25.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 237 / Tagesordnungspunkt 40

Jens ZimmermannSPD - Bericht 3. UA – Wirecard

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was bei Wirecard passiert ist, ist einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ich weiß: Viele Bürgerinnen und Bürger haben dabei Geld verloren. 1,9 Milliarden Euro – es ist schon gesagt worden –, ein Drittel der Bilanz, waren am Ende einfach nicht da. Wirecard war ganz offenbar ein Selbstbedienungsladen, bei dem vor allem ein kriminelles Topmanagement und eine Vielzahl von Lobbyisten immer wieder zugegriffen haben, während Wirtschaftsprüfer, deren eigentlicher Job es gewesen war, hinzuschauen, weggeschaut haben.

Ich stand im September, als wir diesen Ausschuss eingesetzt haben, auch an dieser Stelle und habe für die SPD versprochen, dass wir uns für die Sachaufklärung einsetzen. Wenn man den Abschlussbericht mit seinen über 2 000 Seiten liest, dann sieht man – das haben, glaube ich, alle Rednerinnen und Redner unisono hier auch dargestellt –: Wir haben unheimlich viel herausgefunden, wir haben diese Sachaufklärung betrieben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Sie haben es gemerkt: Hier im Plenum wird auch mit harten Bandagen gekämpft. Das ist interessant, weil es im Ausschuss häufig und meistens ganz anders war. Alle Fraktionen haben an der Sachaufklärung gearbeitet. Wir haben detektivisch Akten gewälzt, wir haben Zeuginnen und Zeugen vernommen, wir haben überraschende Antworten bekommen. Eine der Lieblingsfragen war: Besitzen Sie eigentlich Wirecard-Aktien? – Es war sehr überraschend, wie oft die Antwort war: Ja. – Wir haben ganz viel auf den Weg gebracht. Dass es heute hier an der einen oder anderen Stelle – das heißt, bisher eigentlich nur an einer Stelle – ein großes politisches Gepolter gibt, wird diesem Ausschuss nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch die Journalistinnen und Journalisten, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben den Wirecard-Ausschuss als eine Sternstunde des Parlamentes beschrieben,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: War es auch!)

und zwar nicht, lieber Kollege Hauer, weil Sie immer wieder den Rücktritt von Gott und der Welt fordern, sondern weil wir diese Sachaufklärung betrieben haben. Das ist die Sternstunde des Parlamentes gewesen.

(Beifall bei der SPD – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Noch nicht mit einem Wort haben Sie die BaFin erwähnt! Sprechen sie doch über die BaFin!)

– Ja, da können Sie jetzt einen roten Kopf bekommen und reinbrüllen; es macht die Sache am Ende nicht besser.

Es war ein Untersuchungsausschuss mit Biss. Wenn wir uns vor allem die Rolle der Wirtschaftsprüfer anschauen – da werden Sie jetzt auch wieder enttäuscht sein –, dann müssen wir feststellen: Sie waren doch die erste Verteidigungslinie für die geprellten Anlegerinnen und Anleger. Als Wirtschaftsprüferin, als Wirtschaftsprüfer haben sie einen öffentlich beliehenen Auftrag. Sie schauen sich die Bücher im Unternehmen an, sie überprüfen, ob das, was in der Bilanz steht, auch stimmt. Wir haben in der vorherigen Debatte über internationale Beziehungen, über BEPS, über Mindeststeuer, über ganz komplizierte Sachen gesprochen. Ich habe von Fritz Güntzler gelernt: Bei der Bilanzprüfung ist ein Posten total einfach, der heißt „Cash and Cash Equivalents“, also das Konto. Zur Beantwortung der Frage: „Ist das Geld auf dem Konto?“, braucht man sich nur einen Kontoauszug anzuschauen.

Das Problem ist, die hochbezahlten Prüfer von EY haben das nicht hinbekommen; sie haben sich hinter die Fichte führen lassen.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Was?)

Am Ende haben sie jedes Jahr Brief und Siegel auf diese Bilanz gegeben. Darauf haben sich viele verlassen, und darauf muss man sich auch verlassen können. Deswegen haben wir jetzt auch die entsprechenden gesetzlichen Änderungen auf den Weg gebracht, damit genau so etwas nicht mehr passiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Der Finanzminister muss auch seinen Job machen!)

Herr Altmaier hatte offenbar so viel Angst vor dieser Debatte heute, dass er in die USA geflogen ist.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP – Peter Beyer [CDU/CSU]: Er macht seinen Job!)

Schade, dass er nicht da sein kann. Der FC Bundestag ist eben schon genannt worden. Ich muss sagen: Olaf Scholz ist auf dem Transfermarkt ziemlich erfolgreich aktiv geworden; denn wir haben uns den Chef der Schweizer Finanzaufsicht als zukünftigen Leiter der BaFin sichern können; wir haben alles dafür getan, dass wir einen Weltklassespieler in unser Team holen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Damit hat er ein Eigentor geschossen!)

Was hat Peter Altmaier bei der Wirtschaftsprüferaufsicht gemacht? Er hat eine Anzeige in der FAZ geschaltet. Na ja, das kann ja was werden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wirecard hat mich immer ein bisschen an ein Memory erinnert. Im September haben alle gesagt: Schauen Sie, unter den Memorysteinen ist überall der Finanzminister. – So, und dann haben wir im Ausschuss angefangen, die Steine umzudrehen. Als wir die ersten Steine umgedreht haben, war überall Bayern, ganz merkwürdig, wir haben doch eigentlich Hamburg erwartet, aber nein, überall Bayern. Die Staatsanwaltschaft in München ist eigentlich weltberühmt dafür, Korruptionsskandale aufzudecken; aber die Oberstaatsanwältin in München hat bis zum KPMG-Bericht geglaubt, Wirecard sei das Opfer. Ich will eines ganz klar sagen: In München gibt es einen Betriebsprüfer beim Bayerischen Landesamt für Steuern. Dieser Mann hat bei Wirecard die Bücher geprüft; er hat von diesem Skandal gehört, auf eigene Faust die Puzzleteile zusammengeführt und ist dann zur Staatsanwaltschaft gegangen. Ihm ist nicht geglaubt worden, Wirecard war ja schließlich das Opfer.

Ich komme aus Hessen. In Hessen sind zu erfolgreiche Steuerfahnder einmal für verrückt erklärt worden. Das erinnert mich alles sehr daran. Dieser Mann durfte oder konnte nicht vor unserem Ausschuss aussagen; denn seitdem er einmal mit der Presse gesprochen hat, ist er langfristig krankgeschrieben.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Was für ein Zufall!)

Das macht mich sehr betroffen. Ich sage Ihnen eines – das können ruhig auch Herr Söder und Herr Herrmann hören –: Ich werde weiter verfolgen, was aus diesem Mann wird; denn es kann nicht sein, dass jemand, der auf der richtigen Spur war, dafür am Ende persönlich bestraft wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben dieses Wirecard-Memory weitergespielt; wir haben mehr Steine aufgedeckt. Was verbarg sich darunter? Karl-Theodor zu Guttenberg. Ich danke hier dem Kollegen Michelbach, der ganz klare Kante gezeigt hat und gesagt hat: Das geht nicht, er hat die Kanzlerin damit beschädigt. – Richtig so. Aber er hat sich vor allem auch die Taschen vollgemacht, über 800 000 Euro bei Wirecard kassiert. Der nächste Stein, wer kommt dann? Ole von Beust, Peter Harry Carstensen, die Kanzlei Bub Gauweiler. 100 000 Euro im Monat hat die Kanzlei Bub Gauweiler dafür kassiert, dass sie die Drecksarbeit für Wirecard gemacht hat. All das befindet sich unter den Wirecard-Memorysteinen und nicht das, was Sie, Herr Kollege Hauer, hier der Öffentlichkeit erzählen wollen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern muss ich sagen: Am Ende des Tages war es an vielen Stellen eine moderne Version von „Kleider machen Leute“; denn ich muss mir ganz offensichtlich nur für teures Geld große Namen einkaufen, um sogar bei einer so renommierten Staatsanwaltschaft wie in München Eindruck zu schinden und sie dazu zu bringen, sich komplett auf die falsche Fährte führen zu lassen. Das ist bitter. Aber ich mache den Beteiligten dort keinen Vorwurf. Sie haben, glaube ich zumindest, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt; aber sie haben Fehler gemacht, das passiert. Aber wir müssen dafür sorgen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Das ist der Erfolg dieses Ausschusses, meine Damen und Herren. Ich bleibe dabei, und ich bedanke mich für die wirklich gute, spannende Zusammenarbeit. Wir haben alle unglaublich viel gelernt, und ich hoffe, dass wir dadurch so etwas in Zukunft verhindern können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Dr. Zimmermann. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Frank Schäffler.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530946
Wahlperiode 19
Sitzung 237
Tagesordnungspunkt Bericht 3. UA – Wirecard
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta