18.11.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 4

Sebastian BrehmCDU/CSU - Unionsrechtliche Vorgaben im Umsatzsteuerrecht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist noch nicht einmal im Amt, und schon geht es mit dem ersten Gesetzentwurf aus dem Hause Olaf Scholz den kleinen bäuerlichen Strukturen an den Kragen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Wir sind noch nicht mal im Amt, und schon erzählen Sie so einen Mist!)

Mit der heutigen Absenkung des pauschalen Mehrwertsteuersatzes von 10,7 auf 9,5 Prozent kommt es zu einem effektiven realen Einkommensverlust dieser Betriebe. Dieser Einkommensverlust beträgt bis zu 600 Euro im Monat und kann übrigens nicht kompensiert werden, weil die Lebensmittelpreise fixiert sind und weil die Kosten steigen, zum Beispiel für Energie und Kraftstoffe. Wenn Sie die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro einführen, wird sich das noch verschärfen. Das heißt: Teilweise sind diese kleinen Betriebe nur noch im Nebenerwerb zu führen.

Was ist aus den Forderungen in Ihren Wahlprogrammen geworden, liebe Koalitionäre? Die SPD schreibt, die Partei bekenne sich zu fairen Preisen für hochwertige Nahrungsmittel. Die Grünen schreiben, Bäuerinnen und Bauern müssten von ihrer Arbeit leben können, und fordern faire Bezahlung von Landwirtinnen und Landwirten. Die FDP sagt, Deutschland brauche eine zukunftsorientierte Landwirtschaft, die sich rechnet. Also, heute machen Sie genau das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Worum geht es im Einzelnen? Es geht um § 24 des Umsatzsteuergesetzes. Kleine Landwirte mit einem Umsatz bis 600 000 Euro können aus Bürokratievereinfachungsgründen pauschal 10,7 Prozent Mehrwertsteuer in Rechnung stellen und haben keinen Vorsteuerabzug wie buchführungspflichtige Unternehmen. Deswegen ist das, was Sie gerade erzählt haben, ein Märchen und völlig falsch. Wenn Sie den Satz senken, dann senken Sie automatisch auch die Einnahmen der kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich wissen wir, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland von der EU angestrengt worden ist

(Zuruf von der FDP: Ach! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Ist ja toll!)

und dass wir eine mögliche Privilegierung dieser Betriebe, also eine Besserstellung, prüfen müssen. Ansonsten käme es zu Rückforderungen gegenüber der Landwirtschaft, gerade gegenüber kleinen und mittleren Betrieben. Das gilt es natürlich zu verhindern.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Also das wäre dann keine Einkommenseinbuße, oder wie? Das hat doch alles nicht Hand und Fuß, was Sie da erzählen!)

Diese Frage wurde von der Koalition eingebracht, verbunden mit der Forderung nach einer Berechnung, um zu prüfen, ob überhaupt eine Privilegierung vorliegt. Diese Berechnung sollte nicht aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, sondern aus dem Bundesfinanzministerium kommen, liegt aber nicht vor. Wir haben sie mehrmals angefordert. In der Anhörung haben sogar die Ihnen, sage ich mal, eher zugeneigten Experten gesagt, dass das Verfahren intransparent ist und dass die Berechnung überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Das heißt, Sie wissen gar nicht, ob der Satz gesenkt werden soll oder ob der Satz vielleicht sogar steigt; denn die Beschränkung auf die Gruppe der Landwirte mit einem Umsatz von weniger als 600 000 Euro führt vielleicht dazu, dass sich der Satz sogar erhöhen könnte. Insofern haben Sie handwerklich absolut schlechte Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben die Bauern aus meiner Sicht bewusst geschädigt. Ich sage Ihnen eines: Wenn Sie jetzt auch noch die steuerliche Entlastung für Agrardiesel abschaffen wollen, wenn Sie auch noch die angekündigten Subventionen abschaffen wollen, dann ist eben nichts mehr mit der bäuerlichen Nahversorgung, dann ist auch nichts mehr mit der ökologischen Vielfalt, die Sie fordern. Dann wird es zu einer Industrialisierung der Landwirtschaft kommen, und die kleineren und mittleren Betriebe werden aussterben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist die Wahrheit.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf es auch eine Nummer kleiner sein? Das ist Ergebnis Ihrer Agrarpolitik! Das ist das Problem! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scheinheiliger geht es nicht!)

Ich glaube, Sie haben noch nie einen Jahresabschluss eines kleineren oder mittleren bäuerlichen Betriebs gesehen. Sie machen das doch alles theoretisch. Schauen Sie sich das doch einmal an!

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)

Sie haben null Komma null Empathie, Sie haben null Komma null Respekt vor den kleinen und mittleren Landwirten!

(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! Was haben Sie denn 16 Jahre gemacht? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP)

Die machen Sie mit diesem Gesetz kaputt, und die FDP fungiert zum ersten Mal wieder als Steuererhöhungspartei.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Ministerin ist doch der Sargnagel der Landwirtschaft! Wo ist denn Frau Klöckner?)

Wir lehnen diesen Gesetzentwurf heute ab, mit einem klaren Signal an die Landwirtschaft: Wir stehen zu den kleinen bäuerlichen Betrieben, und wir wollen ihre Strukturen erhalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Den Bock zum Gärtner gemacht! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre Agrarpolitik! Katastrophal!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag erhält jetzt die Kollegin Dr. Ophelia Nick von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt mal jemand, der Ahnung hat!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532439
Wahlperiode 20
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Unionsrechtliche Vorgaben im Umsatzsteuerrecht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta