18.11.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 3 / Zusatzpunkt 1

Peter HeidtFDP - Infrastrukturausbau in der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Opposition hat man ja grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Anträge zu stellen. Man kann inhaltlich so arbeiten, dass auch eine Regierungskoalition sagt: Mensch, die haben sich Gedanken gemacht, die wollen das Land voranbringen; darüber wollen wir mal nachdenken. – Daneben gibt es Anträge, die eher verwaltungstechnischer Natur sind. Die Regierung hat wohl was übersehen, denkt die Opposition, und nach dem Motto „Oh, lieber Herr Lehrer, ich weiß etwas“ hat die CDU jetzt hier reagiert.

Die CDU/CSU weiß ganz genau, dass wir aktuell in Verhandlungen über eine Ampelkoalition sind. Diese Koalitionsverhandlungen werden wir auch in Kürze erfolgreich abschließen. Natürlich gibt es verschiedene Bereiche, in denen jetzt durch den Jahresablauf Fristen oder Maßnahmen verlängert werden müssen. Das wissen wir. Das machen wir auch. Dazu bedarf es nun wirklich keinerlei Hinweise aus der Union. Man könnte sarkastischerweise sagen: Die CDU/CSU kann es kaum erwarten, endlich Opposition zu sein. Geduld, in spätestens drei Wochen seid ihr es. Alles wird gut.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Jetzt sagen Sie doch mal was zur Sache!)

Das von der alten Koalition verabschiedete Gesetz hatte ja doch Mängel; die Kollegin hat es ja gerade gesagt. Diese betrafen natürlich auch die Finanzierung; darauf haben wir hier im Bundestag – Bündnis 90/Die Grünen und wir Freien Demokraten – deutlich hingewiesen. Da ist ja dann im Vermittlungsausschuss auch einiges Positives geschehen.

Ich will es nur einmal sagen: Um den Betreuungsbedarf zu decken, müssen nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung mindestens 1,1 Millionen Ganztagsplätze zusätzlich geschaffen werden, was jährlich 4,5 Milliarden Euro Personalkosten verursacht – eine gewaltige Summe. Insofern bleibt eine auskömmliche Finanzierung für uns Freie Demokraten auf der Tagesordnung.

Ganz genau genommen, hätte man die erforderliche Fristverlängerung bereits damals mit einbauen können; denn es war doch klar, dass die Frist 31. Dezember 2021 zu kurz ist. Man merkt diesem Gesetz insgesamt an, dass es in der alten Legislaturperiode quasi in letzter Sekunde noch schnell beschlossen worden ist.

Grundsätzlich hatte ich in der letzten Legislaturperiode schon den Eindruck, dass sowohl die Parteien der alten Koalition als auch die Parteien der neuen Koalition die Ganztagsbetreuung wollten. Aber irgendwie saß die Union immer im Bremserhäuschen; Sie haben es ja auch gerade gesagt.

(Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Es war nach meiner Auffassung auch die Union, die verhindert hat, dass hier ein wirklich gut finanziertes Gesetz gemacht worden ist. Dass jetzt ausgerechnet die Union die Partei ist, die uns belehren will, ist, vorsichtig ausgedrückt, erstaunlich.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Launert?

Ja.

Ist Ihnen bekannt, dass es hier nicht um die generelle Finanzierung der Ganztagsbetreuung geht, sondern um die Verlängerung der Beschleunigungsmittel als Teil des Konjunkturpaketes?

Ist Ihnen bekannt, dass unser Antrag auf einem Drängen, einem Anflehen der Kommunen basiert, weil Ende des Jahres die Frist abläuft?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ist Ihnen bekannt, dass ein Konjunktureffekt natürlich nur dann möglich ist, wenn losgelegt wird, und nicht, wenn man drei Jahre Zeit einräumt?

Und ist Ihnen bekannt, dass es im letzten Halb-, Dreivierteljahr massive Verzögerungen im Bau gab?

(Zuruf der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich weiß, dass viele Kommunen überlegt haben: Sollen wir das nutzen, ist die Zeit zu knapp oder nicht? Sie wussten, das hat diesen Konjunktureffekt, deshalb müssten sie schnell sein. Meine eigene Kommune hat gesagt: Wir trauen uns das nicht zu innerhalb der eineinhalbjährigen Frist. Andere Kommunen haben gesagt: Wir schaffen das, wir haben gute Leute an der Hand, die Betriebe machen das, wir haben Personal – das funktioniert.

Ist Ihnen bekannt, dass genau diese Verzögerungen beim Bezug von Baumaterialien, die außerordentlich waren – eine Ausnahmesituation –, gerade dazu geführt haben, dass einige Kommunen jetzt nicht fertig werden? Genau deshalb ist dieser Antrag in dieser Ausnahmesituation gerechtfertigt. Den hätten Sie letzte Woche abräumen können. Sie sind diejenigen, die hier parteipolitisch agieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir handeln für die Kommunen. Bei Ihnen ist es eine Show, Sie sind noch in der Opposition. Das ist die Realität bei diesem Antrag und unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bleiben Sie bitte stehen, Frau Kollegin?

Also, Frau Kollegin, ich darf Ihnen an der Stelle zunächst einmal sagen: Ich bin Stadtverordneter in Bad Nauheim, ich bin Kreistagsabgeordneter im Wetteraukreis. Ich kenne die kommunalen Probleme; ich weiß das.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ging leider aus Ihrer Rede noch nicht so ganz hervor!)

Die Probleme, die Sie hier beschrieben haben, sind uns grundsätzlich bekannt. Wir werden diese Probleme auch lösen; aber wir werden sie intelligenter lösen als Sie. Das unterscheidet uns – erstens – von Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist – darauf hat ja die Kollegin auch hingewiesen –: Sie hätten das in der alten Legislaturperiode alles lösen können – sie hat es doch ausdrücklich hier beschrieben; das kann man nicht besser beschreiben –, und das haben Sie nicht gemacht. Das ist auch mein Vorwurf. Sie als Regierung haben es in der alten Legislaturperiode nicht gemacht, und jetzt, wo Sie wissen, wir sind in Koalitionsverhandlungen, wollen Sie uns die Pistole auf die Brust setzen. Wir werden uns den Problemen ja zuwenden, aber – in Gottes Namen – es ist unser Recht, dies als Regierungskoalition zu machen. Das ist unser Recht, und das nehmen wir auch in Anspruch.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ach so! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Sie sind schon Regierung? – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Jetzt haben wir es verstanden!)

Ich will an der Stelle auch deutlich sagen: Die Bildung spielt in den Koalitionsverhandlungen eine sehr große Rolle. Möglicherweise – das habe ich jetzt gerade schon angedeutet – können auch noch weitere Punkte geregelt werden. Es könnte sinnvoll sein, sämtliche Änderungen in einem Prozess durchzuführen. Diesen Prozess will die Ampelkoalition schnellstmöglich anschließen.

(Beifall bei der FDP – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Es geht ums Prinzip!)

Rein theoretisch könnten die Änderungen auch noch rückwirkend zum Ende des Jahres 2021 in Kraft treten. Aber die Botschaft heute an Länder und Kommunen ist klar: Die Ampelkoalition kümmert sich darum, sie können sich auf uns verlassen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen ja täglich feststellen, wie überfordert unser Bildungssystem mit der Bewältigung der Coronakrise ist. Wir Freien Demokraten sind zutiefst davon überzeugt und arbeiten daran, dass der reine Betreuungsauftrag durch einen qualitativ hochwertigen Bildungsauftrag ergänzt wird, sodass Kinder auch nach dem regulären Unterricht gefördert werden. Wir werden den Ausbau der Ganztagsangebote mit einem besonderen Augenmerk auf die Qualität weiter unterstützen. Mit Ländern und Kommunen werden wir uns über die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbildung und ‑betreuung und der qualitativen Weiterbildung verständigen und unter Berücksichtigung der länderspezifischen Ausprägung einen gemeinsamen Qualitätsrahmen entwickeln. Wir wissen auch, dass gerade die Ganztagsbetreuung dazu beitragen kann, dass wir die Defizite, die in der Pandemie entstanden sind, gezielt wieder ausgleichen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532417
Wahlperiode 20
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Infrastrukturausbau in der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder
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