25.08.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 238 / Tagesordnungspunkt 1

Gabriela HeinrichSPD - Regierungserklärung der BKn zur Lage in Afghanistan, Bundeswehreinsatz zur Evakuierung aus Afghanistan

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine bittere Erkenntnis muss heute ausgesprochen werden: Wir werden nicht alle Menschen aus Afghanistan evakuieren können, die wir evakuieren müssten. Wir haben es nicht geschafft, unserer Verantwortung gegenüber allen Gefährdeten gerecht zu werden. Deshalb muss und wird die Hilfe zur Ausreise für diese Menschen weitergehen.

In der deutschen Presse kommt in diesen Tagen oft die Frauenrechtsaktivistin und ehemalige – einzige – afghanische Bürgermeisterin Zarifa Ghafari eindrucksvoll zu Wort. Sie bestätigt, dass in den letzten 20 Jahren durchaus etwas erreicht wurde: in der Bildung, bei Frauenrechten, im Gesundheitswesen. Mir ist wichtig, dafür Danke zu sagen, Danke an alle Soldatinnen und Soldaten. Sie haben sich für die Bundesrepublik Deutschland und auch für die Menschen in Afghanistan in Gefahr begeben, und sie tun es noch heute.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich danke auch den Polizistinnen und Polizisten, den zahlreichen zivilen Kräften, die sich beim Auswärtigen Amt, bei der GIZ und in den NGOs für Afghanistan eingesetzt haben, und natürlich auch all den Afghaninnen und Afghanen, die diese Hoffnungen teilten und an ihrer Verwirklichung mitgearbeitet haben.

Zarifa Ghafari sagt auch, dass all das Erreichte nun umsonst gewesen sei. Sie erhebt schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft, die die Menschen in Afghanistan jetzt im Stich gelassen hat; denn die Taliban werden jetzt das meiste wieder zunichtemachen.

Das westliche Engagement war lange nicht so erfolgreich wie erhofft. Die Korruption hat viele Ansätze zerstört. Die afghanische Regierungsarmee, die Regierung und alle Strukturen waren nicht stabil genug, um die Taliban abzuwehren. Sie konnten in kürzester Zeit das Land übernehmen. Und die nächste bittere Wahrheit ist: Die internationale Gemeinschaft, deren Regierungen, die Nachrichtendienste, aber auch viele Afghaninnen und Afghanen – wie auch Zarifa Ghafari – waren völlig überrascht davon.

Die Bundesregierung hat die Versäumnisse mehrfach benannt. Leider wissen wir auch noch nicht wirklich, wie es weitergehen soll. Wie werden wir etwa humanitäre Hilfe ins Land bringen können? Ein Mindestmaß an Staatlichkeit und ein Flughafen wären die Voraussetzungen dafür. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar, ob die Taliban Staatlichkeit herstellen werden, ob sie es können. Und trotzdem ist es richtig, gerade jetzt die Gespräche mit den Taliban zu führen, um weiteren Menschen, um dem Land helfen zu können, weil es sonst nicht gehen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle diese bitteren Wahrheiten dürfen wir nicht einfach so zu den Akten legen – es ist heute mehrfach darüber gesprochen worden –; denn eines ist jetzt tatsächlich zentral: Aufarbeitung, Analyse und geändertes Handeln müssen folgen. Wir müssen uns intensiv mit unseren Zielen bei Auslandseinsätzen und auch mit der Zielrichtung unserer Entwicklungspolitik auseinandersetzen. Die SPD fordert für die nächste Legislatur eine Enquete-Kommission. Diese soll eine Gesamtevaluierung des zivilen, polizeilichen und militärischen Engagements in Afghanistan vornehmen. Wir brauchen darüber hinaus eine Aufarbeitung, wie es zu den gravierenden Fehleinschätzungen kommen konnte.

(Uwe Witt [AfD]: Die kamen doch von Ihnen, die Fehleinschätzungen!)

Am Ende aller Aufarbeitung werden wir womöglich gemeinsam mit unseren Verbündeten Außenpolitik, Sicherheitspolitik und auch Entwicklungspolitik anders ausrichten müssen: unter Einhaltung unserer Werte, aber ausgerichtet an dem Machbaren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Lucassen, AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7531852
Wahlperiode 19
Sitzung 238
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung der BKn zur Lage in Afghanistan, Bundeswehreinsatz zur Evakuierung aus Afghanistan
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