Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Impfprävention gegen COVID-19
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Fehler einzugestehen, das zeugt von Größe. Fehler einzugestehen, das ist im privaten Bereich schon nicht leicht, und auch und gerade in der Politik ist es besonders schwer. Insofern, finde ich, kann man die Ampel an dieser Stelle durchaus einmal loben, dass sie erkannt hat, dass sie uns, dass sie dem Deutschen Bundestag ganz am Anfang einen völlig unzureichenden Instrumentenkasten vorgelegt hat,
(Beifall bei der CDU/CSU)
dass sie erkannt hat, dass auch die Nachbesserungen, die sie vorgenommen hat, jetzt nicht ausreichen, dass wir zum wiederholten Male hier im Deutschen Bundestag darüber diskutieren, wie wir das Infektionsschutzgesetz so gestalten können, dass wir die Pandemie effektiv bekämpfen können.
(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und insofern mache ich Ihnen persönlich auch gar keinen Vorwurf, dass Sie Fehler gemacht haben. Fehler machen, das ist menschlich, das kann immer vorkommen, auch in der Politik. Ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf, dass Sie erst auf den massiven öffentlichen Druck und auch auf den massiven Druck hin, den wir als CDU/CSU-Fraktion Ihnen hier aus dem Parlament heraus gemacht haben, erkannt haben, dass Sie handeln müssen. Das mache ich Ihnen alles nicht zum Vorwurf.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was ich Ihnen aber zum Vorwurf mache, ist, dass Sie auf halber Strecke stehen bleiben. Sie bleiben auf halber Strecke stehen! Die Feststellung der epidemischen Lage, das ist das Instrument der Wahl, und Sie wissen das auch. Alle Ihre Redner haben die Inzidenzzahlen, die Hospitalisierungsraten und viele Dinge mehr genannt, die ganz klar besagen: Wir haben eine epidemische Notlage. – Und das wäre das Instrument der Wahl, um den Ländern die notwendige Flexibilität zu geben, um die Pandemie effektiv zu bekämpfen. Aber Sie trauen sich nicht, diesen Schritt zu gehen. Das müssen Sie sich ankreiden lassen. Das ist ein Fehler, den Sie hier an dieser Stelle machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch wenn man sich anschaut, was Sie jetzt in § 28a Absatz 8 Infektionsschutzgesetz nachbessern: Auch da bleiben Sie auf halber Strecke stehen: Fitnessstudios können weiter offen bleiben, Schwimmhallen bleiben weiterhin geöffnet, Versammlungen bleiben weiter möglich, Reisen können nicht eingeschränkt werden, bleiben weiter möglich, Übernachtungsmöglichkeiten bleiben weiter bestehen. Es gibt auch keine Ausgangsbeschränkungen. Auch bei den Schulen! Natürlich will kein Mensch, dass wir Schulen schließen.
Aber ich kann nur sagen: Wir haben jetzt eine neue Variante, Omikron. Und wir wissen noch nicht, wie die weiteren Ergebnisse der Studien sein werden. Aber wir sehen eben, dass die Hospitalisierungsraten bei kleinen Kindern jetzt schon besonders hoch sind.
An dieser Stelle will ich dem Kollegen Lauterbauch zu seiner neuen Position natürlich sehr viel Glück wünschen. – Ja, da können Sie den Daumen hoch machen. Warten Sie: Ich habe Sie in den vergangenen Reden hier immer angesprochen, weil ich Sie persönlich schätze und auch Ihre Meinung immer schätze, weil Sie immer sehr klar und deutlich gesagt haben: Was ist notwendig, um diese Pandemie effektiv zu bekämpfen?
Sie haben sich in der Fraktion nie durchsetzen können. Ich hoffe, das wird jetzt als Bundesgesundheitsminister anders. Sie haben aber, Herr Lauterbach, jetzt gerade bei „Anne Will“ gesagt, Sie schließen einen Lockdown nicht aus. Das, was Sie uns jetzt hier als Rechtsgrundlage geben, schließt einen Lockdown aus, weil dieser dann nämlich nicht mehr möglich sein wird.
Deswegen finde ich: Wir sind in einer Phase der Pandemie, wo niemand von uns vorhersehen kann, wie es in den nächsten Wochen weitergeht. Niemand von uns will einen Lockdown. Niemand will Schulen schließen. Niemand will Ausgangsbeschränkungen. Wir alle wissen aber nicht, wie es weitergeht. Deswegen geht es doch darum, jetzt einen möglichst breiten Instrumentenkasten zu haben, damit die Länder zielgenau und effektiv die Gesundheit und auch die Freiheit der Menschen schützen können. Darum geht es, und das machen Sie als Ampel nicht. Das müssen Sie sich ankreiden lassen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Luczak, ich habe jetzt mehrere Wortmeldungen, eine von Frau Haßelmann aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Möchten Sie sie zulassen?
Immer gerne.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank auch, Herr Kollege Luczak, für die Möglichkeit, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. – Ich möchte Sie fragen, wann Sie mit dieser Geschichte endlich aufhören. Angesichts der dramatischen Lage, die wir haben, sowohl auf den Intensivstationen als auch für die Betroffenen als auch bei der Unterversorgung, beim Boostern und angesichts all der Probleme, die da sind, wissen Sie doch, dass die Frage, ob hier eine Rechtsnorm zur Feststellung der epidemischen Lage verabschiedet wird oder nicht, überhaupt keine Relevanz hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Wann hören Sie endlich auf mit dieser Geschichte? Das ist meine erste Frage.
Diese verbinde ich mit dem Hinweis darauf, dass Sie meinen – ich habe das letztes Wochenende schon gesehen, da stiegen Sie ja in den sozialen Netzwerken in eine Debatte dazu ein –, der arme Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, hätte nicht verhindern können, dass sich im Kölner Fußballstadion 50 000 Fans ohne Maske versammelt haben und dass sich beim Kölner Karneval 25 000 Menschen im Straßenkarneval versammelt haben.
Wann hören Sie auf, den Menschen solche Geschichten zu erzählen? Alles war rechtlich möglich. Dafür braucht es diese Gesetzesänderung nicht. Allein der Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen – zum Beispiel – hatte nicht das Kreuz, das zu veranlassen. Das war der Punkt. Hier braucht es eine Änderung, und das Parlament entscheidet.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Liebe Frau Kollegin Haßelmann, vielen Dank für die Zwischenfrage. Ich möchte Sie zurückfragen:
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wann hören Sie auf, den Menschen, die uns jetzt zuhören, zu verkaufen, dass das, was Sie uns hier vorlegen, völlig identisch sei mit dem, was wir bei Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite tun könnten?
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Behauptet doch gar keiner!)
Das ist nicht so. Hören Sie auf, den Menschen Märchen zu erzählen.
Natürlich – das ist richtig – hätten die Ministerpräsidenten an vielen Stellen mehr machen können.
(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Ah! – Marianne Schieder [SPD]: Da schau her! – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Geht doch!)
Das hat auch nie jemand bestritten. Aber wir reden doch jetzt über eine Vorlage, die Sie uns hier als Ampel präsentieren.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stellen Sie doch einen Antrag!)
Und ich habe genannt, was eben nicht mehr möglich ist, wenn Sie die epidemische Lage von nationaler Tragweite nicht wieder aktivieren: Es ist so, dass die Fitnessstudios offen bleiben; die können Sie nicht schließen. Sie können auch nicht die Schwimmhallen schließen. Sie können viele andere Dinge nicht tun. Mit der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wäre dies möglich gewesen.
Noch einmal: Niemand von uns will das, niemand will den Lockdown. Aber Sie hören ja nicht einmal auf den designierten Bundesgesundheitsminister. Die Menschen vertrauen ihm. Sie vertrauen auf seine Aussagen zu notwendigen Maßnahmen in der Pandemie. Wenn Sie auf ihn schon nicht hören und hier etwas vorlegen, was all diese Maßnahmen ausschließt, dann ist das nicht glaubwürdig. Deswegen muss ich Ihre Frage einfach zurückweisen. Das ist nicht in Ordnung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Luczak, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Frage, von Herrn Sichert aus der AfD-Fraktion. Lassen Sie die zu?
Nee, von der AfD-Fraktion haben wir viel zu viel gehört.
(Widerspruch bei der AfD)
Dann gibt es noch eine Frage von Herrn Lauterbach. Lassen Sie diese Frage zu?
Immer sehr gerne, Herr Lauterbach.
(Zuruf von der AfD: Das ist ja unglaublich!)
Vielen Dank erst mal, Herr Luczak, für die großzügige Bewertung der Arbeit, die wir noch vor uns haben.
Sie haben darauf hingewiesen, dass ich in den sozialen Medien, in Referaten, in Talkshows gesagt habe, dass wir einen Lockdown nicht ausschließen können. Das ist tatsächlich die epidemiologische Bewertung. Im Moment sieht es nicht danach aus, aber es kann durchaus sein, dass die Omikron-Variante die Flucht vor den Impfstoffen mit einer schnelleren Verbreitung verbindet. Wenn diese Kombination stattfindet, was wir nicht hoffen, dann werden wir an einem weiteren Lockdown nicht vorbeikommen. So ist die Lage. Das ist einzuräumen.
Aber das Parlament – das müssen Sie doch zugeben; das ist auch meine Frage – hat doch darum gebeten, an diesen existenziellen Fragen mitarbeiten zu können. Daher werden wir diese Brücke erst überqueren, wenn wir dort angekommen sind, und zwar mit dem Parlament – wir alle gemeinsam –, aber nicht jetzt.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das ist aus meiner Sicht der Geist, mit dem wir hier vorgehen sollten. Wir sollten uns nicht gegenseitig über alle Maßen für Fehler kritisieren, die wir in der Pandemie gemacht haben. Das tue auch ich nicht. Ich könnte viel erzählen, aber ich tue es nicht. Wir müssen zusammenhalten, aber wir dürfen die Bürger nicht verunsichern, indem wir sagen, dass wir Instrumente für lange Zeit abgegeben hätten. Wenn wir diese Instrumente benötigen, dann werden wir sie hier im Parlament sofort einsetzen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zunächst einmal, Herr Kollege Lauterbach, bin ich ganz bei Ihnen, wenn es darum geht, dass wir gemeinsam die Pandemie bekämpfen müssen
(Zurufe von der FDP: Ah!)
und uns nicht gegenseitig Fehler vorhalten sollten. Allerdings gehört es zu unserer Aufgabe als Opposition hier im Deutschen Bundestag, dass wir darauf hinweisen, wenn Sie erneut Fehler machen.
(Marianne Schieder [SPD]: Sie müssen Haare in der Suppe suchen!)
Ich habe darauf hingewiesen, dass das, was die Ampel uns zunächst vorgelegt hat, ein völlig unzureichender Gesetzentwurf war. Das haben Sie erkannt, und dann haben Sie im Gesetzgebungsverfahren – es ist hier darauf hingewiesen worden – über 60 Seiten Änderungsanträge eingebracht.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)
Jetzt, zwei Wochen später, stehen wir wieder hier am Pult und reden wieder darüber, dass nachgebessert werden muss. Da glaube ich schon, dass die Leute draußen wissen müssen, wie die Ampel an dieser Stelle vorgeht.
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau! Das schafft Verunsicherung!)
Ich will schon noch mal sagen – Sie sagen es ja jetzt selber –: Einen Lockdown können wir nicht ausschließen. Und Sie sagen, wir müssten das Parlament daran beteiligen. Da bin ich auch ganz bei Ihnen. Aber was ist denn der Fall? Wer beschließt denn die epidemische Lage von nationaler Tragweite? Das sind doch nicht die Länder. Das ist das Parlament, das ist der Deutsche Bundestag; wir sind es, die das beschließen.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau!)
Deswegen sagen wir: Wir wollen vorbereitet sein, wenn das eintritt, was Sie jetzt skizzieren, nämlich dass Omikron eine höhere Ansteckung hat und dass möglicherweise die Impfstoffe nicht mehr wirken. Das können wir heute alles noch nicht sagen. Es kann aber sein, dass wir das in zwei oder drei Wochen wissen und dass die Zahlen dann hochgehen. Uns geht es darum, dass wir darauf vorbereitet sind.
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau so ist es!)
Noch einmal – damit will ich mit einem wirklich weit verbreiteten Vorurteil aufräumen –: Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Trageweite bedeutet als solche erst mal gar nichts. Damit ist kein Grundrechtseingriff verbunden – überhaupt nicht –, sondern es obliegt dann den Ländern, schnell, effektiv und natürlich auch verhältnismäßig zu handeln. Aber sie müssen es können, und darum gilt es, diesen Instrumentenkasten möglichst zu erweitern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen: die Impfpflicht. Ich finde es gut und richtig, dass jetzt eine einrichtungsbezogene Impfpflicht kommt, dass wir die jetzt installieren.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, endlich gibt es mal eine Aussage!)
Ich persönlich glaube aber: Wir dürfen da nicht stehen bleiben. Wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
weil wir nach heutigem Stand 15 Millionen Erwachsene in unserem Land haben, die ungeimpft sind. Wenn wir nicht zu einer höheren Impfquote kommen – wir wissen alle: Impfen ist der Weg aus der Pandemie –,
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
dann werden wir immer neue Wellen haben. Wir werden neue Mutationen haben, wir werden neue Freiheitseinschränkungen haben, und wir werden auch überlastete Intensivstationen haben. Deswegen, finde ich, dürfen wir bei dieser Debatte nicht nur den Blick auf die Freiheit der Ungeimpften legen, sondern wir müssen auch auf die Gesundheit und auf die Freiheit der Geimpften gucken, die wir jetzt durch neue Maßnahmen immer wieder massiv beschränken müssen.
Ich glaube, die Abstimmung über den Gesetzentwurf der Ampel ist keine Gewissensfrage, sondern Sie kaschieren mit einem durchsichtigen politischen Manöver, dass Sie keine eigene Mehrheit in der Ampel haben. Deswegen sage ich, an den designierten Bundeskanzler Herrn Scholz gerichtet: Sie haben mal gesagt, wer Führung bestellt, der bekommt Führung. – Dann führen Sie und legen Sie hier einen Gesetzentwurf vor. Zeigen Sie, dass Sie handeln können, und ducken Sie sich nicht hinter einer Gewissensentscheidung des Parlamentes weg.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Sichert aus der AfD-Fraktion.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532554 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 4 |
Tagesordnungspunkt | Impfprävention gegen COVID-19 |