Mechthild HeilCDU/CSU - Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021"
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 hat mein Wahlkreis, meine Heimat, sein Gesicht für immer verloren. Zehntausende Menschen im Ahrtal, in meiner Heimat, haben ihre Heimat verloren, ihre Wohnungen verloren, und 134 Menschen haben ihr Leben verloren. Obwohl ich mitten aus dieser Katastrophe komme, will ich heute die Gelegenheit nutzen, um mit Ihnen zusammen nach vorne zu gucken und auch das Gute zu sehen.
Ich möchte an erster Stelle den vielen, vielen Tausend Helfern danken, die zu uns ins Ahrtal gekommen sind und wirklich mit angepackt haben: die die die Ärmel hochgekrempelt haben, die mit Schaufeln, Eimern und Schubkarren kamen, die die Leute in den Arm genommen und getröstet und die Keller leergeräumt haben. Ihnen allen ein ganz, ganz großes Dankeschön! Ohne sie hätten wir das nicht geschafft.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD])
Es gab da die Helfer mit den Helfer-Shuttles, es wurden Plattformen organisiert, die Betriebe – große und kleine – mit den schweren Maschinen waren da. Das waren Bauunternehmer genauso wie Gartenbauer und Bauern. Und ich möchte auch die Winzer nennen. Die Solidarität der Winzer untereinander kann man sich gar nicht vorstellen. Die waren alle da, und ich bin mir sicher: Sie werden die Lese dieses Jahr zusammen einbringen, obwohl sie alle zu Hause natürlich auch ihre Weinberge haben. Auch ihnen ein riesengroßes Dankeschön!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich denke ich auch an alle Handwerker. Wir sagen hier immer: Man findet in Deutschland keinen Handwerker mehr. – Wir im Ahrtal haben aber erlebt, dass unglaublich viele Handwerker da waren – angefangen von Elektrikern, dann kamen die Dachdecker, die Klempner, die Heizungsbauer. Ich bin ihnen allen so dankbar, dass sie bei mir in der Heimat, im Ahrtal, waren, und ich hoffe, dass sie noch lange dableiben werden und dass auch die Nächsten kommen: die Estrichleger, die Putzer, die Maler und alle, die wir noch brauchen. Auch ihnen ein herzliches Dankeschön!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD])
Die Kollegen haben es schon gesagt: Es gab die professionellen Helfer. – Ich brauche es nicht mehr zu wiederholen, aber vielleicht ein Wort zur Bundeswehr: Sie hat bei uns einen Riesenjob gemacht. Sie ist so beliebt, wie sie es, glaube ich, in der ganzen Region noch nie war, und wir waren immer schon aufseiten der Bundeswehr. Auch ihr einen ganz großen Dank! An dem Material, was sie da gefahren hat, konnte man wirklich die Ausbildung sehen, die unsere Leute bei der Bundeswehr genossen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Diese Menschen, die da ins Tal kommen, zeigen wirklich die beste Seite von Deutschland, die wir sonst leider viel zu oft nicht sehen. Ohne die Helfer hätte es bei uns nicht funktioniert, und ohne sie hätten wir alle in der Region noch ein Stück Hoffnung mehr verloren.
Wenn ich jetzt mal auf unsere Leute in den Dörfern und im Tal gucke: Beeindruckend ist der Zusammenhalt in den Orten, mit welchem Mut, mit welcher Zuversicht, mit welcher Tatkraft die Leute ans Werk gehen. Jeden Tag sind sie am Arbeiten, und abends wird sich zusammengesetzt. Man hat sich gefunden; man hat praktisch neue Marktplätze geschaffen. Da setzt man sich zusammen, bespricht den Tag, überlegt: Was kann man noch tun? Wer braucht Hilfe? Wie viele Helfer kriegen wir morgen? Wo schicken wir sie hin? – Sie sitzen zusammen und essen und trinken, und, ja, sie lachen sogar zusammen. Es ist einfach großartig, das zu sehen. Das ist typisch Rheinland, und dafür mag ich meine Leute.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das alles machen sie trotz der vielen Tage ohne Wasser, ohne Strom, ohne Telefon. Natürlich waren die Straßen kaputt, und es gab Dorfteile, die man nicht erreicht hat. Ohne Küche, ohne Toilette: Das müssen Sie sich vorstellen! Kein Arzt, keine Apotheke, und Sie können natürlich nicht einfach mal einen Pflegedienst anrufen. Alles wurde in den Orten geregelt, solange noch niemand von außen kommen konnte.
Ja, wir nehmen heute für die erste Lesung viel Geld in die Hand, und ich bin wirklich dankbar dafür, dass wir das machen. Geld allein wird aber nicht reichen. Wichtig ist, dass wir das Tempo erhöhen. Die Leute in meiner Heimat wollen wissen – wir brauchen die Information –, wer wann was von der Entschädigung, von den 30 Milliarden Euro, die wir jetzt ins Schaufenster stellen, bekommt. Sonst werden viele die Hoffnung, aber auch das Vertrauen in unseren Staat verlieren.
Die Einsatzleitung in Rheinland-Pfalz hat viel Kritik auf sich gezogen, und ich muss hier sagen – Frau Dreyer, Sie sind da –: Mit Recht hat sie viel Kritik auf sich gezogen. Vieles läuft einfach vollkommen unkoordiniert, schleppend und auch von oben herab.
Wenn wir das jetzt beschlossen haben, wird der Einsatz der Flutmittel wieder durch die Landesregierung – wieder durch Frau Dreyer – koordiniert werden. Deswegen hier an der Stelle meine dringende Bitte, Frau Dreyer: Das muss nun wirklich effizienter gehen, und es muss flexibler erfolgen.
Sie haben den Helfern gedankt, und ich muss sagen: Das finde ich wirklich großartig und gut von Ihnen. Aber wo ist Ihre Verantwortung? Was müssen Sie tun? Darauf haben Sie keine Antwort gegeben, sondern Sie haben nur darauf verwiesen, was die Ehrenamtlichen und die Freiwilligen bis jetzt alles getan haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Das ist ziemlich unverschämt, was Sie da sagen! – Marianne Schieder [SPD]: Zuhören!)
Wir brauchen im Ahrtal jetzt wirklich nicht Verwaltung pur, wir brauchen auch nicht die Goldrandlösung, und wir brauchen auch kein Schaulaufen von Ihren Ministern oder von Ihnen, wobei keiner offen reden kann. Ich erlebe das fast wöchentlich mit Ihnen: Keiner darf offen reden, keiner darf den Finger in die Wunde legen. Das ist Ihre Politik. Sie machen damit Parteipolitik auf dem Buckel der Leute, die im Ahrtal sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Das ist billigste Parteipolemik! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahlkampfrede!)
Wir brauchen Verwaltungen, die wirklich Dienstleister für die Menschen sind, die schnell entscheiden und die lösungsorientiert entscheiden. Wir brauchen Unterstützung, und wir brauchen keine Bevormundung.
(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Schämen Sie sich! – Weitere Zurufe von der SPD: Wie auf dem Parteitag!)
Vor Ort wissen wir sehr gut, warum wir genau da wohnen und warum wir auch da leben wollen. Deswegen brauchen wir auch keinen Grünen, auch keinen Herrn Habeck, der zu uns ins Tal kommt und der dann von oben herab sagt: Euch da unten, euch vor Ort, sollte man die Hoheit wegnehmen, wenn ein Bauvorhaben genehmigt wird.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hier keine Wahlkampfveranstaltung!)
Das müssen wir auf eine Ebene höher ziehen. – So einen brauchen wir im Ahrtal nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich bin natürlich für den vorliegenden Gesetzentwurf. Ich begrüße ihn sehr und danke, dass wir hier einen Konsens haben, dass wir das beschließen. Ich danke auch allen Kollegen, die sich gemeldet und wirklich geholfen haben – auch in den Flutgebieten –,
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren auch Grüne und SPDler dabei!)
und ich hoffe, ihr helft auch noch weiter; denn es wird ein langer Ritt. Wir sind heute erst am Anfang und nicht am Ende.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Das war die peinlichste Rede des Tages! – Gegenruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD]: Es kommen ja noch welche!)
Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Detlef Seif, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 238 |
Tagesordnungspunkt | Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021" |