26.10.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 1 / Tagesordnungspunkt 2

Marco BuschmannFDP - Beschlussfassung über die GO, ...

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern insbesondere die neuen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion auf den heutigen Tag eingestimmt habe, habe ich von einem weihevollen Tag gesprochen, einem Tag, der so ein bisschen ähnlich ist wie Taufe oder Erstkommunion,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Oder Jugendweihe!)

weil man etwas ganz Neues in seinem Leben erlebt. – Man kann auch, Herr Kollege Korte, Jugendweihe sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Entscheidend ist aber, dass wir heute das ausstrahlen, was die Bürgerinnen und Bürger erwarten, nämlich einen würdigen Umgang mit der Verantwortung, die sie uns allen übertragen haben. Zu diesem würdigen Umgang gehört der Streit nach Regeln. Das hat der scheidende Präsident vorhin gesagt. Diese Regeln geben wir uns jetzt, und es spricht für die Kultur unseres Parlamentarismus, dass wir einen sehr breiten Konsens haben, was den übergroßen Teil der richtigen und angemessenen Regeln für diesen Streit angeht. Deshalb unterstützen wir auch den Antrag der größten Fraktion des Hauses, die diesen Antrag traditionell einbringt, den Frau Katzmarek hier gerade vorgetragen hat. – Das ist die erste Bemerkung, die ich machen wollte.

Die zweite Bemerkung ist: Auch wir begrüßen es, dass wir die Geschäftsordnung einer Modernisierung unterziehen. Wir haben in der Coronazeit gelernt, dass es überhaupt nicht wehtut, Kolleginnen oder Kollegen digital zuzuschalten, Sachverständige digital zuzuschalten. Vieles, was lange Zeit als unwürdig, außergewöhnlich oder nicht umsetzbar galt, ist mit dem kleinen Vorbehalt, dass es technisch noch immer nicht ganz reibungslos klappt, überhaupt nicht schlimm. Es ist ein Gewinn für viele Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich auf eine Debatte zur grundlegenden Modernisierung der Geschäftsordnung.

Mit meiner dritten Bemerkung möchte ich auf einen der beiden bereits angesprochenen Änderungsanträge der AfD eingehen. Was technisch ein wenig auf leisen Sohlen daherkommt, nämlich die Absenkung des Quorums für einen Antrag sowohl zur Wahl als auch – darum geht es in Wahrheit wirklich – zur Abwahl eines Bundeskanzlers, ist in Wahrheit eine völlige Umkehrung des Charakters dieses Instruments. Die Abwahl des Bundeskanzlers, wie sie unser Grundgesetz vorsieht, ist eine Antwort auf unsere Geschichte. Die Abwahl eines Bundeskanzlers kann nur erfolgen durch die Neuwahl eines Kanzlers. Es ist das berühmte konstruktive Misstrauensvotum. Das konstruktive Misstrauensvotum ist eine Antwort auf unsere Geschichte, weil es in der Weimarer Republik ganz einfach war, eine Mehrheit gegen etwas zu organisieren. Es war leicht, eine Mehrheit zu haben, die sich darauf einigt, dass man unzufrieden ist mit dem Bestehenden, dass man sich aus der Verneinung heraus definiert. Aber es war eben schwer, eine Mehrheit zu organisieren, die sich für etwas ausspricht, für etwas, das man gemeinsam in der Mehrheit für das Bessere hält. Dadurch kam es zustande, dass reihenweise Regierungen in der Weimarer Republik aus dem Amt gejagt wurden, dass die Bürgerinnen und Bürger damals das Vertrauen in die Institutionen verloren. Und das hat mit dazu beigetragen, dass der Weg in die Diktatur geebnet wurde.

Daraus haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes eine Lehre gezogen, dass nämlich die Beseitigung eines gewählten Bundeskanzlers aus dem Amt durch das Parlament nur möglich ist, wenn es eben nicht nur eine Mehrheit gegen etwas gibt, sondern auch eine Mehrheit für etwas, das man gemeinsam für das Bessere hält.

Die Quoren der Geschäftsordnung, um ein solches Verfahren einzuleiten, stellen uns allen gemeinsam deshalb eine Prüffrage. Die Prüffrage lautet: Wie wollt ihr denn eine Kanzlermehrheit zustande bekommen, wenn nicht mal ein Viertel dieses Hauses bereit wäre, das Verfahren dafür einzuleiten? Diese Prüffrage stellt den Ausnahmecharakter dieses Verfahrens sicher; denn was nicht sein soll, ist, dass aus diesem Ausnahmeinstrument des konstruktiven Misstrauensvotums ein plenartägliches Kampfinstrument wird, das jede Sitzungswoche im Zweifelsfall gezogen wird, um das Vertrauen in die demokratischen Institutionen unseres Grundgesetzes zu unterhöhlen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Und wer Erfahrung mit der Fraktion, die diesen Änderungsantrag stellt, hier in den letzten vier Jahren gesammelt hat, weiß genau, dass das Ziel ist: das Vertrauen in die demokratisch legitimierten Institutionen unseres Grundgesetzes zu unterspülen, indem aus einem Ausnahmeinstrument ein plenartägliches Kampfinstrument gemacht wird. Und dabei machen die Freien Demokraten nicht mit.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nächster Redner ist der Kollege Stephan Brandner, AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532175
Wahlperiode 20
Sitzung 1
Tagesordnungspunkt Beschlussfassung über die GO, ...
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