Florian ToncarFDP - Bericht 3. UA – Wirecard
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge machen den Fall Wirecard besonders einzigartig: die Dimension des Schadens, der entstanden ist – wir reden über einen Betrag von 25 bis 30 Milliarden Euro – und die Rolle von Behörden und Regierungen, die nicht, wie vielleicht in manch anderem Fall, die Sache unterschätzt und zu wenig getan haben, weil sie nicht Bescheid wussten, sondern die diesen Fall als Intensivfall kannten, ihn über Jahre hinweg begleitet haben, aber auf der falschen Seite mitgespielt und die Anleger regelrecht noch mit in die Irre geführt haben. Das war einzigartig, aber einzigartig falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Just deshalb war dieser Untersuchungsausschuss – trotz mancher Skeptiker am Anfang, an die ich heute erinnern möchte – notwendig, und er war auch erfolgreich. Gut, dass FDP, Linke und Grüne ihn durchgesetzt haben; denn sonst hätte es ihn überhaupt nicht gegeben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])
So kollegial es im Ausschuss war, so schwierig war die Zusammenarbeit teilweise bei der Informationsbereitstellung durch die Bundesregierung. Das Kanzleramt hat Zeugen vorbereitet. Das Kanzleramt hat auch eine zentrale E-Mail eines Beraters von Frau Merkel, Herrn Röller, nicht vorgelegt. Wir haben, Herr Minister Scholz, auch festgestellt, dass Sie in dienstlicher Sache über private E‑Mail-Accounts kommunizieren. Wenn das zwei Regierungsmitglieder machen, wird das in der IT der Regierung gar nicht erfasst. Insofern kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass der Bundestag alles erfahren hat,
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: So ist es!)
was in dieser Sache stattgefunden hat; das muss man leider am heutigen Tage so feststellen. Wir werden sehen, wie umfangreich und wie vollständig die Informationen waren, die wir bekommen haben.
Nun kommen wir zu den Feststellungen. Erstens. Der Betrug war zwar groß angelegt, aber er war nicht perfekt organisiert. Er war zu entdecken. Auch diese Verbrecher hatten Schwächen, die man hätte nutzen können, um ihn aufzudecken.
Zweitens. Es gab fundierte Hinweise, nicht nur, wie es im letzten Sommer aussah, aus der Presse – „Financial Times“ usw. –, sondern es gab auch Hinweise aus der Bundesbank, schriftlich hinterlegt. Es gab Warnungen, es gab etliche Geldwäscheverdachtsmeldungen von seriösen deutschen Kreditinstituten gegen Wirecard und sein Management. Es gab die Finanzverwaltung, die den Verdacht hatte, dass hier Straftaten begangen werden und die das auch hinterlegt hat, in dem Fall bei der Staatsanwaltschaft in München.
Das führt zur Schlussfolgerung Nummer drei: Dieser Betrug hätte frühzeitig verhindert werden müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der AfD)
Viertens. Behördenversagen ist das eine; aber der Fall Wirecard ist ein Fall von Regierungsversagen. Wir hatten keine funktionierende Rechts- und Fachaufsicht des Finanzministeriums, Herr Minister Scholz, über die BaFin. Das Leerverkaufsverbot – einer der zentralen Fehler, aber nicht der einzige – war aus mehreren Gründen rechtswidrig. Wo war die Rechtsaufsicht? Wo war die Fachaufsicht? Wo waren die Fragen nach der Berechtigung einer solchen Maßnahme?
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Herr Minister Scholz, Sie wissen auch, dass der Finanzausschuss des Bundestages seit 2018 im Monatsrhythmus die Zustände bei der Geldwäschebehörde, der FIU, die Ihnen untersteht, thematisiert hat. Fairerweise muss man sagen: Sie haben an der Stelle auch ein Problem von Ihrem Vorgänger Herrn Schäuble geerbt, der diese Behörde im Schweinsgalopp errichtet hat. Aber es war leider nur eine Frage der Zeit, dass dort wertvolle Informationen nicht verwertet werden. Ich sage Ihnen eins, gerade weil wir Abgeordneten das Thema FIU von Anfang an verfolgt haben: Diese Behörde hat von 32 Treffern vor der Insolvenz von Wirecard nur 2 identifiziert und 30 nicht identifiziert. Ein Sechzehntel ist eine desaströse Quote. Dafür tragen Sie Verantwortung, genauso wie Ihr Vorgänger Wolfgang Schäuble.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Insofern hat die Regierung hier tatsächlich über Jahre hinweg Fehlentscheidungen getroffen, die diesen Betrug mit ermöglicht haben.
Und was viele Menschen beschäftigt – auch das muss heute mal ausgesprochen werden, weil es nämlich die ansonsten erfolgreiche Bilanz des Untersuchungsausschusses ein wenig einzuordnen hilft –: Frau von der Leyen verstößt gegen Haushaltsrecht und wird Kommissionspräsidentin.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Jawohl. – Herr Scheuer verstößt gegen Haushaltsrecht und bleibt Minister. Und auch im Fall Wirecard sind die Verantwortlichen auf der politischen Ebene alle immer noch dort, wo sie waren. Genau das ist es, was die Leute nach dem Skandal noch mal verärgert und sie auch daran zweifeln lässt, dass hier in diesem Staat alles mit rechten Dingen zugeht.
(Beifall bei der FDP, der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ändern Sie das! Machen Sie das Nötige! Ansonsten wird dieser Fall Sie, Herr Minister Scholz, und die gesamte Bundesregierung sowieso nicht mehr loslassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Danke. – Das Wort geht an die Fraktion Die Linke mit Fabio De Masi.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Bericht 3. UA – Wirecard |