25.08.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 238 / Tagesordnungspunkt 1

Johann WadephulCDU/CSU - Regierungserklärung der BKn zur Lage in Afghanistan, Bundeswehreinsatz zur Evakuierung aus Afghanistan

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Weil der Kollege Gauland hier erneut den Eindruck erweckt hat, es sei dem afghanischen Volk sozusagen innewohnend, Frauen und Mädchen zu unterdrücken und zu missbrauchen, möchte ich dem einmal entgegentreten: Das ist ungeheuerlich, Herr Kollege Gauland!

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der AfD)

Und jeder Einsatz von Soldatinnen und Soldaten, der Frauen und Mädchen ein menschenwürdiges Leben in Afghanistan ermöglicht hat, war richtig, war notwendig,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein, war er nicht!)

und dahinter stehen wir politisch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie sich mal das mutige Beispiel der Bürgermeisterin Zarifa Ghafari an, die jetzt in Deutschland angekommen ist und die dem widerstanden hat. Es gibt dort diese mutigen Frauen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber zu wenige!)

und hinter denen haben wir gestanden und sollten wir weiterhin stehen.

(Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Wir sollten uns nicht einreden lassen, dass Unterdrückung solcher imponierenden Persönlichkeiten irgendwie Afghanistan-immanent ist. Das ist falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die Pleite haben Sie ja jetzt!)

Diese Debatte ist keine Alltagsdebatte, sondern ist eine außerordentlich schwierige Debatte, auch für dieses Parlament, das die Bundeswehr regelmäßig in schwierigste Einsätze schickt. Die Lage in Kabul ist aber so gefährlich für die Frauen und Männer, die für uns dort jetzt im Auswärtigen Dienst und als Angehörige der Bundeswehr Dienst leisten, dass wir ihnen unsere Anerkennung zollen sollten. Was sie dort leisten, ist großartig. Die Soldaten haben geschworen, tapfer zu sein. Das sind sie. Unter größten Gefahren, unter kaum vorstellbaren Schwierigkeiten, unter ungeheurem Stress und schwersten seelischen Belastungen retten sie Tausende Menschen – Menschen, deren Verzweiflung kaum Grenzen kennt, Frauen, Kinder, Männer, die befürchten müssen, Opfer der Rache der Taliban zu werden. Um sie zu retten, steht die Bundeswehr Seite an Seite mit Soldatinnen und Soldaten der USA, Großbritanniens, Italiens und vieler anderer Verbündeter für eine Brücke der Hoffnung. Dafür sind wir ihnen unendlich dankbar. Wir stehen als Parlament und Nation in der Schuld dieser Frauen und Männer, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich danke der militärischen Führung, aber auch der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hat in bester Auftragstaktik General Arlt und allen militärischen Führern vor Ort Handlungsfreiheit zugesichert

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Und ihnen vorgeworfen, dass sie Geheimnisse verraten haben!)

und gesagt, dass sie dafür politisch hier in Berlin einsteht. Die Frau Wehrbeauftragte hat das gewürdigt. Ich will mich dem anschließen. Ich glaube, das ganze Haus, auch die FDP-Fraktion, sollte an dieser Stelle der Verteidigungsministerin den Rücken stärken

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Nicht ablenken!)

und ihr Respekt und Anerkennung für ihren Dienst zollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass es so weit kommen musste, ist Folge dramatischer militärischer Entwicklungen. Diese Koalition hatte unter schwierigen Diskussionen das Mandat bis zum Januar des nächsten Jahres verlängert, weil wir in der Tat die Sorge hatten, dass es schnell zu einem Kollaps kommen könnte, auch wenn keiner erwartet hat, dass es so rasch und rapide geht, wie es jetzt gegangen ist. Aber wir wollten an der Seite der Afghaninnen und Afghanen stehen und müssen an dieser Stelle feststellen, dass wir ein Opfer auch der Handlungsunfähigkeit Europas geworden sind.

(Zuruf von der AfD: Ihrer eigenen Unfähigkeit!)

Wir sind – die Bundeskanzlerin hat das unterstrichen – an dieser Stelle schlicht und ergreifend nach wie vor auf die Vereinigten Staaten von Amerika allein angewiesen.

Für mich sind dreierlei Dinge wichtig:

Erstens. Wir brauchen jetzt politischen und rechtlichen Rückhalt für die Soldatinnen und Soldaten. Wir haben von Anfang an gesagt: Das Mandat ist notwendig. Ich wiederhole das, was der Kollege Lindner gesagt hat: Das, was die Linke sich hier leistet, das macht mich fassungslos.

(Zurufe von der LINKEN)

Sie stellen Ihren ideologischen Hass gegen die Bundeswehr über das höchste Gebot, die Rettung von Menschen; und das ist unter keinem Aspekt moralisch und politisch zu rechtfertigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD] – Jan Korte [DIE LINKE]: Sie haben das Desaster überhaupt erst angerichtet! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Ihre Scheinheiligkeit kennt keine Grenzen. Wer dieses Land regieren will – ich kann mich der Aufforderung nur anschließen –, der muss – –

(Jan Korte [DIE LINKE]: Sie haben das Ganze doch angerichtet!)

– Sie haben ja einen Kollegen, den Kollegen Höhn, der sich entschlossen hat, für das Mandat zu stimmen. Ich muss dem Kollegen Höhn an der Stelle sagen: Ich weiß, wie schwierig so was in einer Fraktion ist. Meine volle Anerkennung! Es gibt also auch in der Linksfraktion noch Menschen, die Handeln und Denken übereinbringen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Also, es gibt Hoffnung für die Zukunft.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wollt ihr koalieren?)

Das Zweite ist: Wir sind es nicht nur den Soldatinnen und Soldaten, sondern wohl allen über 150 000 Frauen und Männern, die 20 Jahre Dienst am Hindukusch geleistet haben, schuldig, nüchtern und umfassend aufzuarbeiten, was geschehen ist. Da schließe ich mich den Worten des Kollegen Mützenich an. Es geht um unser Handeln in den verschiedensten Phasen seit 2001. Es geht um die Bundeswehr, aber auch die anderen Ressorts. Das muss aufgearbeitet werden. Wie – das sage ich aus Respekt und Demut vor dem nächsten Bundestag, dem 20., der zu wählen ist –, das soll der nächste Bundestag entscheiden. Ich sage für die CDU/CSU-Fraktion: Wir vertreten politisch die Auffassung, dass alles schonungslos aufgearbeitet werden muss. Das schulden wir allen Soldaten; das schulden wir allen Mitarbeitern, die dort für uns tätig gewesen sind. Es ist vollkommen klar: Das muss geschehen.

(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber wir bleiben auch dabei, dass wir für dieses Land, für die Menschen und insbesondere für die Frauen und Mädchen viel erreicht haben: ein besseres, ein menschenwürdiges Leben, eine gewisse Teilhabe am politischen Leben – ich habe gerade die Bürgermeisterin erwähnt –; Bildung ist ermöglicht worden; ein Aufbau des Staates ist erreicht worden. Das gilt es jetzt zu sichern. Wir dürfen Afghanistan auch in der Zukunft nicht alleinlassen, sondern wir müssen uns verpflichtet fühlen, auch in den nächsten Jahren an der Seite dieses Staates zu stehen. Dazu fühlen wir uns verpflichtet, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Aydan Özoguz [SPD])

Der nächste Punkt ist die Frage: Wie stellen wir uns für die Zukunft auf? Herr Lindner, es ist vollkommen richtig: Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt selbstverständlich – die Idee kam auch aus unseren Reihen –

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Nein!)

den Vorschlag von Armin Laschet, einen nationalen Sicherheitsrat einzurichten. Ich glaube, das ist ganz richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bundeswehr braucht allerdings eine hinreichende Unterstützung. Heute hier maximalen Einsatz zu verlangen, aber bei Debatten über den Verteidigungsetat die 2-Prozent-Vereinbarung von Wales zu negieren und sie nicht erfüllen zu wollen und sich bei schwierigen Debatten über die Bewaffnung von Drohnen wegzuducken, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen, das geht nicht.

(Zurufe von der LINKEN)

Wir müssen hinter der Bundeswehr stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen sie ausrüsten, wenn wir sie in so schwierige Einsätze schicken. Dafür steht die CDU/CSU-Fraktion.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich bitte Sie um Zustimmung für dieses Mandat.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Pure Ablenkung! Andere angreifen! Die eigene Pleite nicht eingestehen!)

Nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dr. Dietmar Bartsch.

(Beifall bei der LINKEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7531849
Wahlperiode 19
Sitzung 238
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung der BKn zur Lage in Afghanistan, Bundeswehreinsatz zur Evakuierung aus Afghanistan
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