Fritz GüntzlerCDU/CSU - Unionsrechtliche Vorgaben im Umsatzsteuerrecht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist schon spannend, mal wieder eine steuerpolitische Debatte zu führen und auch die verteilten Rollen zu erleben. Es ist schon interessant, zu sehen, wie reflexartig die FDP reagierte, als Frau Tillmann zu Recht darauf hingewiesen hatte, dass mit diesem Gesetz – das steht sogar im Gesetzentwurf – eine Steuererhöhung verbunden ist. Wer diesem Gesetz zustimmt, wird letztlich einer Steuererhöhung zustimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie aber stellen sich draußen hin und sagen: Wir wollen keine Steuererhöhung. – Die Aufgeregtheit zeigt, dass die FDP noch nicht so ganz angekommen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Paus, weil Sie dazwischenrufen, möchte ich zu Ihrer Rede sagen: Sie haben wieder den Eindruck erweckt, als ob die Besteuerung nach Durchschnittssätzen bei den Landwirten eine Subvention sei.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Meinung der Kommission!)
Das ist es definitiv nicht. Diese Sonderregelung gibt es seit 1968 – Frau Kiziltepe hat ja auch darauf hingewiesen –; sie ist in der Mehrwertsteuerrichtlinie so angelegt.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, je nachdem, wie man sie ausgestaltet! Sie haben sie ja ausgestaltet!)
Wenn sie funktioniert, ist sie richtig, weil das Ziel ja ist, dass durch den Durchschnittssatz die Vorsteuerbelastung aller pauschalierenden Landwirte in Deutschland ausgeglichen wird. Das heißt, der zusätzliche Erlös, den der Landwirt über die Umsatzsteuer erzielt, soll die finanzielle Belastung durch die Vorsteuer abdecken. Das ist der Kern der Regelung. Wenn das funktioniert, ist die Zahllast Null, und dann ist auch alles gut.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das hat bei Ihnen nicht funktioniert!)
Jetzt gibt es einen strittigen Punkt. Daran ist das Verfahren auch – so viel zur Geschichte – beim Steueroasen-Abwehrgesetz gescheitert, weil wir bis jetzt nicht vorgelegt bekommen haben, wie die Berechnung des Satzes von 9,5 Prozent im Tatsächlichen durchgeführt wird. Das BMF liefert hier einfach nicht. Es ist unsere Aufgabe als Parlament, auch wenn es ein Entwurf der Bundesregierung ist, genau hinzuschauen. Ich will wissen: Wo kommt diese Zahl her? Wie ist sie berechnet worden? Auch der Kollege der Linken hat auf das Problem hingewiesen.
(Cansel Kiziltepe [SPD]: Das ist genau besprochen! – Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])
Es gibt Nachholbedarf, und die Regierung hat jetzt die Chance, das im Gesetzgebungsberatungsverfahren einfach mal vorzulegen. Denn eines ist ja richtig: In dem Moment, in dem der Satz zu hoch ist, gibt es eine Überkompensation – sprich: vielleicht eine Beihilfe.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Der Umkehrschluss ist natürlich: Wenn der Satz zu niedrig ist, gibt es eine zu hohe Belastung der Landwirte. Von daher müssen wir uns das schon genau angucken; das mögliche Vertragsverletzungs- und Beihilfeverfahren ist angesprochen worden.
Es gibt den Verdacht, dass der Satz zu niedrig ist, weil die Berechnung einen großen Fehler enthält. Wir haben mit dem Jahressteuergesetz 2020 den Anwendungsbereich vermindert, weil nur noch Landwirte mit einem Umsatz von bis zu 600 000 Euro die Pauschalierung wählen können. Aber in den statistischen Unterlagen, die der Berechnung anscheinend – wir haben es ja nicht vorliegen – zugrunde gelegen haben, ist das nicht berücksichtigt worden. Die Vermutung ist, dass gerade die Landwirte mit einem hohen Umsatz aus der Berechnung herausfallen. Von daher brauchen wir konkrete Zahlen, damit wir das Ganze gegenüber den Landwirten auch wirklich vertreten können; denn es geht im Wesentlichen – Frau Paus, das sollte doch auch in Ihrem Interesse sein – um die kleinen bäuerlichen Betriebe,
(Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
für die Sie sich angeblich immer so einsetzen.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „angeblich“!)
Hier haben Sie die Chance, auch etwas für die zu tun, und Sie versagen auf ganzer Linie, Frau Paus.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Von daher werden wir unserer Verantwortung als Parlamentarier, wahrscheinlich in der Opposition, gerecht, wenn wir uns die Dinge, die die zukünftige Bundesregierung hier vorlegt, sehr genau angucken. Natürlich wollen wir kein Beihilfeverfahren. Wir wollen keine Rückzahlungen von 2 Milliarden Euro über zehn Jahre erzeugen.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie schon alles vor einem Jahr haben können, Herr Güntzler, wenn Sie sich nicht gedrückt hätten!)
Aber wir wollen solide Zahlen, damit wir den Landwirten offen gegenübertreten können.
Und ich war schon verwundert, als ich Herrn Kollegen Mansmann von der FDP hier gehört habe, der den Eindruck erweckt hat, dass man die Durchschnittsbesteuerung abschaffen will.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Das finde ich eine spannende Geschichte. Diese sollten Sie mal mit Ihrem Kollegen Hocker aus Niedersachsen besprechen. Ich glaube, davon wird der nicht begeistert sein.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532306 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Unionsrechtliche Vorgaben im Umsatzsteuerrecht |