Ralph BrinkhausCDU/CSU - Infektionsschutzgesetz, Impfpassfälschung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zahlen, die uns heute Morgen erreicht haben, sind dramatisch: über 50 000 Neuinfektionen. Es ist so, dass die Hospitalisierungszahlen steigen. Es ist so, dass uns Hilferufe von den Intensivstationen erreichen, übrigens nicht nur von den Krankenhausleitern, sondern auch von den Pflegerinnen und Pflegern, die einfach nicht mehr können; das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden. Wir haben eine viel zu hohe Todeszahl; sie hat sich gegenüber dem August verzehnfacht. Und wir sind in der Situation, dass noch viel zu wenig Menschen in diesem Land geimpft sind. Es ist so, dass die Drittimpfungen – ich mag nicht von „Boosterimpfungen“ sprechen; es sind Drittimpfungen – nicht gut genug organisiert sind. Das heißt, wir stehen vor einer riesigen Problemlage, wir stehen vor einer vierten Welle, wir sind in einer vierten Welle. Deswegen ist richtig, dass wir das nicht einfach durchlaufen lassen, sondern hier und heute im Deutschen Bundestag ernsthaft darüber debattieren. Das ist dringend, dringend notwendig.
Herr Scholz, ich finde es richtig, dass Sie sich als wahrscheinlich zukünftiger Kanzler endlich auch dieser Diskussion gestellt haben, dass Sie endlich etwas gesagt haben. Aber eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ich konstatieren: Das war mehr eine Zustandsbeschreibung als eine kraftvolle politische Aussage.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist gut und richtig, dass wir uns die Zeit für diese Diskussion nehmen. Wir haben ja eben einen Hauptausschuss eingesetzt. Es ist richtig, dass wir auch eine Anhörung machen. Das ist alles gut. Es ist auch richtig – ich habe es gerade vernommen –, dass die Ministerpräsidenten sich jetzt endlich, nächste Woche, mit der Bundesregierung treffen. Das lag übrigens nicht an den CDU/CSU-Ministerpräsidenten, sondern – Herr Müller sitzt ja auch hier im Plenum – an den SPD-Ministerpräsidenten. Ich hätte es als respektvoll empfunden, wenn, bevor wir über dieses Gesetz abstimmen, bevor wir über dieses Gesetz beraten, die Ministerpräsidenten sich zusammengesetzt hätten, weil wir dieses Problem nur zusammen – Bund und Länder – lösen können, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber nicht gut und richtig, Herr Scholz, ist das, was Sie hier als Gesetzentwurf eingebracht haben. Sie haben eine Sache konsequent ausgelassen: Sie haben den Menschen in diesem Land nicht verraten, dass es Ihr Wunsch ist, dass es der Wunsch der Ampel ist, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite – die Grundlage, die rechtssichere Grundlage, die verlässliche Grundlage für unsere Pandemiepolitik – auslaufen soll. Darüber haben Sie kein Wort verloren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bevor jetzt irgendwelche Zweifel kommen, ob wir die epidemische Lage wirklich brauchen, zitiere ich aus dem Infektionsschutzgesetz, das wir haben. In § 5 heißt es dort:
Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil ... eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.
Meine Damen und Herren, wie ist denn die Situation? Ist hier irgendjemand – außer der AfD – der Meinung, dass Covid nicht übertragbar ist?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ist hier irgendjemand der Meinung, dass Covid nicht bedrohlich ist? Ist hier irgendjemand der Meinung, dass wir keine dynamische Entwicklung haben? Also, das ist doch eine Realitätsverweigerung!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen werden wir uns dafür einsetzen – das sage ich ganz klar –, dass die epidemische Lage auch verlängert wird.
Herr Brinkhaus, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kubicki von der FDP-Fraktion?
Nein, er kann gleich eine Kurzintervention machen.
(Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)
Das ist aber nicht der einzige Punkt. Das Zweite ist: Wenn man sich den Gesetzentwurf ansieht, was darin vorgebracht, was darin gefordert wird, dann muss man feststellen, dass die Länderrechte – Herr Ramelow ist anwesend – geschwächt werden. Den Ländern wird Flexibilität genommen. Den Ländern werden Handlungsoptionen genommen. Das geht doch nicht, meine Damen und Herren! Wir sind in einer Krise. Die Länder müssen Handlungsoptionen haben, um entsprechend gegen diese Coronakrise vorgehen zu können.
Ein weiterer Punkt. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf – das muss man auch sagen – viele Dinge, die wichtig sind. Aber, Herr Scholz, Sie sprachen gerade von Krankenhausfinanzierung. Warum haben Sie das nicht in den Gesetzentwurf hineingeschrieben? Das wird jetzt irgendwo nachgeliefert. Ich meine, man kann von zukünftigen Regierungsparteien, die in Koalitionsverhandlungen sind, in dieser Krise erwarten, dass sie sauber liefern. Hier ist nicht sauber geliefert worden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn man das Ganze bewertet, dann muss man sagen: Das, was Sie da aufgeschrieben haben, ist dünn, wirklich dünn. Kommunikativ wird außerdem das völlig falsche Signal gesendet. Dadurch, dass Sie die epidemische Lage von nationaler Tragweite aufheben, sagen Sie doch den Leuten: Es ist nicht mehr so schlimm. Es ist nicht mehr so wichtig, dass wir den gesamten Katalog haben. – Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen den Menschen sagen: Ihr müsst noch achtsamer sein. Ihr müsst noch vorsichtiger sein. Wir müssen gut durch diese Krise kommen. – Aber das geht doch nicht, wenn ich solche Signale setze.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir jetzt zweigleisig fahren. Ja, wir sind eine konstruktive Opposition, und ja, Herr Scholz, wir sind daran interessiert, weil es im Interesse des Landes ist, ein vernünftiges Ergebnis hinzubekommen. Wenn Sie nicht bereit sind – aber vielleicht erklärt das gleich noch einer von den Rednerinnen und Rednern –, die epidemische Lage zu verlängern, dann machen Sie wenigstens ein vernünftiges Gesetz. Ein vernünftiges Gesetz zu machen, bedeutet, dass die Länder mehr Flexibilität brauchen und nicht mit einem abschließenden Katalog arbeiten müssen; denn das wird ihnen die Handlungsoption für eine konsequente Krisenbekämpfung nehmen. Sie müssen dann auch alles in dieses Gesetz hineinschreiben, was notwendig ist. Dann müssen Sie uns auch sagen, welche Vorstellung Sie haben, wie zukünftig 2 G und 3 G gehandhabt werden sollen.
(Beifall der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Dann müssen Sie uns sagen, wie Sie es sich vorstellen, dass der Schutz am Arbeitsplatz konsequent sichergestellt wird. Das sind doch die Fragen, die wir uns stellen müssen, damit wir eine konsequente Pandemiebekämpfung hinbekommen.
Dass wir eine konsequente Pandemiebekämpfung brauchen – Sie haben das angesprochen –, das sind wir diesem Land und insbesondere zwei Gruppen in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen, schuldig. Wir haben viele Dinge richtig gemacht. Was wir nicht richtig gemacht haben, ist: Wir haben im letzten Dezember und im letzten Januar die Menschen in den Pflegeheimen nicht schützen können. Deswegen der dringende Appell, auch an die Seite der Länder: Wir müssen alles dafür tun, damit das, was im Dezember letzten Jahres und im Januar dieses Jahres passiert ist, nicht noch einmal passiert.
Wir haben eine zweite ganz große Schuld, nämlich Schuld gegenüber den jungen Menschen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das ist die Schuld gegenüber den jungen Menschen, die nicht in die Kitas, nicht in die Schulen gehen konnten, die nicht studieren konnten, die auf viel verzichten mussten.
Meine Damen und Herren, wir sind es diesen Menschen schuldig, dass wir alles dafür tun, dass wir schnell und gut durch diese vierte Welle kommen. Dieses Gesetz, das Sie hier vorlegen, trägt nicht dazu bei. Deswegen gibt es da noch etwas nachzuarbeiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring-Eckhardt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532262 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Infektionsschutzgesetz, Impfpassfälschung |