11.11.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 2 / Tagesordnungspunkt 6

Timon GremmelsSPD - Energieversorgung, Energiewende

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einer Technik von vorgestern will die AfD der Herausforderung von heute und morgen begegnen. Das zeigt, wie rückwärtsgewandt Sie sind, meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD-Fraktion; aber von Ihnen haben wir auch nichts anderes erwartet.

Dann präsentieren Sie heute die alte Mär der umweltfreundlichen, sicheren und kostengünstigen Atomkraft. Das war doch schon in den 80er-Jahren falsch, und das ist es 2021 erst recht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Lassen Sie uns Ihren Antrag doch mal durchgehen – ich habe mir die Mühe gemacht, obwohl es mir schwergefallen ist, ihn mal durchzuarbeiten –:

Umweltfreundlich. Wir müssen ja nur mal in die Asse gucken und uns da die korrodierten Fässer ansehen.

(Karsten Hilse [AfD]: Die hat nichts mit Atomkraftwerken zu tun!)

Dort ist zwar nur leichtradioaktiver Müll, aber das zeigt doch, dass das in keinster Weise umweltfreundlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gucken Sie doch mal auf die Endlagersuche. Das Endlagersuchverfahren läuft doch gerade. Stehen Sie auf, Herr Hilse, und sagen Sie, Sie möchten ein Endlager in Ihrem Wahlkreis haben. Diese Ansage habe ich von Ihnen heute nicht gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])

Für den Atommüll, den wir produzieren, sind wir auch verantwortlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der AfD)

Dann die Frage der CO2-Neutralität. Ja meinen Sie denn, beim Uranabbau, bei der Brennelementeherstellung, beim Kraftwerksbau, beim Kraftwerksrückbau, bei der Endlagerung entsteht kein CO2? Selbstverständlich! Deswegen ist auch Kernkraft nicht CO2-neutral, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Und dann sagen Sie, wir würden uns mit der Kernkraft unabhängiger machen. Ja wo soll denn das Uran herkommen, Herr Hilse? Ja, es gab mal in der DDR Uranabbau, im Erzgebirge. Dann stellen Sie sich hierhin und sagen, Sie möchten als AfD, um von Energieimporten unabhängig zu sein, dass Uran hier im Erzgebirge in Deutschland abgebaut wird. Auch diese Ansage habe ich von Ihnen hier nicht gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und die Folgen des Uranabbaus der Wismut kosten den deutschen Steuerzahler bis heute 6,8 Milliarden Euro Bundesmittel, um damit die Schäden durch den Abbau zu kompensieren. Deswegen zeigt es: Auch das ist nichts Preiswertes und nichts Umweltfreundliches, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann sagen Sie, Atomkraft sei sicher. Fragen Sie doch mal die Menschen in Tschernobyl, fragen Sie mal die Menschen in Fukushima, was die davon halten, dass das sicher sei.

(Zurufe von der AfD)

Das Max-Planck-Institut hat gesagt: Ähnliche Unfälle wie in Fukushima drohen theoretisch alle 10 bis 20 Jahre. – Auch das ist aus meiner Sicht ein Hinweis, dass die Atomkraft nicht sicher ist.

Herr Kollege Gremmels, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilse?

Nein.

(Karsten Hilse [AfD]: Das habe ich mir gedacht!)

Also: Atomkraft ist nicht sicher. Wenn wir das mal weniger emotional betrachten, können wir feststellen: Wenn Atomkraft sicher wäre, würden wir auf dieser Welt ja einen Dienstleister finden, der Atomkraftwerke versichert. Aber auch in der ganzen Finanzwirtschaft finden Sie nicht ein Institut, das Atomkraftwerke versichert.

(Karsten Hilse [AfD]: Das stimmt nicht!)

Und warum nicht, Herr Hilse? Weil ein Schaden, wenn er eintritt, so stark und so immens ist, dass das unbezahlbar ist. Jeder Versicherungskonzern würde da in die Knie gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Noch etwas zur Frage der Sicherheit. Auch der Rückbau ist eine große Herausforderung. Atomkraft gibt es seit über 70 Jahren. 173 Atomkraftwerke sind weltweit mittlerweile abgeschaltet, erst 19 wurden zurückgebaut. Auch das ist eine große Herausforderung, und da von „sicher“ zu sprechen, ist aus meiner Sicht lachhaft.

Dann sagen Sie, Atomkraft sei kostengünstig. Gucken Sie sich doch einfach mal an, wie viel wir in den letzten Jahren dafür bezahlt haben. Sie dürfen doch nicht den Strompreis als solchen betrachten.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Sie müssen gucken, was da an staatlichen Subventionen über die letzten Jahrzehnte gezahlt worden ist. Und wenn Sie das dann vergleichen – die staatlichen Investitionen, die Subventionen und die Folgekosten –,

(Zurufe von der AfD)

dann sehen Sie, dass Atomkraft um ein Vielfaches teurer ist als erneuerbare Energien, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Sie können auch mal nach Großbritannien gucken – Atomkraftwerk Hinkley Point –, wie lange es von der Planung bis zur Fertigstellung eines Atomkraftwerkes dauert. Hinkley Point C hätte 2017 fertiggestellt sein sollen, jetzt scheint es 2026 zu werden. Die Kosten betragen 10 Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant. Eine schnelle, eine kostengünstige Antwort ist Atomkraft nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Investitionssummen, die wir jetzt für neue Atomkraftwerke bräuchten, sind doch viel besser aufgehoben im Bereich der erneuerbaren Energien. Wir sollen kein Geld in die Förderung von Atomkraft binden. Dieses Geld brauchen wir für Investitionen in erneuerbare Energien, damit wir deren Ausbau schnell umsetzen können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Für die Sozialdemokratie ist es eine Freudenstunde, wenn am 31. Dezember 2022 das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz geht.

(Karsten Hilse [AfD]: Wenn das Licht ausgeht!)

Dann werden wir die Sektkorken knallen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil wir das gut und richtig finden. Es ist ein wichtiges Menschheitsziel, was wir da erreicht haben.

Sie haben in Ihrem Antrag – und das soll mein Schlusswort sein, Frau Präsidentin – gesagt, Sie würden gerne Ihren Horizont erweitern. Ich halte es da lieber mit Udo Lindenberg: „Hinterm Horizont geht’s weiter“, und da kommen die erneuerbaren Energien. In diesem Sinne: Alles Gute und Glück auf!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Hilse das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532310
Wahlperiode 20
Sitzung 2
Tagesordnungspunkt Energieversorgung, Energiewende
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta