Martin PatzeltCDU/CSU - Menschenrechtspolitik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder mal habe ich in der Debatte das letzte Wort.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nein, nein, in dieser Debatte.
Das gibt mir die Freiheit, dass mir keiner in der Debatte widersprechen wird.
Jahrelang habe ich mich als Berichterstatter um diesen Antrag zum Iran bemüht. Deshalb erfüllt es mich mit großer Freude und Genugtuung, dass es nun gelungen ist, überfraktionell einen solchen Antrag zu stellen. Das ist ein großer Schritt nach vorne. Das Überwinden parteilicher Grenzen in Menschenrechtsfragen – meine Vorrednerinnen haben das schon gesagt – sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, weil es um eine übergeordnete Größe geht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Aydan Özoğuz [SPD] und Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit diesem Antrag fordern Oppositions- und Regierungsfraktionen gemeinsam die Regierung mit einem langen Katalog von Maßnahmen auf, alles uns nur Mögliche zu tun, um das menschenfeindliche Handeln der Regierung im Iran zunächst einzudämmen. Das Überwinden parteilicher Grenzen ist, wie ich gesagt habe, ein großer Fortschritt.
Weil ich jetzt selber in die Jahre gekommen bin und weil das hier meine letzte Rede im Bundestag ist und weil vieles zu diesen Themen schon gesagt wurde, lassen Sie mich etwas grundsätzlicher werden, sozusagen als Vermächtnis.
Erstens. Menschenrechte sind bekannterweise nicht zum Nulltarif zu haben; aber sie sind die nicht wegzudenkende Basis eines guten Lebens, auch unseres Lebens. Die Beachtung von Menschenrechten und das fortgesetzte Ringen darum bewirken die Freiheit des Geistes und der Unternehmung. Sie bedeuten einen Mehrwert und bringen letzten Endes auch Wohlstand. Insofern bleibt unser Einsatz für Menschenrechte nicht nur ein humanitäres Handeln. Wir handeln hier in unserem ureigensten Interesse. Wer sich die Landkarte der Erde anschaut, kann das sehen: Dort, wo Menschenrechte beachtet werden, wo Demokratie gelebt wird, da entwickeln sich Wohlstand und ein gutes Zusammenleben. Deshalb dürfen uns die Menschenrechte etwas kosten – sogar etwas mehr –, wenn wir unseren Nachkommen eine gerechtere, friedlichere und bewohnbare Welt überlassen wollen.
Zweitens. Wir sprechen viel vom Schutz, Erhalt und sogar Kampf um die Demokratie. Das ist richtig und wichtig. Aber die Demokratie an sich ist kein Selbstwert, meine Damen und Herren; sie ist gekennzeichnet von der Achillesferse der Mehrheiten. Mehrheiten aber können von Angst, Zeitgeist und gruppenbezogenen Egoismen bestimmt werden, und sie können letzten Endes auch auf nachhaltige Entscheidungen verzichten. Mehrheiten können auch irren oder sich für falsche Kompromisse entscheiden. Deshalb braucht es für ein demokratisches Zusammenleben unabdingbar ein festes Wertebewusstsein und eine persönliche Haltung. Wir können hier miteinander noch so richtige und noch so gute Gesetze verabschieden: Wenn wir selbst und die Bürgerinnen und Bürger sie nicht mit Leben, mit Überzeugung und entsprechendem Handeln füllen, dann bleiben sie ein fleischloses Korsett.
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das stimmt!)
Das Dritte, was ich noch sagen möchte: Ich erlebte im Bundestag das angestrengte und erfolgreiche Mühen um eine optimierte Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und beruflichem Engagement. Im ersten Lebensjahr kommen Kinder mit ihren unabweisbaren Bedürfnissen nach unverwechselbarer, anhaltender und von Trennungsängsten freier Zuwendung dabei schnell unter die Räder. Wir sollten uns nicht wundern über den wachsenden Bedarf an Erziehungshilfe, über die Kinder mit psychischen Problemen, über suizidale Jugendliche, über fehlende Empathie und Toleranz, über Gewaltanwendung, die bis zur Empfänglichkeit für Terrorismus und extremes menschliches und politisches Verhalten führt, wenn wir der Ausbildung eines resistenten Persönlichkeitsfundamentes im ersten Lebensjahr nicht genügend Aufmerksamkeit und zeitlichen Raum schenken und, so nötig, den Eltern dafür in der Zeit frühkindlicher Entwicklung entsprechende Unterstützung geben.
Kinder, aus freier Entscheidung der Eltern ins Leben gerufen, gehören sich selbst. Sie bedürfen zunächst der uneingeschränkten Zuwendung und späterhin der Förderung. Kinder dürfen, wenn ihre Entwicklung gelingen soll, nicht zu Erwartungsträgern elterlicher oder gesellschaftlicher Erwartung mutieren. Freie, verantwortliche, empathische und tolerante Menschen bieten die sicherste Gewähr für Demokratie und Achtung von Menschenrechten.
Frau Präsidentin, ich möchte noch einen Dank sagen, wenn ich darf. – Mit diesem sozusagen persönlichen Vermächtnis scheide ich aus dem Bundestag. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, unseren kompetenten und immer eifrigen – auch technischen – Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundestag, der Fraktion, unserer Arbeitsgruppen, meines Büros. Nicht zuletzt danke ich auch meinen Wählerinnen und Wählern, die oft genug akzeptieren mussten, dass ich nicht ihrer Meinung war und nicht ihre Wünsche erfüllen konnte.
(Heiterkeit)
Die acht Jahre vergingen schnell und haben mir persönlich neue Perspektiven, viele schöne Begegnungen, Tür-und-Angel-Gespräche und eine sinnvolle Lebenszeit geschenkt. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich wünsche allen Scheidenden eine gute persönliche Zukunft und allen, die den Stafettenstab wiederaufnehmen werden, gute Entscheidungen für unser Land und die Menschen, die darin wohnen.
(Beifall im ganzen Hause)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530969 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Menschenrechtspolitik |