Sabine DittmarSPD - Impfprävention gegen COVID-19
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP legen mit dem heutigen Gesetzentwurf erneut ein Maßnahmepaket zur Bewältigung der Coronapandemie vor. Lassen Sie mich gleich zu Beginn sagen: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in dieser Koalition.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es hat sich bereits jetzt gezeigt, dass die Koalitionsfraktionen entschlossen sind, alle notwendigen Schritte mit Verantwortung und Augenmaß zu gehen, um die Pandemie in Deutschland zu überwinden. Mit dem Abschluss des Koalitionsvertrages haben wir uns selbst konkrete Aufträge gegeben. Gleichzeitig haben uns die Länder am vergangenen Donnerstag um Klarstellungen im Infektionsschutzgesetz für mehr Rechtssicherheit bei ihren Coronaschutzmaßnahmen gebeten.
Meine Damen und Herren, die Lage ist nach wie vor sehr besorgniserregend: 36 000 Neuinfektionen, 4 905 Patienten auf Intensivstationen, mehr als die Hälfte davon beatmet. Fast 20 Prozent unserer Intensivbetten sind mit Coronapatienten belegt; viele von ihnen hätten sich dieses Schicksal mit einer Impfung ersparen können.
(Zuruf von der AfD)
Das Kleeblattsystem ist aktiviert, das heißt, Patienten werden innerhalb Deutschlands verlegt, weil die Versorgung im eigenen Bundesland nicht mehr garantiert werden kann. Auch wenn einige Experten angesichts eines seit einigen Tagen unter 1 befindlichen R-Wertes von einer Stagnation auf hohem Niveau sprechen und die Trendwende eingeläutet sehen, würde ich mich heute dieser Einschätzung noch nicht anschließen. Zum einen sind Meldezahlen wahrscheinlich defizitär; aber viel mehr Sorge bereitet die noch nicht absehbare epidemiologische Dynamik der Omikron-Variante.
Deshalb ist es gut, dass die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sich jüngst darauf verständigt haben, die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel wie 2 G, 3 G, 2 G Plus konsequent und bundeseinheitlich anzuwenden. Gleiches gilt für strenge Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte im öffentlichen und privaten Raum und das Absagen von Veranstaltungen. Denn, meine Damen und Herren, Bilder von überfüllten Fußballstadien, wenn gleichzeitig Patienten mit dem MedEvac-Airbus der Bundeswehr verlegt werden müssen, sind nicht nur unerträglich; sie sind unerklärlich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und deshalb werden wir heute weitere Änderungen und vor allem Klarstellungen in das Infektionsschutzgesetz einbringen.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Hätten Sie alles schon vor zwei Wochen haben können!)
Wir tun dies, damit die Länder lückenlos alle notwendigen Schutzmaßnahmen zur Anwendung bringen können. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird noch mal klargestellt, dass die Länder natürlich Freizeit- und Kultureinrichtungen, also auch Klubs und Diskotheken, schließen können, dass sie Veranstaltungen absagen können und dass darunter auch Kongresse und Messen fallen. Neu geben wir den Ländern die Möglichkeit, auch die Gastronomie komplett zu untersagen und bestehende Rechtsverordnungen auf alter Rechtsgrundlage bis zum 15. Februar 2022 zu verlängern.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Neben den Kontaktbeschränkungen, meine Damen und Herren, ist das Impfen unser zentrales Mittel, um vor die vierte Welle zu kommen. Deshalb lautet die Devise: Impfen, impfen, impfen! Boostern, boostern, boostern!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Und ich sage auch: Wir kommen voran.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zwischenzeitlich erreichen wir wieder fast 800 000 Impfungen täglich; an manchen Tagen auch wieder über 1 Million. Das ist gut, aber noch nicht gut genug, um unser Ziel von 30 Millionen Impfungen bis zum Jahresende zu erreichen.
An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Impfärzte und Impfärztinnen, aber vor allem an die Teams, die dahinterstehen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn sie haben sich in den letzten Wochen mit vielen Widrigkeiten, vom Impfstoffwechsel bis zu Lieferverzögerungen, auseinandersetzen müssen. Ich würde in der Gesamtschau sagen: Sie haben das hervorragend gemeistert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, wir werden jetzt dafür sorgen, dass der Impfstoff auch zügig dort ankommt, wo er verimpft werden soll. Mit General Breuer haben wir nun einen erfahrenen Logistiker an der Spitze des neuen Krisenstabes im Kanzleramt, der mit seiner Expertise die logistischen Hemmnisse überwinden wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Meine Damen und Herren, damit es zügig vorangeht, erweitern wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf auch den Kreis der Impfenden. Wir schaffen eine gesetzliche Grundlage, damit zukünftig auch Apotheker, Zahn- und Tierärzte vorübergehend zur Durchführung der Covid-19-Schutzimpfung berechtigt werden. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sie die fachlichen Voraussetzungen mitbringen und eine entsprechende Schulung durchlaufen haben. Und das ist gar nichts Ungewöhnliches: In der Schweiz, in Italien, in Frankreich unterstützen Apotheken schon seit geraumer Zeit die Impfkampagnen.
Wir erwarten auch von unseren Ärztinnen und Ärzten, dass sie von ihrer Delegationsmöglichkeit Gebrauch machen; denn beispielsweise auch Pflegekräfte sind beim Impfen eine wertvolle Unterstützung.
Meine Damen und Herren, in der Öffentlichkeit wird seit Tagen viel über das Für und Wider einer Impfpflicht diskutiert. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verankern wir für die Beschäftigten, die besonders verletzliche Personengruppen betreuen, behandeln, versorgen, eine solche einrichtungsspezifische Impfpflicht. Das gilt zum Beispiel für Beschäftigte in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Sie gilt aber auch in Arztpraxen, Geburtshäusern, beim Rettungsdienst oder in Einrichtungen der Eingliederungshilfe.
Und ja, die Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Wir haben diese verfassungsrechtliche Diskussion schon bei der Masernimpfpflicht vor zwei Jahren intensiv geführt. Aber auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Schwachen und Hilfsbedürftigen ist ein Grundrecht. Vulnerable Gruppen können sich im Allgemeinen nicht aussuchen, von wem sie versorgt, gepflegt oder betreut werden, aber sie müssen sich doch darauf verlassen können, dass ihnen von dieser Seite Hilfe und Unterstützung zuteilwird und ihnen keine Gefahr für die eigene Gesundheit droht.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Es geht bei der Impfpflicht also um eine Güterabwägung. Und es kann nur eine Antwort geben: Aus epidemiologischer, ethischer und moralischer Sicht ist eine hohe Impfquote in diesen Einrichtungen, in denen es engen Kontakt zu diesen vulnerablen Personengruppen gibt, unabdingbar.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Eine hohe Impfquote, meine Damen und Herren, brauchen wir aber nicht nur zum Schutz der vulnerablen Gruppen, wir brauchen sie auch, um nicht immer und immer wieder in eine Dauerschleife von Infektionswellen zu geraten; denn leider sind die Impflücken in allen Altersgruppen immer noch zu hoch. Deshalb brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Schutzwall, damit die Einschränkungen endlich enden können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Deshalb begrüße ich auch, dass wir zeitnah eine fraktionsoffene Debatte zur allgemeinen Impfpflicht führen werden.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, lassen Sie mich zum Abschluss noch sagen: Mit Blick auf den Gesetzentwurf werden sich viele fragen, warum die angekündigte Prämie für Pflegekräfte noch nicht enthalten ist. Ich kann Ihnen versichern, dass wir als Ampelkoalition schnell dafür sorgen werden, dass Pflegekräfte und insbesondere die hochbelasteten Kräfte in der Intensivpflege eine solche Prämie für den enormen Einsatz erhalten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Wir wissen, ein Bonus kann kein wirklicher Ausgleich sein für die beschwerliche Arbeit und den Einsatz für andere Menschen. Aber es soll ein Ausdruck der Wertschätzung sein und es soll allen Pflegenden zeigen: Für uns ist es nicht selbstverständlich, was geleistet wird. Wir sehen die Beschäftigten unter teilweise schwierigsten Bedingungen über ihre Grenzen gehen, um anderen zu helfen.
(Beifall der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Deshalb werden wir die Prämie in enger Abstimmung mit allen Beteiligten – Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Gewerkschaften – so gerecht und transparent wie möglich gestalten. Hier geht Sicherheit vor Schnelligkeit. Aber ich kann Ihnen sagen: Sie können sich darauf verlassen, dass wir die gesetzliche Regelung sofort zu Beginn des nächsten Jahres anpacken und dafür sorgen, dass die Prämien so schnell wie möglich ausgezahlt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir bringen heute das Gesetz zur Impfprävention ein. Es wird ein sehr komprimiertes Verfahren, das wir mit Fristverkürzung – auch dank der Zustimmung von Teilen der Opposition – noch in dieser Woche zum Abschluss bringen wollen. Lassen Sie uns inhaltlich um die Details ringen, aber mit dem festen Willen, Corona mit vereinten Kräften zu besiegen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Stephan Stracke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Retrieved from | http://dbtg.tv/fvid/7532539 |
Electoral Period | 20 |
Session | 4 |
Agenda Item | Impfprävention gegen COVID-19 |