07.09.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 239 / Tagesordnungspunkt 1

Carsten SchneiderSPD - Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland

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Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich will darauf hinweisen, dass der Kollege Bundestagspräsident Schäuble die Großzügigkeit vorgegeben hat, die auch ich jetzt gewähren werde. – Der nächste Redner ist der Kollege Carsten Schneider, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Vielen Dank, die Einladung nehme ich gerne an.

Zunächst kurz zu dieser Legislaturperiode: Sie ist zum Ende hin anders gelaufen, als wir alle uns das gedacht haben, insbesondere bedingt durch die Coronasituation. Ich finde aber, dass die Bundesrepublik das insgesamt sehr gut gemanagt hat, insbesondere was den Gesundheitsschutz betrifft, aber auch den Erhalt von Arbeitsplätzen und die soziale Balance in unserem Land. Wir haben in dieser Legislatur für 1,3 Millionen Menschen die Grundrente eingeführt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben den Soli für die unteren 95 Prozent der Steuerzahler abgeschafft. Das ist die größte Steuersenkung seit einem Jahrzehnt. Das ist ein Vorschlag der SPD gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das Kurzarbeitergeld verlängert und die Transfereinkommen erhöht, um die Familien in ihrem alltäglichen Leben zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das Kindergeld erhöht, den Kinderbonus gezahlt und den Kinderzuschlag geändert. Wir haben Ordnungspolitik betrieben, indem wir gegen die organisierte Lobbykraft der deutschen Industrie und den Willen wesentlicher Teile der Unionsfraktion ein Lieferkettengesetz verabschiedet haben. Herr Ministerpräsident Laschet, Sie haben von Wirtschaftskompetenz gesprochen. Ich muss sagen: Ich habe oftmals den Eindruck, dass Sie Wirtschaftskompetenz mit Lobbyismus verwechseln

(Beifall bei der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Da hat er recht!)

und Sie das, was Ihnen die Wirtschaftsverbände in ihrem ureigenen Interesse erzählen, mehr oder weniger eins zu eins in Politik ummünzen.

Als Zweites ein kurzer Ausblick: Das, was ich heute von Union und FDP hier gehört habe, insbesondere zur Finanzsituation, war frappierend unehrlich. Nehmen Sie das Unionswahlprogramm: Es enthält die Abschaffung des Solis für die oberen Zehntausend. Diejenigen, die ein Jahreseinkommen von über 110 000 Euro brutto haben, sollen steuerlich entlastet werden; sie sollen weniger Steuern zahlen. Das kostet 12 Milliarden Euro. Die Unternehmen sollen auch unterstützt werden, indem Steuern gestrichen werden. Das entspricht einer Lücke von 35 Milliarden Euro. Dazu kommen die Kosten für die Erfüllung der NATO-Quote, die Sie festgeschrieben haben. Das sind noch mal 20 Milliarden Euro obendrauf, und das alles bei einem Haushalt, der nicht ausgeglichen ist. Ja, der Haushalt ist nicht ausgeglichen. Wir leben von der Substanz der vergangenen Jahre; wir lösen die Asylrücklage auf. So funktioniert Mathematik nicht. Sie haben nicht deutlich machen können, jedenfalls mir nicht – vielleicht macht das der Kollege Dobrindt nachher noch –, wie Sie diese Lücken schließen wollen. Entweder wollen Sie nach der Wahl soziale Leistungen kürzen, was Sie vor der Wahl nicht ankündigen, oder die Wahlversprechen, die Sie machen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.

(Beifall bei der SPD – Gabriele Katzmarek [SPD]: Das ist der entscheidende Punkt!)

Herr Laschet ist auf NRW zu sprechen gekommen, und er hat sehr bemerkenswerte Ziele vorgegeben, insbesondere den Aufstieg durch Bildung. Ich habe die NRW-Zahlen mal verglichen: NRW liegt bei den Pro-Kopf-Ausgaben pro Grundschüler im deutschlandweiten Vergleich auf dem vorletzten Platz. Das heißt, da, wo es am meisten drauf ankommt, sind Sie mit am schlechtesten. Das ist kein Vorbild für Deutschland!

(Beifall bei der SPD – Gabriele Katzmarek [SPD]: Hört! Hört! – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da hat er aber lange gesucht, bis er was gefunden hat!)

Ich will Ihnen noch etwas zu den Schulden sagen: Wir haben in den vergangenen Jahren 400 Milliarden Euro Neuverschuldung aufgenommen. Ich weiß nicht, ob Sie das noch mittragen und akzeptieren oder nicht. Ich habe hier den Eindruck, Sie empfinden das als böse. Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen: Wir haben hier im Bundestag festgelegt, unter Finanzminister Olaf Scholz, dass wir diese Schulden ab dem Jahr 2026 in 20 Jahren tilgen werden. In 20 Jahren! Wie sieht es im schwarz-gelben Vorzeigeland NRW aus, das auch Schulden in enormer Höhe aufgenommen hat? Wie lange brauchen Sie zur Tilgung, Herr Ministerpräsident? Ich kann es Ihnen sagen: 50 Jahre! Kein anderes Bundesland nimmt sich so viel Zeit, um die Schulden zu tilgen. Von daher ist auch dies, meine Damen und Herren, nichts weiter als Voodoo.

(Beifall bei der SPD)

Noch einen Punkt möchte ich kurz ansprechen. Das ist die Situation bei den Energiepreisen. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm – ich habe es mir genau angeguckt – einen euphemistischen Satz. Da steht, Sie wollen beim CO2-Preis – das ist das, was Benzin und Heizöl und Gas verteuert – eine Straffung des Preispfades und einen schnelleren Übergang in die Marktphase. Das heißt nichts anderes als eine Erhöhung ohne irgendeine Kompensation für Leute mit kleinen Einkommen. – Meine Damen und Herren, der Lobbyismus der Union schlägt wieder zu!

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss: Meine Kollegen haben sich gerade die neuesten Umfrageergebnisse durchsagen lassen. Ich kann die Panik, die heute hier geherrscht hat, und die Unsouveränität verstehen.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Von Frau Merkel zum Beispiel!)

Ich muss Ihnen, Frau Bundeskanzlerin Merkel, aber sagen: Ich habe Sie als Abgeordneter dreimal gewählt, und ich schätze Sie auch; aber dass Sie heute wieder in die Rolle der CDU-Generalsekretärin zurückgehen mussten, das tut mir ganz ehrlich leid.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schneider.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war eine sachliche Rede! Kein Wahlkampf! Fand ich gut!)

– Hier werden gar keine Wahlkampfreden gehalten, Kollege Grosse-Brömer.

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Jan Korte, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7531972
Wahlperiode 19
Sitzung 239
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland
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