18.11.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 5

Linda TeutebergFDP - Massenmigration über Polen - Belarus-Route

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewogen, gewogen und für zu leicht befunden, so urteilte einst Winston Churchill in einer anderen historischen Situation über das Verhalten der westlichen Demokratien. Wir sind heute in einer anderen Situation, aber in einer sehr schwierigen, die auch eine Bewährungsprobe ist für die westlichen Demokratien. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, mehr als einen Gedanken darauf zu verwenden, dass Geschichte der Hintergrund aller Politik ist. Das gilt auch für die jetzige Situation, und zwar aus mindestens zwei Gründen: Es handelt sich zum einen um eine Form der hybriden Kriegsführung. Wir sollten Dimension und Kalkül dessen, was da passiert, wie stark das vorbereitet ist und worauf es zielt, nicht unterschätzen, und zum anderen gehört es auch zu den Lehren aus unserer Geschichte, keine Politik zu machen über die Köpfe unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn hinweg, keine Verträge zulasten Dritter zu schließen, sondern in Europa geeint vorzugehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Angriff auf die liberalen Demokratien und freiheitlichen Rechtsstaaten nimmt uns von zwei Seiten in die Zange. Nämlich einerseits, indem er uns herausfordert, zu zeigen: Wir sind anders, wir sind wertegebunden, wir sind anders als Lukaschenko, wir nehmen nicht den Tod von Menschen in Kauf. – Und andererseits, indem wir gefordert sind, zu zeigen, dass liberale Demokratien handlungs-, problemlösungs- und durchsetzungsfähig sind und gerade nicht schwach und erpressbar, wie Diktatoren und Autokraten sie darstellen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt zwei Arten, wie man in dieser Situation der Herausforderung nicht gerecht wird und das Kalkül von Diktatoren und Autokraten aufgehen lässt: Nämlich entweder wenn man sich den Vorwurf von Zynismus und Menschenverachtung gefallen lassen müsste, weil man die Menschenwürde nicht achtet, oder wenn wir den Fehler machen würden, Vorwürfe an Polen oder die Europäische Union zu richten, wie es manche in der Debatte tun, übrigens auch wenn man eine unterschiedslose Aufnahme und Verteilung in Europa vertritt. Wir müssen mit Polen jetzt uneingeschränkt solidarisch sein, dafür sorgen, dass nicht der Druck auf die polnische Grenze verstärkt wird und dass das Kalkül Lukaschenkos nicht aufgeht.

(Beifall bei der FDP)

Oberste Priorität jetzt sind die Hilfen für die in der Kälte ausharrenden Migranten. Kein weiteres Menschenleben darf verloren gehen; dafür müssen wir uns einsetzen. Mittel- und langfristig brauchen wir aber eine europäische Asyl- und Außenpolitik; nur damit können wir solche Situationen mittel- und langfristig verhindern. Deshalb ist es jetzt wichtig, zu beobachten, was dort weiter an staatlicher Schleusung stattfindet. Der Irak versucht heute, 200 Menschen in ihr Heimatland zurückzuführen. Aber das sind Menschen, die am Flughafen ausgeharrt haben. Leider ist es so, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt. Lukaschenko hält weiter Menschen im Grenzgebiet fest, nutzt sie als Geiseln und lässt ihnen keinen Rückweg. Deshalb gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Nach meinem Kenntnisstand ist die Bundespolizei mit acht Hundertschaften an der deutsch-polnischen Grenze im Einsatz, und es gibt dort auch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem polnischen Grenzschutz. Man führt gemeinsame Streifen durch. Deshalb gibt es übrigens derzeit auch keinen Anlass für stationäre Grenzkontrollen.

Was wir brauchen, ist Aufklärungsarbeit in den Herkunftsländern, damit sich die Menschen gar nicht erst auf diesen gefährlichen Weg machen. Wir müssen über die Lügen und Versprechen der Schleuser aufklären. Wir brauchen einen wirksamen Außengrenzschutz – übrigens nicht nur in Sonntagsreden, sondern wirklich. Das liegt im gemeinsamen europäischen Interesse und ist eine gemeinsame europäische Aufgabe, weil das die Voraussetzung für Freizügigkeit im Innern ist. Deshalb müssen wir uns daran auch finanziell beteiligen.

Schließlich geht es darum, dass wir jetzt genau dieser Herausforderung gerecht werden. Außenpolitisch ist mit den Sanktionen zum Glück Bewegung hineingekommen, aber hier muss weiter Druck ausgeübt werden. Wir müssen rechtsstaatlich die Kontrolle darüber gewinnen, wo wir geordnete Asylverfahren durchführen.

Lassen Sie uns zeigen, dass wir dieser Herausforderung gerecht werden, dass liberale Demokratien sensibel und robust, wertegebunden und wehrhaft gleichermaßen sind!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Linda Teuteberg. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Zaklin Nastic.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532457
Wahlperiode 20
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Massenmigration über Polen - Belarus-Route
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