Detlef SeifCDU/CSU - Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021"
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, mit Ihrer Zustimmung zitiere ich zunächst aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bzw. der „Kölnischen Rundschau“ – Redakteurin Ramona Hammes –:
Die Flutnacht, die Sabine Pohlen mit ihrem Mann Peter Schröder in der ersten Etage ihres Hauses verbracht hat, ist schlimm gewesen. Doch das ganze Ausmaß des Schreckens offenbart erst der folgende Tag für die Familie. Nach Stunden der Suche und der quälenden Ungewissheit wird für sie feststehen: Ihr Vater ist tot. Ihre Nachbarin ist tot. Ein junges Mädchen aus der Verwandtschaft ist tot. Ihr Haus ist zerstört. Das Haus ihres Vaters ist zerstört.
Dieses Einzelschicksal macht in besonderer Weise die traurige und belastende Gesamtsituation deutlich.
Allein im Land Nordrhein-Westfalen starben 47 Menschen, darunter 4 Feuerwehrleute im Einsatz. In meinem Wahlkreis gibt es den Tod von 26 Menschen zu beklagen. Nahezu alle Kommunen im Kreise Euskirchen sind schwer betroffen; das kann man in der Medienberichterstattung nicht nachvollziehen, weil immer nur die Dinge gezeigt werden, die besonders schlimm sind und bei denen man auch was fürs Auge hat. Durch den gesamten Kreis Euskirchen zieht sich eine Schneise der Verwüstung, die man sich gar nicht vorstellen kann.
Tausende Menschen sind psychisch extrem belastet, viele sind traumatisiert – sei es, weil sie einen lieben Menschen verloren haben oder sahen, wie ein Mensch ums Leben gekommen ist, oder sei es, weil sie vor dem Wasser geflüchtet sind und stundenlang irgendwo kauerten und Todesangst hatten.
Die Geschäftstätigkeit in den Einkaufsbereichen von Euskirchen – das ist bei uns das Mittelzentrum –, von Bad Münstereifel, von Schleiden, von Gemünd und von Kall wurde quasi über Nacht weggespült. Viele Menschen wurden obdachlos. Vielen Unternehmern und Handwerkern wurde die Existenzgrundlage unter den Füßen weggezogen. Die Infrastruktur ist in weiten Teilen zerstört.
Die Kinder und Jugendlichen tun mir besonders leid. Gebeutelt durch die Pandemie, haben sie sich auf die Schulferien gefreut und finden sich in einem Katastrophenszenario wieder.
Beeindruckt haben mich – das wurde ja vorhin vielfach wiederholt, aber ich sage es an der Stelle auch noch mal – die vielen Helfer aus nah und fern. Vielen Dank an alle Helfer für die großartige Unterstützung und Solidarität!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt ist schnelle finanzielle Hilfe für die Betroffenen gefragt. Die Soforthilfe war goldrichtig; aber sie gibt natürlich nur einen ersten, einen kleinen finanziellen Spielraum. Jetzt steht der Wiederaufbau an. Bis zu 80 Prozent des Schadens von Privathaushalten, Unternehmen, Landwirten und Einrichtungen wie Vereinen und Stiftungen sollen reguliert werden. Ich setze mich dafür ein, dass das in Härtefällen durchaus bis zu 100 Prozent sein sollen.
Was wir auf den Weg bringen – hier und heute –, ist eine wirklich große und starke Hilfe. In Gesprächen mit Betroffenen stelle ich aber immer wieder fest: Die wissen gar nichts von dem, was wir hier auf den Weg bringen. Die haben sich teilweise eingeigelt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir vor Ort, auch die Kommunen, jedem Betroffenen klarmachen: Hier kommt eine starke staatliche Hilfe. – Wer nicht versichert ist und vor den Trümmern seiner Existenz steht, der braucht jetzt ein klares Signal, und wir sollten das zu ihm bringen, wenn er zurzeit mental nicht in der Lage ist, es aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, finanzielle Unterstützung führt aber nicht automatisch zum Wiederaufbau. Es liegen große Herausforderungen vor uns. Die Betroffenen müssen erst Unternehmen und Handwerker finden, und es besteht ein hoher Materialbedarf. Das setzt ganz große Anstrengungen voraus.
Hier ein Hinweis an die Grünen, die ja auch einen Antrag eingebracht haben: Wenn Sie sagen, dass wir hier besonders hohe Standards beim Klimaschutz umsetzen und auch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen auf den Weg bringen sollen, kann das am Bedarf der Betroffenen vorbeigehen. Bald ist Winter. Tausende Heizungen sind zerstört. Gehen Sie mal in die betroffenen Gebiete, und reden Sie mit den Menschen. Die Gebäude müssen schnell wieder nutzbar gemacht werden.
Modernisierung ohne zeitlichen Verzug: in Ordnung. Aber wenn zeitlicher Verzug damit verbunden ist, bitte einen anderen Weg gehen. Das muss auf freiwilliger Basis laufen, und dann ist das auch in Ordnung. Ein Modernisierungszwang würde die Betroffenen hier zusätzlich unter Druck setzen und zu deutlichen Verzögerungen führen. Das ist klipp und klar abzulehnen. Jetzt sind schnelle Lösungen gefragt und keine Dogmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7531886 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 238 |
Tagesordnungspunkt | Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021" |