Benjamin StrasserFDP - Digitalisierung der Polizei
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, ein Bürger wird auf seinem Smartphone mit Hassnachrichten überflutet, er wird genötigt oder bedroht, und er geht zu seiner Polizeidienststelle und möchte diese Straftaten anzeigen. Dort erlebt er allzu oft Folgendes: Die Polizei vor Ort ist nicht in der Lage, die Nachrichten dieses Mobiltelefons in eine digitale Beweissicherung zu überführen oder irgendwie zu verakten. Stattdessen wird das Smartphone auf einen Fotokopierer gelegt, und der Bildschirm wird abkopiert, um diese Bilder dann zu den Akten zu nehmen. Das ist kein fiktives Beispiel, sondern dies hat uns in der Anhörung ein ehemaliger Präsident eines Landeskriminalamts so geschildert. Das ist die Realität in Deutschland, Frau Mittag.
Oder ein anderes Beispiel: Wir haben es regelmäßig mit bundesweiten Einsatzlagen zu tun, Demonstrationsgeschehen, wo Polizeien unterschiedlicher Länder miteinander einen Einsatz bewältigen sollen. Aufgrund von unterschiedlichen Messengerlösungen, die nicht miteinander kompatibel sind, ist es nicht möglich, ein Einsatzgeschehen digital miteinander zu bewältigen. Die Kolleginnen und Kollegen, die Beamten vor Ort sind nicht mal in der Lage, verschlüsselte Messenger wie Threema oder andere auf ihrem Dienstgerät zu installieren, weil das nicht geht, und sind darauf zurückgeworfen, verbotenerweise WhatsApp zur Kommunikation zu nutzen, obwohl dabei Daten von Bürgerinnen und Bürgern auf amerikanischen Servern landen. Das ist unverantwortlich. Dieser Zustand muss abgestellt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Lieber Marian Wendt, du bist wirklich ein cooler Typ; so habe ich dich in den vier Jahren erlebt. Aber der erste Teil deiner Rede hat das ganze Dilemma eurer Innenpolitik noch mal auf den Punkt gebracht. Ihr seid immer sofort dabei, wenn es darum geht, neue Überwachungsbefugnisse einzuführen, und ihr stellt euch nicht die Frage, was da technisch geht und wer alles davon betroffen ist. Aber wenn es darum geht, dass Polizeibeamte mit den jetzigen Befugnissen schlicht und einfach ihren Job machen sollen, wird es still. Da sieht man von eurem Handeln wenig. Das ist ein bedauerlicher Zustand.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kollegin Mittag, die „Saarbrücker Agenda“ 2016 bestand aus Leitlinien; das war ein erster Schritt. „ Polizei 2020“ ist durchaus ein Projekt, das man begrüßt, auch wenn der Arbeitstitel vielleicht eher „Polizei 2030“ hätte lauten sollen. Aber geschenkt! Aber was verfolgt „Polizei 2020“? Wir wollen ein gemeinsames Datenhaus schaffen; das ist „Polizei 2020“. Das ist die Grundlage von Digitalisierung, aber es ist nicht die Digitalisierung. Deswegen ist mit „Polizei 2020“ der Digitalisierungsprozess auch nicht abgeschlossen. Vielmehr müssen wir uns in diesem Haus fragen, welchen Rechtsrahmen wir für eine verlässliche und verbindliche Digitalisierung in der Polizei über „Polizei 2020“ hinaus setzen.
Wir schlagen Ihnen in unserem Antrag einen echten Digitalpakt für die Polizei vor, einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, der eine solide Finanzierung sichert, sodass Digitalisierung eben nicht von der Kassenlage einzelner Bundesländer abhängig ist. Wir brauchen eine entsprechende technische Ausstattung in allen Bundesbehörden, bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt. Da ist nicht alles so gut, wie Sie es dargestellt haben. Wir brauchen gemeinsame Standards für die Softwareentwicklung, Privacy by Design, Privacy by Default. Wir brauchen Berechtigungszugriffe. Es ist anders, als der Kollege der AfD es hier dargestellt hat. Das steht in unserem Antrag. Wenn Sie diesen Digitalpakt nicht wollen, dann lassen Sie es zu, dass weiterhin ein digitaler Flickenteppich in Deutschland vorherrscht. Das können wir nicht verantworten.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist heute die letzte innenpolitische Debatte unter dieser Bundesregierung. Vielleicht kann ich noch kurz Bilanz ziehen zu 16 Jahren unionsgeführter Innenpolitik.
Nein, das dauert zu lange, die Bilanz.
(Heiterkeit)
Das ist bedauerlich. Aber ich sage Ihnen: Nie gab es im Bereich der inneren Sicherheit mehr zu tun. Wir nehmen uns das im Herbst vor.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Benjamin Strasser. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. André Hahn.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530956 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Digitalisierung der Polizei |