Susanne MittagSPD - Digitalisierung der Polizei
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erster Punkt – diesen habe ich mir vorhin in meinem Manuskript notiert –: Sie sind gar nicht im Thema. Das ist ziemlich erschreckend.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mehr muss man dazu nicht sagen!)
Fangen wir inhaltlich an. Jetzt geht es um den FDP-Antrag. Ob mit Smart Germany, Smart Farming oder Smart Police, die FDP möchte so viel smarter werden.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Super!)
Das alles hört sich super an. Aber so schön und innovativ diese Worthülsen auch klingen, entscheidend sollten die realistischen Schritte der Entwicklung und Umsetzung sein. Das hört sich vielleicht nicht ganz so cool an, ist aber die Lebensrealität. Trotzdem bin ich ganz froh über Ihren Antrag; denn er gibt uns die Möglichkeit, den tatsächlichen Sachstand zu diesem Thema deutlich zu machen.
Eine gute Gelegenheit gab es kürzlich anlässlich der Anhörung zu diesem Thema im Innenausschuss des Deutschen Bundestages; da waren einige nicht dabei, die nun Sachverständige aus der Anhörung zitieren.
(Zuruf des Abg. Dr. Michael Espendiller [AfD])
Dort wurde der offenbar von vielen unterschätzte Umfang dieses ganzen Projekts richtig deutlich: Bundes- und 16 Landessysteme im Vorgang-Sachbearbeitungsbereich gilt es anzupassen. Föderalismusdebatten und Föderalismusentscheidungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten dürften ja inzwischen allen bekannt sein. Dazu gehören 6 000 Begrifflichkeiten, die in die Systeme eingegeben werden. Die Definitionen müssen einheitlich sein, aber das sind sie nicht überall. Ich erinnere nur an die Debatte: Was ist ein Gefährder? Da gab es sehr unterschiedliche Definitionen.
Das alles hat Auswirkungen auf Ermittlungen und Aussagekraft von Statistiken sowie zukünftig auf unseren Periodischen Sicherheitsbericht – zwar althergebracht, aber trotzdem aktuell –,
(Benjamin Strasser [FDP]: Wo ist er denn? Er wurde uns versprochen! Sie haben gesagt, bis zum Ende der Wahlperiode!)
auf den wir immer noch warten. Herr Mayer, eigentlich wollten wir diesen hier debattieren, aber er liegt immer noch nicht vor. Das ist sehr schade. Versprochen war, dass er vorliegen wird. Ich finde, es wäre gut gewesen, wenn dieses Versprechen eingehalten worden wäre.
(Beifall der Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] und Benjamin Strasser [FDP])
Man ist von der Anpassung von circa 200 Systemen bundesweit ausgegangen – es sind 400 Systeme –, und das alles möglichst zügig mit Tausenden von Außenstellen, nicht nur Gebäude, sondern auch in Fahrzeugen, mit Europol-Anbindung, hacker- und diebstahlssicher und alles im laufenden Betrieb. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt: Circa 300 000 Beamte und Beamtinnen, Verwaltungsmitarbeiter und ‑mitarbeiterinnen müssen sich umstellen und neu einarbeiten, und das sind nicht alles Jungdynamiker von der Polizeischule, sondern das geht vom Alter 18 bis über 60. Realistisch gesehen müsste eigentlich schon 2016 klar gewesen sein: Das lässt sich in vier Jahren nicht schaffen. Das funktioniert nicht. – Deswegen ist die Bezeichnung „Polizei 2020“ natürlich ein bisschen irreführend.
Trotzdem geht es gut voran. Die föderalen Einigungen sind vorhanden, und für die fachliche Unterstützung des Programms „Polizei 2020“ wurde das Competence Center Fachlichkeit, genannt CCF, mit Beamten aus allen Bundesländern und des Bundes geschaffen, damit es eine anständige Vernetzung gibt, angedockt an die Zentralstelle des BKA.
Im laufenden Betrieb werden die Systeme schon umgestellt, derzeit im zweistelligen Bereich. Bei jeder Anpassung muss auf die Auswirkungen der anderen noch laufenden Systeme geachtet werden; die dürfen ja auch nicht abstürzen. In circa sechs bis acht Jahren dürfte die Struktur stehen, und sie wird immer weiterentwickelt werden. Dieses Projekt ist sozusagen nie zu Ende – weder bei der Bearbeitung, Auswertung, Speicherung noch bei der Verbesserung der Anwendungspraxis. Es wird immer eine Weiterentwicklung geben. Allein der Bereich der digitalen Spurensuche, Auswertung und Sicherung hat schon massiv zugenommen und wird in den nächsten Jahren noch so richtig zunehmen.
Die Forderungen im Antrag sind daher weitgehend überholt. Sei es bei den digitalen Mitteln bei jedem Arbeitsprozess, der gemeinsamen Arbeitsoberfläche, der Vernetzung der Sicherheitsorgane mit der Justiz und einigem mehr – es läuft. Es ist doch schön, dass die Sorgen der FDP damit unbegründet sind, und wir alle konnten uns inzwischen informieren, wie es tatsächlich weitergeht.
Es ist ein wirklicher Systemwechsel bei den Sicherheitsbehörden, den wir natürlich weiter intensiv begleiten werden – da kann noch jede Menge passieren –, damit er nicht ins Stocken kommt, sei es durch finanzielle oder organisatorische Probleme. Das sollte im Interesse von uns allen sein. Ein Antrag mit überholten Forderungen ist hier aber der falsche Ansatz. Deswegen lehnen wir ihn ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Susanne Mittag. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Benjamin Strasser.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530955 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Digitalisierung der Polizei |