18.11.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 1

Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Infektionsschutzgesetz, Impfpassfälschung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne auf einen Punkt eingehen, der mich in dieser Debatte echt geärgert hat. Es hat mich echt massiv geärgert, dass alle Redner von der Ampel der Union hier Parteipolitik vorgeworfen haben.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich will Ihnen mal den Spiegel vorhalten: Was haben Sie denn in den letzten zwei Wochen gemacht? Sie haben uns, dem Deutschen Bundestag, in Sachen Corona einen Entwurf vorgelegt, der absolut unzureichend war.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der FDP)

Sie haben sich von der FDP in Geiselhaft für ein falsch verstandenes Freiheitsdogma nehmen lassen,

(Zuruf des Abg. Christian Lindner [FDP])

das nicht sieht, dass Freiheit immer auch Verantwortung bedeutet, auch Verantwortung, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Sie haben auf die FDP Rücksicht genommen, und zwar aus rein parteipolitischem Kalkül, weil Sie die Ampel nicht gefährden wollten, weil Sie die Koalitionsverhandlungen nicht gefährden wollten. Jetzt kommen Sie uns hier bitte nicht mit Parteipolitik. Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Dittmar [SPD]: Da müssen Sie selber lachen!)

Sie wissen ganz genau, dass das so ist. Deswegen haben Sie Ihren Entwurf ja auch ganz hektisch nachgebessert.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie einfach zu!)

Aufgrund des massiven Drucks, den wir als Union hier im Parlament gemacht haben, und aufgrund des massiven Drucks, den die Öffentlichkeit gemacht hat, haben Sie Ihren Gesetzentwurf auf Basis des konkreten Vorschlags, den wir als Union im Hauptausschuss unterbreitet haben, nachgebessert.

(Zuruf der Abg. Heike Baehrens [SPD])

Aber ich sage Ihnen mal was: Das reicht immer noch nicht aus. – Und diese Feststellung, dass Ihr Entwurf nicht ausreicht, ist keine Parteipolitik. Hören Sie sich mal an, was der Chef vom RKI, was Herr Wieler sagt. Er sagt: Bars und Klubs sind die Hotspots, das sind die Pandemietreiber, die müssen geschlossen werden können.

(Zuruf der Abg. Sabine Dittmar [SPD])

Nach Ihrem Gesetzentwurf wird das zukünftig nicht möglich sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Er sagt: Großveranstaltungen müssen abgesagt werden können. – Nach Ihrem Gesetzentwurf wird das nicht möglich sein.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was Sie uns hier präsentieren, sorgt dafür, dass der Instrumentenkasten zukünftig kleiner sein wird als das, was wir bei einer epidemischen Lage zur Verfügung hätten. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU], an die Abg. Sabine Dittmar [SPD] gewandt: Was sagen Sie denn als Medizinerin dazu?)

Wenn Sie schon dem Chef des RKI, Herrn Wieler, keinen Glauben schenken wollen, der nun wirklich unverdächtig ist, Parteipolitik machen zu wollen, dann glauben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, vielleicht Ihrem Gesundheitsexperten Karl Lauterbach; ich habe ihn ja schon vor einer Woche hier adressiert. Herr Lauterbach hat gestern noch einmal gesagt: Wenn 2 G nicht wirken sollte, dann werden wir einen Lockdown benötigen. – Und Herr Drosten hat uns in der Anhörung am Montag gesagt, 2 G werde aus seiner Sicht nicht ausreichen. – Das möchte ich mal feststellen.

(Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Luczak?

Ich möchte das gerne noch ausführen. – Das sind Ihre Experten, Herr Lauterbach. Herr Drosten, den Sie in die Anhörung gerufen haben, sagt Ihnen, Ihr Gesetzentwurf werde nicht ausreichen, weil nämlich genau das, was ich ausgeführt habe, alles nicht möglich sein wird. Nach Ihrem Gesetzentwurf wird es nicht möglich sein, Restaurants zu schließen. Nach Ihrem Gesetzentwurf wird es nicht möglich sein, die Gastronomie zu schließen. Nach Ihrem Gesetzentwurf wird es nicht möglich sein, Bars und Klubs zu schließen.

(Sabine Dittmar [SPD]: Das ist falsch! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Schulen auch nicht!)

Nach Ihrem Gesetzentwurf wird es nicht möglich sein, Veranstaltungen zu untersagen. All das wird nicht möglich sein.

(Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Sie wissen ja auch selbst, dass es nicht ausreicht. Im Hauptausschuss haben Sie schon angekündigt, dass Sie in zwei, drei Wochen wahrscheinlich werden nachbessern müssen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ach so!)

Das, was Sie an dieser Stelle machen, hat doch mit seriöser Politik nichts zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Luczak, erlauben Sie Zwischenfragen? Marco Buschmann und Karl Lauterbach haben sich gemeldet.

In welcher Reihenfolge ist mir egal, aber sehr gerne.

Wenn Sie erlauben, dann Herr Buschmann.

Den Herrn Kollegen Luczak, den wir ja für gewöhnlich als einen sachlich gut informierten Kollegen kennen,

(Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)

möchte ich fragen: Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, dass es nach neuem Recht natürlich möglich sein wird, Freizeitveranstaltungen zu untersagen und Freizeiteinrichtungen zu schließen, wenn die Landesregierungen dafür in die Landtage gehen? Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, dass Ihr Vorwurf, dass das nicht möglich ist, nur dann stimmt, wenn es sich um Landesregierungen handelt, die gegen den Willen ihres Landtags handeln wollen? Ad 1.

Ad 2 möchte ich Sie fragen: Wenn es denn so ist, was Sie ja hier sagen, dass Sie den Lockdown wollen,

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

dass Sie pauschal Gastronomieschließungen wollen, dass Sie pauschal Schulschließungen wollen, warum wird das dann nicht von den Ministerpräsidenten in den Bundesländern gemacht, in denen die Lage heute am verheerendsten ist, nämlich in Sachsen und in Bayern?

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Kollege Buschmann, ich kenne Sie ja schon seit Langem, wir schätzen uns auch gegenseitig, und Sie sind auch ein sehr guter Jurist. Deswegen wundert es mich schon ein bisschen, dass Sie ganz offensichtlich Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht richtig gelesen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Stimmt nicht!)

In § 28a Absatz 8 steht nämlich genau das drin, was ich hier referiert habe: Wenn wir keine epidemische Notlage hier im Bundestag feststellen, dann haben die Länder zukünftig die Möglichkeit, in den Parlamenten bestimmte Maßnahmen zu beschließen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: So ist es!)

Ausgenommen, und zwar ausdrücklich ausgenommen, ist genau das, was ich gesagt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Stimmt nicht!)

Es ist ausgeschlossen, dass Restaurants geschlossen werden, es ist ausgeschlossen, dass Veranstaltungen abgesagt werden.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Damit können Freizeitveranstaltungen untersagt werden!)

– Dann lesen Sie doch bitte schön Ihren Gesetzentwurf. Genau so ist es.

Und zu Ihrem Lockdown: Ich sage nicht, dass wir einen Lockdown wollen,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache raus aus der Verantwortung!)

ich weiß auch nicht, ob wir einen Lockdown brauchen – ich bin Jurist, ich bin kein Virologe –; aber ich kann Ihnen sagen: Wenn wir in zwei oder drei Wochen feststellen, dass die Inzidenzen noch weiter hochgegangen sind, dann brauchen wir dieses Instrumentarium. – Wir haben eine Inzidenz von 337, wir haben 65 000 Neuinfektionen. Das bedeutet, dass in wenigen Wochen über 500 Menschen gestorben sein werden; daran können wir nichts mehr ändern. Deswegen will ich, dass wir das ganze Instrumentarium zur Verfügung haben, das wir brauchen, um weitere Infektionen und damit Tote zu verhindern. Das ist der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Dr. Luczak, erlauben Sie auch eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage von Professor Dr. Lauterbach?

Sehr gerne.

Herr Lauterbach.

Vielen Dank. – Herr Luczak, zunächst einmal: Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass ich sehr früh auf die jetzt kommende Welle hingewiesen habe. Das sage ich nicht aus Rechthaberei,

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie haben auch nicht recht!)

sondern das sage ich, weil es in diesen Zusammenhang passt. Am wenigsten Erfolg mit meiner Überzeugungsarbeit habe ich bei den Ministerpräsidenten der Union gehabt. Ich habe zum Beispiel davor gewarnt, dass wir die Maskenpflicht in Schulen in Nordrhein-Westfalen aufheben, als die Zahlen schon wieder anstiegen.

(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

Ich habe durchgehend zu 2 G geraten. Das ist in keinem der Bundesländer, für die Sie sprechen, eingeführt worden.

Somit frage ich Sie: Wenn Sie jetzt fordern, wir müssten Möglichkeiten haben, den Lockdown wieder einzuführen, wieso haben Sie sich denn dann nicht persönlich dafür eingesetzt, wenigstens 2 G zu einem Zeitpunkt einzuführen, als das noch geholfen hätte? Wir werden bald in eine Situation kommen, in der wir tatsächlich genau das machen müssen, was Herr Buschmann korrekterweise beschrieben hat. Wir werden in den besonders betroffenen Gebieten tatsächlich über lokale Schließungen nachdenken müssen, wenn wir es nicht anders in den Griff bekommen. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit.

Zum jetzigen Zeitpunkt hätten wir viel mehr Spielraum. Wenn Sie den Spielraum genutzt hätten, den wir Ihnen seit Wochen bieten – Sie hätten über Wochen hinweg helfen können; die epidemische Lage gilt ja –, dann wären wir gar nicht in die Situation gekommen, in die wir jetzt geraten sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Lieber Kollege Lauterbach, mir, ich glaube, uns allen wäre viel mehr damit gedient gewesen, wenn Sie nicht bei den Ministerpräsidenten der Union, der SPD, der Grünen Überzeugungsarbeit geleistet hätten, sondern in Ihrer eigenen Fraktion. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie legen uns hier etwas vor, was unzureichend ist. Sie sagen doch selbst: Wir brauchen möglicherweise einen Lockdown. – Sie haben es gerade bestätigt. Mit dem, was Sie uns jetzt vorlegen, mit Ihrer Verweigerung, die epidemische Lage zu verlängern, schließen Sie genau das aus.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Lokal! Das geht per Gesetz!)

Deswegen ist Ihre Argumentation in sich brüchig, sie ist widersprüchlich, und sie ist nicht glaubwürdig. Das muss ich Ihnen einfach sagen, Herr Kollege. Ich schätze Sie sonst; aber das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Schluss möchte ich noch eines sagen, weil die Bundesländer ja diverse Male angesprochen wurden. Wir wissen nicht, wie der Bundesrat morgen entscheiden wird. Aber ich kann Ihnen sagen: Wir als Union sind bereit, in der nächsten Woche sofort eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages durchzuführen und den Vermittlungsausschuss anzurufen,

(Zuruf der Abg. Heike Baehrens [SPD])

damit wir die Probleme bei dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf lösen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen: Hören Sie auf mit Ihrer Parteipolitik. Werden Sie als Ampel Ihrer Verantwortung gerecht. Stimmen Sie der Verlängerung der epidemischen Lage zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD])

Als letzter Redner in dieser Debatte hat für die SPD-Fraktion Dirk Wiese das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532404
Wahlperiode 20
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Infektionsschutzgesetz, Impfpassfälschung
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