07.09.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 239 / Tagesordnungspunkt 1

Angela Merkel - Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit die letzte Sitzung des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode. Und gerade in den letzten Tagen haben wir es mit sehr dramatischen Problemen zu tun; eben ist das Thema Afghanistan hier genannt worden. Da wir nach der letzten, ausführlichen Debatte noch nicht die Möglichkeit hatten, will ich die Gelegenheit nutzen, unseren Soldatinnen und Soldaten, die an dieser schwierigen Evakuierungsmission beteiligt waren, ein ganz herzliches Dankeschön zu sagen. Das war einer der schwierigsten Einsätze der Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da es in der Tat, insbesondere im Bereich der Entwicklungspolitik, nicht gelungen ist, alle schutzbedürftigen Personen zu evakuieren, war es richtig, dass der Bundesaußenminister in die Nachbarstaaten gereist ist, um Probleme zu besprechen, wie wir Ausreisen auch in Zukunft möglich machen und unserer Verantwortung nachkommen. Und genauso war es richtig, mit den Nachbarstaaten darüber zu reden, wie wir helfen können, humanitäre Probleme dort zu lösen. Genauso ist es richtig, dass wir uns um die humanitäre Lage in Afghanistan, ganz besonders im Hinblick auf Hunger und medizinische Versorgung, weiter kümmern werden. Ansonsten haben wir eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema vor 14 Tagen geführt.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist das Außenministerium gar nicht mehr vertreten!)

Und was die Sorgen im innenpolitischen Bereich anbelangt, so haben diese insbesondere mit der furchtbaren Flutkatastrophe zu tun. Ich war in der vergangenen Woche, am Freitag und am Sonntag, noch einmal in den Flutgebieten und darf nur sagen: Es ist richtig und wichtig, dass wir heute den Hilfsfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro verabschieden. Und ich habe den Menschen zugesagt – ich denke, das wird hier von allen geteilt –: Wir werden die Menschen, die von dieser schrecklichen, furchtbaren Flut betroffen sind, nicht vergessen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Der Wiederaufbau wird Monate, Jahre dauern, und deshalb brauchen wir hier einen langen Atem. Und das habe ich zugesagt.

Diese Flutkatastrophe hat natürlich als Extremwetterereignis den Fokus noch einmal auf eines der drängendsten Themen unserer Zeit geworfen, nämlich auf den Kampf gegen den Klimawandel.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass wir wichtige Weichen gestellt haben in dieser Legislaturperiode. Als ich Bundeskanzlerin wurde im Jahr 2005, da hatten wir 10 Prozent der Erzeugung von Energie, für den Strom, aus erneuerbaren Energien. Heute liegen wir deutlich über 40 Prozent.

Aber viel wichtiger sind die systemischen Dinge, die wir in dieser Legislaturperiode in Angriff genommen haben und auf die zukünftige Regierungen aufbauen können:

(Christian Lindner [FDP]: Auf was denn?)

Das ist ein Klimaschutzgesetz mit jährlichen Budgets und Sektorzielen, das ist ein Expertenrat, und das sind Nachsteuerungspflichten, also ein Instrumentarium, mit dem wir wirklich bindende Möglichkeiten in der Hand haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens haben wir die Bepreisung von CO2 eingeführt, ein marktwirtschaftliches Instrument,

(Christian Lindner [FDP]: Kein bisschen!)

mit dem wir auf die Reduktion von CO2 viel besser reagieren können. Wir haben inzwischen 1 Million Elektroautos. Wir haben den Ausstieg aus der Braunkohle miteinander vereinbart – im Übrigen im gesellschaftlichen Konsens, eine ganz wichtige Sache; denn Klimaschutz kann nur dann gelingen, wenn die Menschen im Lande auch mitgenommen werden. Das war immer der Ansatz der Großen Koalition, und das war auch richtig so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle spüren ja – und in den letzten Jahren hat das aus meiner Sicht zugenommen –, dass die Welt eine Welt in Unruhe und im Umbruch ist und dass völlig neue Herausforderungen uns beschäftigen und natürlich auch Deutschland beschäftigen. Das ist Terrorismus. Das ist Cyberkriminalität. Das ist die technologische Revolution der Digitalisierung. Das ist die ökonomische Stärke von China. Neben dem Klimawandel ist es vor allen Dingen die Digitalisierung, die unser Leben vollkommen verändert.

Wir haben uns in der Großen Koalition immer vorgenommen, möglichst viele Menschen – so wie ich es eben beim Klimawandel gesagt habe – mitzunehmen bei diesem Wandel. Deshalb war ein zentrales Thema unserer Arbeit in den letzten Jahren, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu sichern, und zwar zwischen Ost und West, zwischen Stadt und Land. Eine Vielzahl der Maßnahmen der Bundesregierung hat sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Ich kann hier nur Stichpunkte nennen: Behördenverlagerung insbesondere in die neuen Bundesländer, Stärkung der ländlichen Räume, das Thema „Wohnen in Ballungsgebieten“, Mietregulierung, Neubau von Wohnungen, Neubau von sozialen Wohnungen, das Wohneigentum für Familien. Wir haben eine Ehrenamtsstiftung gegründet, um das Ehrenamt in unserem Land zu stärken. Wir haben ja gesehen, welche Bedeutung dieses Ehrenamt hat, jetzt gerade in den großen Herausforderungen wie der Flutkatastrophe oder der Pandemie. Wir haben die Kommunen gestärkt, insbesondere auch durch die Übernahme von KdU, von Kosten der Unterkunft für die Kommunen, ein ganz wesentlicher Punkt, um Politik überhaupt lebbar zu machen. Wir haben den Rechtsstaat gestärkt durch einen einzigartigen Aufbau von mehr Personal und mehr Möglichkeiten. Und wir haben den Kampf gegen den Extremismus, insbesondere den Rechtsextremismus, geführt.

Bei dem großen Thema Digitalisierung haben wir entscheidende Fortschritte erzielt.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist keine Kappensitzung!)

Ich will daran erinnern, dass wir inzwischen Verwaltungsleistungen digital anbieten, insbesondere die des Bundes. Wir haben die Infrastruktur ausgebaut.

Bei Breitbandanschlüssen von mehr als 50 Megabit pro Sekunde waren wir am Anfang dieser Legislaturperiode bei 80 Prozent, jetzt sind es 94 Prozent. Wir haben eine Verfügbarkeit von LTE-Anschlüssen im Mobilfunk von über 99 Prozent. Das sind Dinge, die kann man benennen. Es gibt kleine Schwierigkeiten nach wie vor, an vielen Stellen graue Flecken und Ähnliches.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: „Kleine Schwierigkeiten“?)

Aber, meine Damen und Herren, im Großen und Ganzen haben wir deutliche Fortschritte gemacht, und das war richtig so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem DigitalPakt Schule haben wir mit den Ländern gemeinsam 6,5 Milliarden Euro investiert;

(Christian Lindner [FDP]: Das ist doch noch gar nicht abgeflossen!)

die müssen jetzt umgesetzt werden. Wir haben für digitale Innovationen 13,5 Milliarden Euro eingesetzt. Und ich will noch mal darauf hinweisen: Die öffentlichen Investitionen haben sich seit dem Jahre 2005 genau verdoppelt. Das heißt also: Ein Schwerpunkt liegt bei den Investitionen.

Ein zentraler Punkt ist der Schwerpunkt auf Wissenschaft und Forschung. Das ist die Quelle unseres Wohlstands für die Zukunft. Deshalb kann man sagen: Als ich 2005 Bundeskanzlerin wurde, lagen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; heute sind wir bei über 3 Prozent. Wir haben deutliche Planungssicherheit für die 20er-Jahre durch Pakte für Forschung und Wissenschaftspakte, Exzellenzstrategie und vieles andere mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun mag das dem einen oder anderen sehr abstrakt erscheinen; aber das hat etwas mit unserem Wohlstand und mit unserem Leben zu tun. Das haben wir in der Pandemie erlebt. Der erste und bis heute zuverlässigste Test zum Nachweis des Virus wurde bereits zu Beginn der Pandemie in Deutschland, in der Charité in Berlin, entwickelt. Einer der überaus wirkungsvollen mRNA-Impfstoffe gegen das Virus wurde auch in Deutschland entwickelt – auch dank langjähriger zielgerichteter Forschungsförderung.

Und, nebenbei gesagt, natürlich war und ist niemand von uns beim Impfen in irgendeiner Form ein Versuchskaninchen. Niemand! Weder Olaf Scholz noch ich und auch sonst niemand!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn jeder, der in Deutschland seit Ende Dezember letzten Jahres geimpft wurde, bekam einen Impfstoff, der alle notwendigen Phasen der klinischen Prüfung und notwendigen Zulassungsverfahren durchlaufen hat.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Wir sind uns doch alle einig, dass noch viel mehr Menschen davon überzeugt werden müssen, geimpft zu werden. Doch wenn wir die Menschen davon überzeugen wollen, dann hat das mit Argumenten zu geschehen und nicht mit – zurückhaltend formuliert – schiefen Bildern von Versuchskaninchen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was also sind die Argumente für das Impfen? Impfen wirkt. Man schützt sich und die Liebsten.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Vor allem in Israel!)

Impfen bringt uns die Freiheit zurück. Je mehr Menschen geimpft sind, umso kleiner ist die Gefahr, dass sich neue Mutationen bilden,

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ach! Ach!)

gegen die die Impfstoffe nicht mehr wirken. Und aus diesem Grunde möchte ich auch von dieser Stelle heute noch einmal alle, die noch nicht geimpft sind, bitten: Lassen Sie sich impfen! Sie leisten damit für sich und unsere gesamte Gesellschaft einen ganz wichtigen Beitrag, den Weg aus dieser Pandemie zu finden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen: Diese Pandemie war wahrscheinlich der schwerste Eingriff in unser gesellschaftliches Leben seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

(Beatrix von Storch [AfD]: Der Lockdown war der Eingriff!)

Und es war gut, dass wir wegen solider Haushaltspolitik in der Lage waren, in einer solchen außergewöhnlichen Situation sowohl im Inland das größte Konjunkturpaket auflegen zu können, das es jemals gab in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, als auch in Europa mit dem Wiederaufbaufonds in dieser ganz speziellen Situation einen neuen Weg zu beschreiten und Europa auch gut aus dieser Krise zu führen. Und dass heute die Zahl der Kurzarbeiter wieder unter 1 Million liegt, dass die Arbeitslosigkeit um die 2,5 Millionen liegt

(Zuruf von der SPD: Dank Olaf Scholz!)

– 2005 waren es 5 Millionen, heute die Hälfte –, das ist solider Haushaltspolitik und richtigen Entscheidungen in der Pandemie zu verdanken, auf die die Große Koalition insgesamt stolz sein kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in weniger als drei Wochen ist Bundestagswahl.

(Zuruf von der AfD: Gott sei Dank!)

Sie ist eine besondere Wahl, nicht nur, weil sich erstmals seit 1949 kein amtierender Bundeskanzler bzw. Bundeskanzlerin

(Beatrix von Storch [AfD]: Gott sei Dank!)

um die Wiederwahl bewirbt, sondern es ist auch eine besondere Wahl, weil es in schwierigsten Zeiten eine Richtungsentscheidung für unser Land ist, und es ist nicht egal, wer dieses Land regiert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Bürgerinnen und Bürger haben in wenigen Tagen die Wahl:

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen wir auch so!)

entweder eine Regierung, die mit SPD und Grünen die Unterstützung der Linkspartei in Kauf nimmt, zumindest sie nicht ausschließt

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

– ich sage ja nur die Wahrheit –,

(Beifall bei der CDU/CSU)

oder eine von CDU und CSU und Armin Laschet als Bundeskanzler geführte Bundesregierung,

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Schämen Sie sich!)

eine Bundesregierung, die mit Maß und Mitte unser Land in die Zukunft bringt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und dabei geht es wahrlich nicht allein um die Außenpolitik, die NATO und Europa.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Schämen Sie sich! Missbrauch des Amtes! Wird Zeit, dass Sie gehen! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Meine Güte, was für eine Aufregung. Ich bin seit über 30 Jahren Mitglied dieses Deutschen Bundestages, und ich weiß nicht, wo, wenn nicht hier, solche Fragen diskutiert werden müssen. Das ist die Herzkammer der Demokratie, und hier wird genau das diskutiert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bei dieser Richtungsentscheidung geht es wahrlich nicht allein um die Außenpolitik, die NATO und Europa – das auch, aber eben nicht allein –, sondern es geht auch um handfeste wirtschaftspolitische und steuerpolitische Entscheidungen, die die Zukunft dieses Landes bestimmen werden, die Zahl der Arbeitsplätze und unseren gemeinsamen Wohlstand.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb, meine Damen und Herren: Der beste Weg für unser Land ist eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung mit Armin Laschet als Bundeskanzler.

(Zuruf von der SPD: O nein! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Denn seine Regierung wird für Stabilität, Verlässlichkeit, Maß und Mitte stehen. Das ist genau das, was Deutschland braucht.

Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)

Jetzt erteile ich das Wort der Fraktionsvorsitzenden der AfD, Dr. Alice Weidel.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7531961
Wahlperiode 19
Sitzung 239
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland
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