Flucht und Vertreibung“ zusammen.
Ich beginne einmal mit der Gegenwart. Über 82 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht, fast so viele Menschen, wie Deutschland Einwohner hat. Die Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, ein trauriger Höchststand, und fast die Hälfte sind Kinder unter 18 Jahren. Ihnen müssen wir uns zuwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thomas Hacker [FDP])
Flucht und Vertreibung sind nicht nur Teil unserer eigenen Geschichte, sie sind Geschichte Europas, sie sind Geschichte der ganzen Welt. Sie sind auch heute bittere Realität. Im 21. Jahrhundert müssen weltweit Millionen von Menschen vor Krieg, Hunger und Verfolgung fliehen. Die Bilder aus Syrien, Irak und Jemen machen uns betroffen; sie machen uns nicht nur betroffen, sondern oft auch machtlos. Aber wir haben die Macht, ihr Flüchtlingsschicksal zu erleichtern, ihnen zu helfen. Das gilt in ihrer Heimat, aber auch in unserem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Jetzt komme ich zu den Vertriebenen, die wir als Deutsche zu beklagen haben – immer natürlich im Bewusstsein, wie schuldig wir in dem Krieg geworden sind; aber das ändert nichts an der Tatsache, dass auch damals Millionen Kinder und Frauen vor dem Krieg, vor dem Hunger, vor Vergewaltigung fliehen mussten. Das dürfen wir niemals vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])
Diese Flüchtlinge mussten ihr Zuhause verlassen und eine neue Heimat finden. Sie wollten keine Vergeltung – das will ich hier ausdrücklich betonen –, sondern haben in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen Versöhnung gefordert. Nur darum kann es in der Erinnerungskultur gehen. Wir wollen uns versöhnen und nicht weiter spalten und trennen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen die Erinnerung an diese Vertreibungsgeschichten in vollem Bewusstsein und im Kontext unserer historischen Verantwortung und Schuld wachhalten. Wir müssen unsere Geschichte in Geschichten erzählen und erzählen lassen. Genau das passiert in diesem Zentrum, und genau das ist unser Auftrag.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies war nun meine 77. und letzte Rede im Deutschen Bundestag. In der Verantwortung vor Gott und den Menschen habe ich meine Politik verstanden. Ich blicke heute nach vorn. Nun werde ich mich weiter an anderen Orten für die Themen einsetzen, die mir hier so wichtig waren. Ich will sie noch einmal nennen.
Unsere Kultur, stets unterschätzt und gerade in der Pandemie so schmerzlich vermisst. Ich wünsche mir, dass die Kultur künftig in diesem Hause eine noch viel größere Rolle spielt als bis jetzt.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Repräsentanz von Frauen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, von allen gewollt, aber noch lange nicht realisiert. Ich wünsche mir, dass in der nächsten Legislatur in diesem Hohen Haus mehr Frauen sitzen als im Augenblick.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Simone Barrientos [DIE LINKE]: Jawohl! Mehr Frauen als Männer am besten!)
Die Erinnerungskultur in unserem Land, für viele nah, für die junge Generation fern; deshalb diese Debatte.
Schließlich die deutsche Außenpolitik, scheinbar fern und doch Voraussetzung für Frieden, Freiheit und Demokratie in Deutschland, in Europa und der Welt.
Ich danke allen, vor allem meiner eigenen Fraktion, für alle Unterstützung in den vergangenen acht Jahren. Ich danke aber auch den anderen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit, die es im Kulturbereich doch gegeben hat. Ich danke schließlich meiner Familie, meinem Mann, der da oben sitzt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP, der LINKEN und des Bündnisses 90/DIE GRÜNEN)
Ich danke meinen Kindern für alle Unterstützung und Hilfe. Sie haben nie geklagt, wenn ich das Haus verlassen habe, aber haben sich immer doch doll gefreut, wenn ich wiedergekommen bin.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich danke meinem Team. Ich kann nicht alle aufzählen. Ich sage nun dankbar: Auf Wiedersehen und Gottes Segen für unser Land!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)
Kollegin Motschmann, auch Ihnen wünsche ich alles, alles Gute für den folgenden Lebensabschnitt. Wenn man so erwartet wird, ist das sehr schön. Ich habe mich gerade vergewissert – Sie haben es gesagt –: acht Jahre. Ich hatte das Gefühl, dass wir viel länger zu diesen wichtigen Fragen miteinander gestritten haben. Also: Alles Gute!
(Beifall)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530905 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Förderung der Kulturarbeit gem. BVFG |