Thorsten FreiCDU/CSU - Impfprävention gegen COVID-19
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am 25. März des letzten Jahres die epidemische Lage nationaler Tragweite hier im Bundestag beschlossen, wir haben sie bestätigt am 18. November letzten Jahres, und wir haben sie wieder bestätigt im März, im Juni, im August,
(Marianne Schieder [SPD]: Eine neue Platte wäre auch mal gut!)
und das Ganze bei Inzidenzen von 61, von 69, von 139 und im letzten Sommer, im August, von 19. Jedes Mal hat die SPD-Fraktion, Frau Schieder, mitgestimmt und das unterstützt.
(Marianne Schieder [SPD]: Wir sind auch vernünftig!)
Deswegen stelle ich mir schon die Frage, warum Sie in einer Situation, in der wir – heute – eine Inzidenz von 432,2 und insgesamt 103 000 Tote zu beklagen haben, auf die Idee kommen, dass eine epidemische Lage nationaler Tragweite nicht mehr vorliegt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Frau Dittmar, Sie haben vorhin eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Bekämpfung der Epidemie angesprochen. Wir sind ja dazu bereit; wir könnten jetzt die epidemische Lage beschließen.
(Sabine Dittmar [SPD]: Mit Maßnahmen bekämpft man die Pandemie!)
Sie würde dann nicht am Freitag in Kraft treten, sondern sie würde heute in Kraft treten. Und damit würden wir den Ländern die Instrumente geben, die sie sich wünschen, wie sie Ihnen jeden Tag, zuletzt am Nikolaustag, geschrieben haben. Also, ganz offensichtlich sind die Landesregierungen und Ministerpräsidenten mit dem, was sie haben, nicht so zufrieden, wie die Ampelfraktionen es gerne glauben machen möchten.
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Söder kriegt gar nichts auf die Kette! – Marianne Schieder [SPD]: Der Söder will nur vertuschen, dass er nichts geschafft hat!)
– Entschuldigung, ich gehe gerne auf Ihre Zwischenrufe ein. Ich will Ihnen Folgendes sagen: Natürlich anerkennen wir, dass Sie, noch bevor Sie einen Bundeskanzler gewählt haben, Gesetze korrigieren, die Sie in den letzten Wochen gemacht haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das spricht für Intelligenz!)
Ganz im Ernst: Wir sind auch dankbar dafür, und zwar im Sinne der Menschen in diesem Land, dass Sie auf Ihrem Weg Stück für Stück umkehren. Wir waren auch dankbar dafür, dass Sie in der letzten Sitzungswoche auf 65 Seiten Änderungsanträge eingebracht haben, durch die wir das Gesetz, das Sie gemacht haben, etwas besser gemacht haben.
(Zuruf der Abg. Sabine Dittmar [SPD])
Liebe Frau Dittmar, wir reichen Ihnen auch gerne die Hand. Wissen Sie, unsere Aufgabe ist nicht, Ihnen als Claqueur hinterherzulaufen. Unsere Aufgabe ist, auf die Schwächen hinzuweisen, die das Gesetz aufweist, das Sie uns vorlegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber das bedeutet nicht, dass wir nicht konstruktiv damit umgehen.
Ich will Ihnen gerne sagen, wo Sie Probleme haben: Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf beispielsweise: Wir lassen die Regelungen, die die Länder vor dem 25. November beschlossen haben, nicht bis zum 15. Dezember, sondern bis zum 15. Februar laufen. – Das ist ja der richtige Ansatz, das geht in die richtige Richtung; aber es ist das Gleiche wie bei den anderen Punkten: too little too late. Dann sind wir mitten im Winter. Denken Sie an den letzten Winter: Da haben wir die schweren Maßnahmen bis in den Juni hinein gehabt. Das heißt, der 15. Februar reicht nicht aus, Sie brauchen den 31. Mai oder dergleichen. Das würde die Sache letztlich rund machen.
Herr Frei, Entschuldigung, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der AfD-Fraktion, vom Kollegen Hilse?
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Frei, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade ausgeführt, dass die epidemische Lage bei einer Inzidenz – unabhängig davon, wie man die bewertet – von 19 und einmal auch 10 verlängert wurde. Ich habe an dem Tag – das war, glaube ich, im Juni – einer SPD-Rednerin – ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern; ist auch nicht so wichtig – eine Frage gestellt, die ich Ihnen jetzt auch stellen möchte: Bei welchen Voraussetzungen würden Sie, Herr Frei oder die CDU/CSU-Fraktion, die epidemische Lage von nationaler Tragweite nicht mehr verlängern? Das gilt natürlich auch für die Maßnahmen, die mit diesem Gesetz beschlossen werden: Bei welchen Daten – Inzidenz, Krankenhausbelegung usw. usf. – würden Sie sagen: „Okay, jetzt sind wir in einer Situation, in der die Grundrechte nicht mehr eingeschränkt werden müssen“?
Herr Kollege Hilse, ich würde immer dazu raten, sich an das geltende Gesetz zu halten.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)
In § 5 des Infektionsschutzgesetzes gibt es eine sogenannte Legaldefinition, unter welchen Voraussetzungen eine epidemische Lage nationaler Tragweite vorliegt. Da steht drin, dass eine epidemische Lage dann vorliegt, wenn eine ernsthafte Gefahr für das gesamte öffentliche Gesundheitswesen in Deutschland besteht, weil die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite festgestellt hat oder die ernsthafte Gefahr der Ausbreitung einer ansteckenden, einer übertragbaren schweren Krankheit über mehrere Länder in Deutschland in Rede steht. Diese Voraussetzungen liegen heute vor. Das habe ich anhand der Inzidenz, anhand der Todesfälle, anhand der Hospitalisierungsrate gezeigt. Diese Situation ist gegeben. Wir sind derzeit in einer Situation, in der das Gesundheitswesen an der Belastungsgrenze angekommen ist. Es geht darum, die Steuerungsfähigkeit in dieser Krise nicht zu verlieren. Deswegen sind wir der Auffassung, dass die epidemische Lage vorliegt
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und dass auf dieser Grundlage die Bundesregierung und die Landesregierungen in der Lage sein müssen, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu ergreifen.
In den Reden der Koalitionsfraktionen höre ich das ja auch. Sie kommen nur zu den falschen Schlussfolgerungen. Sie reparieren und reparieren und reparieren und werden damit letztlich den Notwendigkeiten in unserem Land nicht gerecht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das hat nichts mit Regierungsverantwortung zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Jetzt will ich gerne noch sagen, was aus unserer Sicht in jedem Fall besser werden muss. Ich habe von der Übergangsfrist gesprochen. Ich möchte zum Zweiten die vorgesehene Länderöffnungsklausel in Absatz 8 des § 28a Infektionsschutzgesetz ansprechen. Sie trauen den Ländern nicht zu, dass sie ähnlich gute Entscheidungen treffen wie wir. Die Landtage, die diese Entscheidungen zu treffen hatten, sind nicht schlechter und nicht weniger geeignet als der Deutsche Bundestag. Trauen Sie den Ländern im Föderalismus etwas zu. Sie können es; sie haben es in der Vergangenheit bewiesen.
(Zuruf der Abg. Sabine Dittmar [SPD])
Deswegen ist es unanständig, diese Länderöffnungsklausel mit Einschränkungen zu versehen, mit Hemmnissen zu versehen. Im Übrigen kritisieren das auch Ihre Ministerpräsidenten. Hören Sie doch am besten einmal zu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte auf einen Punkt eingehen, den die Kollegin Baehrens angesprochen hat. Sie hat auf die sektorale Impfpflicht für Menschen, die mit besonders gefährdeten Menschen zusammenarbeiten, hingewiesen. Sie haben recht. Das gilt aber nicht nur für Kranken- und Pflegeheime, das gilt nicht nur mit Blick auf alte Menschen. Schauen Sie sich mal die Inzidenz bei den Kindern an: Bei den 5- bis 9-Jährigen liegt die Inzidenz bei 552, bei den 10- bis 14-Jährigen bei 1 066. – Das sind die höchsten Inzidenzen. Warum gibt es nicht auch eine bereichsspezifische Impfnachweispflicht für diejenigen, die in Kindergärten und in Schulen arbeiten? Das wäre eine schlüssige Politik. Sie sind nicht bereit dazu.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Janosch Dahmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532547 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 4 |
Tagesordnungspunkt | Impfprävention gegen COVID-19 |