Ulrike BahrSPD - Verhinderung von Kita- und Schulschließungen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! „ Wenn wir ganz und gar aufgehört haben, Kinder zu sein, dann sind wir schon tot.“ Das sind die Worte des deutschen Schriftstellers Michael Ende, des Autors der „Unendlichen Geschichte“. Die Frage, wann Kinder wieder Kinder sein dürfen, beschäftigt mich und ist einer der Gründe, warum wir hier debattieren. Denn Kinder hatten in den vergangenen 18 Monaten nur sehr wenige Möglichkeiten, Kind zu sein. Kinder wurden zu Hause isoliert. Kinder können nicht richtig lernen. Kinder durften nicht mehr Kind sein. Kurzum: Kinder haben seit Beginn der Pandemie gelitten, und zwar sehr.
Ursache dafür waren vor allem die Folgen der Schul- und Kitaschließungen. Aber die flächendeckende Schließung von Schulen und Kitas wird zukünftig keine Option mehr sein, auch nicht bei dramatisch hohem Infektionsgeschehen. Nur dann, wenn es in einer Einrichtung ein akutes Ausbruchsgeschehen gibt, welches nicht unter Kontrolle zu bekommen ist, kann eine Schule oder eine Kita vorübergehend geschlossen werden. So sieht es der neue Gesetzentwurf zum Infektionsschutzgesetz vor.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir eines aus der Pandemie gelernt haben, dann dass flächendeckende Schul- und Kitaschließungen nicht erste Mittel der Wahl sein können, um diese Pandemie zu besiegen. Der Preis dafür ist zu hoch. Als ehemalige Lehrerin weiß ich: Wenn wir den Kindern die Schule wegnehmen, richten wir Schäden an, die nur schwer zu reparieren sind.
Es ist mittlerweile erwiesen, dass es zahllose Kinder mit psychischen Problemen gibt, die auf die Schließungen zurückzuführen sind. Unsere geschäftsführende Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht brachte es auf den Punkt:
Schulen und Kitas müssen offen bleiben, damit psychische Belastungen, Einsamkeit, Bewegungsmangel und Lernrückstände sich nicht noch weiter vergrößern.
(Beifall bei der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Späte Einsicht!)
Aber es sind nicht nur die Kinder, die unter Folgen der Schließungen leiden. Auch das Unverständnis der Eltern steigt. Die Kritik der Eltern wendet sich dabei nicht gegen die Coronamaßnahmen. Sie richtet sich vielmehr dagegen, dass Kinder und Jugendliche unverhältnismäßig benachteiligt werden.
Auch Kinderärzte schlagen Alarm: Kinder sind keine Infektionstreiber. Die am Montag veröffentlichte Schulstudie der Kultusministerkonferenz wird noch konkreter: Kinder sind nicht die, die in erster Linie das Virus verbreiten, aber sie leiden eindeutig am meisten. Und wann fangen wir, wann fängt man endlich an, darauf zu hören?
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das wissen wir schon lange!)
Inzidenzen bei Kindern und Erwachsenen werden sehr verschieden wahrgenommen. Aus drei Gründen bedarf es bei der Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen einer Erklärung.
Erstens. Kinder und Jugendliche werden sehr selten schwer krank. Schon alleine aus diesem Grund hat die Inzidenz völlig andere Auswirkungen als bei Erwachsenen.
(Gerrit Huy [AfD]: Hört! Hört!)
Zweitens. Kinder und Jugendliche werden regelmäßig in Kitas und Schulen getestet. Es gibt in Deutschland keine Gruppe, die systematisch besser erfasst wird.
Drittens. Ungeimpfte Erwachsene lehnen oftmals nicht nur die Impfung, sondern auch die Coronamaßnahmen ab; ein Blick zu meiner ganz rechten Seite reicht für diese Erkenntnis völlig aus. Ungeimpfte Kinder hingegen halten sich meist an die Vorgaben. Darum kann eine flächendeckende Schließung von Kitas und Schulen auch bei höheren Inzidenzen keine Option mehr sein. Es gibt nur einen möglichen Weg aus der Pandemie: Impfen, Impfen, Impfen – die Erwachsenen und die Jugendlichen.
Der Weg in die Normalität wird noch lang. Aber wir haben selbst die Werkzeuge in der Hand, um Worst-Case-Szenarien zu unterbinden. Sie heißen: mehr Tests, mehr Impfungen und endlich wieder eine konsequente Nachverfolgung von Infektionen, bis wir ein stabiles Impfniveau erreicht haben.
Der Antrag der Linkspartei zählt allerdings
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Linken! Seit 16. Juni 2007 Die Linke, bitte!)
– Entschuldigung, der Linken – Werkzeuge auf, die bereits Realität sind: von Schnelltests über medizinische Masken bis hin zu Impfangeboten für das Personal. All das ist bereits Teil des Alltags an deutschen Schulen, und das mit einem sehr hohen Engagement vor Ort.
Hierzu auch der Appell, liebe Lehrer/-innen und liebe Erzieher/-innen an den Kitas, liebe Eltern: Der Schlüssel, um Deutschlands Schulen und Kitas gut durch den Winter zu führen, liegt darin, dass Sie sich alle impfen und demnächst auch boostern lassen. Nur so stellen wir wirklich sicher, dass wir nie wieder über dieses Thema streiten müssen. Das ist der beste Schutz für Kinder.
Beenden wir diese unendliche Geschichte um Schließungen von Kitas und Schulen, und geben wir unseren Kindern ihr Leben zurück! Sie haben es sich verdient.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Uli Bahr. – Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Katrin Staffler.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532468 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Verhinderung von Kita- und Schulschließungen |