25.08.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 238 / Tagesordnungspunkt 1

Marco Bülowfraktionslos - Regierungserklärung der BKn zur Lage in Afghanistan, Bundeswehreinsatz zur Evakuierung aus Afghanistan

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schlimm, welche Bilder wir aus Afghanistan bekommen, die zeigen, wie die Situation dort ist, und es ist schlimm, dass wir erst jetzt dazu so diskutieren wie heute. Es ist schlimm, dass der Kern der Außenpolitik – Frieden und Sicherheit – gerade in diesem Zusammenhang heute so wenig erwähnt wurde und eigentlich auch nicht mehr praktiziert wird, vor allen Dingen, weil es hier um eine Doppelmoral und ein Dilemma geht.

Ich versuche, das noch mal zu skizzieren. Dabei muss man natürlich auf den Einmarsch zu sprechen kommen. Natürlich sind die Truppen nicht einmarschiert, weil es um Menschenrechte ging. Natürlich sind sie nicht einmarschiert – auch das nicht –, weil es um den Kampf gegen Terror ging; auch das war nur symbolisch. Wenn es nämlich darum gegangen wäre, dann hätte die internationale Gemeinschaft in viele Länder einmarschieren müssen; zumindest hätte man dann viele Länder, die eine menschenverachtende Politik betreiben, die diktatorisch sind und Frauen unterdrücken, erst recht drangsalieren müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Was machen wir aber? Häufig liefern wir Waffen in diese Regionen und an diese Länder. Das ist eine Doppelmoral. Wenn wir darüber diskutieren, dann muss das zusammen diskutiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich war immer gegen den Einsatz in Afghanistan – genau aus diesen Gründen. Deswegen könnte ich es mir leicht machen. Leicht kann man es sich aber nicht machen, weil es natürlich eine 20-jährige Geschichte gibt, weil in diesen 20 Jahren, auch wenn es als Feigenblatt begonnen hat, natürlich Strukturen aufgebaut wurden und weil Menschen sich dort für andere Menschen eingesetzt und teilweise ihr Leben geopfert oder zumindest aufs Spiel gesetzt haben. Deswegen kann man heute natürlich nicht einfach darüber hinweggehen, wie die Situation jetzt ist, und wir müssen natürlich über das Jetzt und die nächsten Tage reden.

Deshalb fällt es mir auf der einen Seite schwer, dem Antrag zuzustimmen, weil ich damit natürlich auch die 20 Jahre rechtfertigen würde.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Richtig, richtig!)

Auf der anderen Seite kann ich ihn nicht ablehnen, weil viele Menschenleben auf dem Spiel stehen und weil es sich natürlich gehört, die Ortskräfte dort rauszuholen.

Ich muss dann aber auch fragen: Was ist denn in den anderen Ländern? Wir reden jetzt über Afghanistan; hier ist die Aufmerksamkeit sehr groß. Aber was ist denn in den anderen Ländern? Meine Informationen lauten, dass es eigentlich gar keine Pläne gab, Ortskräfte herauszuholen, wenn es zu so einem Super-GAU kommt, wie es gerade in Afghanistan geschehen ist, auch wenn es länger gedauert hätte. Das heißt, wir sollten unseren Blick vielleicht auch mal auf die anderen Einsätze richten, die es noch gibt, und bitte nicht nur auf Afghanistan. Ich befürchte auch, dass, wenn die große Empörungswelle vorbei ist, der Blick nicht mehr auf Afghanistan und die Menschenrechtsverletzungen dort gerichtet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir haben es ja schon gehört: Dann kommt als Argumentation, wir bräuchten mehr Geld für die Bundeswehr, die schon 50 Milliarden Euro bekommt, und wahrscheinlich werden dann irgendwann sogar Waffen an die Taliban geliefert. Das ist dann vielleicht das Ergebnis. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzter Punkt. Es ist spannend, dass ausgerechnet Norbert Röttgen vor mir geredet hat. Was war das für ein Demokratieverständnis, das wir im Juni beim Antrag der Opposition hier erlebt haben? Sie sagten im Fernsehen: Ja, so ist unser politisches System. Anträge der Opposition werden abgelehnt, weil das Showanträge sind. – Auch heute haben wir das gehört.

Nein, Opposition ist wichtig, und sie hat das Recht und die Pflicht, Anträge zu stellen. Wer das negiert und sagt, unser politisches System sei anders gestrickt, der hat kein Demokratieverständnis.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Dr. Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7531860
Wahlperiode 19
Sitzung 238
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung der BKn zur Lage in Afghanistan, Bundeswehreinsatz zur Evakuierung aus Afghanistan
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