Michael EspendillerAfD - Digitalisierung der Polizei
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und bei Youtube! Und natürlich: Liebe FDP! Wir sind ja von Ihnen viel gewohnt; aber mit diesem Antrag haben Sie dieses Mal wirklich den Vogel abgeschossen.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Den Vogel abschießen ist was Gutes, Herr Espendiller! – Gegenruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich muss als naturschutzpolitische Sprecherin widersprechen!)
Er ist derart undurchdacht und verantwortungslos, dass er in seiner Wirkung regelrecht zerstörerisch wäre.
Sie wollen mit diesem Antrag die Digitalisierung der Polizei vorantreiben. Und ich kann Ihnen gleich sagen, dass wir als AfD uns bei diesem Antrag nur deshalb enthalten, weil wir die Grundintention durchaus teilen. Auch wir wollen leistungsstarke Polizeibehörden, die kriminellen Strukturen technisch auf Augenhöhe begegnen und so die Sicherheit und Gerechtigkeit in diesem Land sicherstellen können. Aber Ihr Antrag würde entweder in das totale Chaos oder direkt in einen technisch hochgedopten Polizeistaat führen. Genau das haben Ihnen die Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung zu diesem Antrag auch gesagt; das war eine regelrechte Klatsche für Sie. Ich verstehe gar nicht, warum Sie den Antrag hier noch einreichen.
Worum geht es? Wenn wir die Polizeiarbeit digitaler gestalten wollen, dann handelt es sich dabei um eine Operation am offenen Herzen. Alles, was wir dort ändern, geschieht im laufenden Betrieb. Das heißt, die Anwender müssen ordentlich geschult sein, und die Technik darf auf keinen Fall ausfallen. Die Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden muss jederzeit gewahrt sein.
(Zuruf von der AfD: So ist es!)
Ansonsten handeln wir uns unkalkulierbare Sicherheitsrisiken ein.
(Beifall bei der AfD)
Diesem Umstand trägt Ihr Antrag in keiner Weise Rechnung. Bereits das macht ihn verantwortungslos.
(Zuruf des Abg. Benjamin Strasser [FDP])
Es geht weiter damit, dass Sie laut Ihrem Antrag unsere föderale Sicherheitsarchitektur von der technischen Seite her faktisch komplett abschaffen wollen. Sie wollen eine zentralistische IT-Struktur schaffen, innerhalb der sämtliche Polizei- und Justizbehörden auf einer gemeinsamen Arbeitsoberfläche agieren und Zugriffe auf Informationen und Daten wie Bonbons verteilt werden, ohne jede Kontrollinstanz und ohne jede Sanktionsmöglichkeit. Bereits heute haben wir in diesem Bereich aber Probleme. Der Sachverständige Professor Dr. Aden hat dazu ausgeführt – ich zitiere –:
[Es] wurde ... deutlich, dass nicht immer nachvollziehbar ist, wer aus welchen Gründen Daten aus polizeilichen Systemen abfragt und nutzt.
Ich zitiere weiter:
Immer wieder kommt es vor, dass mehrere Bedienstete unter derselben Kennung in polizeilichen Systemen arbeiten – obwohl dies bereits heute nach den innerdienstlichen Regelungen unzulässig sein sollte.
Das heißt, hier haben wir als Gesetzgeber schon jetzt dringenden Handlungsbedarf, wenn wir den Datenschutz und die Bürgerrechte ernst nehmen wollen. Auch dazu steht kein Wort in dem Antrag der FDP.
(Beifall bei der AfD)
Stattdessen setzen Sie noch einen drauf und wollen den Behörden noch mehr unkontrollierte Befugnisse geben. Aber es kommt sogar noch schlimmer: Sie wollen im Handstreich die Nutzung von KI-Systemen verordnen, von denen wir nach heutigem Stand wissen, dass sie teils zu falschen Verdächtigungen und einem steigenden Risiko rechtswidriger Maßnahmen führen. Diese Systeme sind bisher weder für die anwendenden Polizeiorgane noch für die Bürger nachvollziehbar. Einer der Sachverständigen hat zu Recht gesagt, dass es eine Blackbox ist. Auch da sind wir uns in einem Punkt nicht einig. Wir müssen nämlich eines beachten: die mangelnde Transparenz. Die Bürger müssen verstehen, warum und auf welcher Grundlage Polizei- und Sicherheitsbehörden agieren und Entscheidungen treffen. Und schließlich geht es auch noch um die Waffengleichheit. Die Bürger wollen keinen übermächtigen Polizei- und Überwachungsstaat, dem sie sich ausgeliefert fühlen. Gerade Rechtsbeiständen von Angeklagten und Richtern muss eine umfassende Nachprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit der erhobenen Vorwürfe möglich sein, um auch zu prüfen, ob bei den Ermittlungen geltendes Prozessrecht eingehalten wurde.
Viele Erfahrungen aus dem Einsatz von KI-Lösungen bei der Polizeiarbeit stammen aus dem angloamerikanischen Raum, wo die Rechte von Angeklagten mit einer sehr strengen Früchte-des-verbotenen-Baumes-Regelung geschützt werden. Diese haben wir in Deutschland in dieser Form nicht. Wir haben insofern das Problem, dass wir bald ein Missverhältnis beim Grundsatz des fairen Verfahrens haben.
Ich könnte hier jetzt noch viel sagen,
(Susanne Mittag [SPD]: Nee! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Bitte nicht!)
möchte dies aber nicht. Ich möchte Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit danken, liebe Kollegen.
Eine wichtige Sache möchte ich noch loswerden: Georg Thiel ist heute seit vier Monaten wegen nicht gezahlter Rundfunkbeiträge im Gefängnis. Das ist absolut unverhältnismäßig. Lassen Sie Georg Thiel frei, Herr Buhrow.
(Beifall bei der AfD – Ute Vogt [SPD]: Rechtmäßig verhalten! Dann kommt man nicht ins Gefängnis! – Benjamin Strasser [FDP]: Kommen Sie erst mal zur Anhörung, bevor Sie über die Anhörung reden! – Gegenruf des Abg. Dr. Michael Espendiller [AfD]: Das war eine öffentliche Anhörung, die ist online. Die kann man sich ansehen. Hätten Sie auch machen können! – Gegenruf des Abg. Benjamin Strasser [FDP]: Ich war da! Im Gegensatz zu Ihnen! – Gegenruf des Abg. Dr. Michael Espendiller [AfD]: Verstanden haben Sie es aber offensichtlich nicht!)
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Susanne Mittag.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530954 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Digitalisierung der Polizei |