Michael HennrichCDU/CSU - Patente für Impfstoffe, Therapeutika und Tests
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute erneut einen Antrag der Linken zur Freigabe von Patenten für Impfstoffe, Therapeutika und Testungen.
Das letzte Mal haben wir das Thema im Mai dieses Jahres beraten. Ich kann mich noch relativ gut an die Woche erinnern. Es entstand unheimlich viel Aufregung, als der amerikanische Präsident Biden zwei Tage vor unserer Debatte auch für die Freigabe der Patente plädierte. Mittlerweile ist ein halbes Jahr ins Land gegangen, und von Joe Biden hat man zu dem Thema nichts mehr gehört – im Gegensatz zu den Linken.
(Zurufe von der LINKEN)
Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, dass wir die Themen, die Probleme, aufarbeiten, die mit solch einer Patentfreigabe verbunden sind.
Sie führen zu Recht aus, dass die Pandemiebekämpfung weltweit erfolgen muss, und zwar nicht nur aus internationaler Solidarität, sondern auch, damit die Maßnahmen zum Infektionsschutz hier in Deutschland und in Europa nicht zu einer Daueraufgabe werden. Das zeigt auch die Omikron-Variante sehr deutlich.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Linken, das Kernproblem sind die fehlenden Produktionsstätten.
(Beifall der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])
Es handelt sich hier um eine neue Variante, um ein neues Molekül; es gibt keinerlei Erfahrung in diesem Bereich. Deswegen glaube ich, dass das Problem mit der Freigabe des Patentes nicht gelöst ist. Vielmehr müssen wir zusehen, dass wir die Expertise, die damit verbunden ist, das Know-how des Patentinhabers auf freiwilliger Basis weitergeben.
Da hat BioNTech Vorbildliches geleistet in den letzten Wochen und Monaten. Ich verweise zum Beispiel darauf, dass es im Juli dieses Jahres eine Vereinbarung zwischen Pfizer und BioNTech mit dem südafrikanischen Hersteller Biovac gab, Produktionsstätten in Afrika aufzubauen und 55 Länder der Afrikanischen Union mit Impfstoff zu versorgen.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vogler?
Ja.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Frau Vogler, Sie haben doch gerade eben schon alles erzählt, was nicht stimmt!)
Wenn wir wirklich in die Tiefe gehen wollen, was der Kollege Hennrich hier ja offensichtlich versucht, dann müssen wir ein paar Details hinzufügen. – Mich würde interessieren, wie die CDU/CSU-Fraktion die Tatsache bewertet, dass BioNTech/Pfizer es der Bundesregierung zum Beispiel nicht einmal erlaubt hat, bereits bezahlte Impfdosen an die ärmeren Länder der Welt zu verschenken.
Wie bewerten Sie es, dass die Covax-Fazilität eigentlich bis Ende nächsten Jahres verfügbaren Impfstoff für 20 Prozent der Weltbevölkerung in Aussicht gestellt hat, aber bisher überhaupt nicht in der Lage ist, das zu garantieren? Wie bewerten Sie es, dass mit staatlichen Geldern, also mit Steuergeldern, die die Aldi-Kassiererin und der Busfahrer von ihrem Lohn abgezogen bekommen, Produktionsstätten gefördert werden, während der Ertrag trotzdem vollständig in den Taschen der Unternehmenseigner oder der Aktionäre und Aktionärinnen landet?
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist doch vollkommen ungerecht. Diese schreiende Ungerechtigkeit muss einen als christlicher Mensch doch aufregen.
Wie bewerten Sie es, dass Deutschland eines der letzten Länder ist, das den TRIPS Waiver bei der Welthandelsorganisation blockiert? Warum schließen Sie sich nicht den vielen Stimmen an, die fordern, die Patente zeitlich begrenzt für den Fall der Pandemie aufzuheben? Denn genau für diese Situation ist der TRIPS Waiver, also die Möglichkeit, in das geistige Eigentum einzugreifen, in den Vertrag der Welthandelsorganisation geschrieben worden. Das ist genau diese Situation. Wenn wir es jetzt nicht anwenden: Warum sollten sich die Entwicklungsländer künftig noch an all die anderen Regelungen zum Vorteil der Industriestaaten, die im TRIPS-Abkommen auch vereinbart sind, halten wollen, –
Frau Kollegin.
– wenn sie merken, dass die wenigen Regeln, die zu ihren Gunsten sind, von uns nicht akzeptiert werden?
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Vogler, zwei kurze Antworten dazu:
Erste Antwort. Wir haben geregelt, dass die Impfstoffverteilung über die Covax-Initiative erfolgt. Daran hält sich die Bundesrepublik.
Zweite Antwort. Noch mal: Das Aussetzen der Patente löst kein Problem. Der Impfstoff von BioNTech braucht 50 000 Verfahrensschritte zur Herstellung. Das setzt ein unglaubliches Know-how voraus. Dieses Know-how fehlt bei dieser neuen Technologie. Deswegen ist es besser, wenn wir auf Freiwilligkeit setzen und die Firmen zur Zusammenarbeit motivieren; ich habe das gerade in Bezug auf BioNTech ausgeführt. Das ist der Weg, um die Probleme zu lösen.
Ich will in diesem Zusammenhang noch mal sehr deutlich darauf hinweisen, dass die Unternehmen ihrer globalen Verantwortung gerecht werden. Ich habe gerade versucht, auszuführen, dass BioNTech eine Vereinbarung mit der südafrikanischen Firma Biovac getroffen hat, um Produktionsstätten aufzubauen. Was ganz wichtig ist: BioNTech und Pfizer haben sich verpflichtet, diesen Impfstoff zum Selbstkostenpreis abzugeben. – Das zeigt sehr deutlich, dass die Unternehmen ihrer globalen Verantwortung gerecht werden.
Vielleicht ist in der Tat die Feststellung richtig: Mit der Covax-Initiative allein lösen wir die Probleme nicht. – Insofern bin ich der letzten Koalitionsregierung und insbesondere Gesundheitsminister Jens Spahn dankbar, dass er die CEPI-Initiative auf den Weg gebracht hat, die dafür sorgt, dass wir Produktionskapazitäten aufbauen, um in Zukunft für solche Pandemien besser gerüstet zu sein. Auch die Europäische Union geht mit dem Projekt HERA in die richtige Richtung.
Unser Ziel muss es sein, dass wir Produktionskapazitäten schaffen, dass wir die Firmen motivieren, zusammenzuarbeiten und das Problem zu lösen. Mit dem Aussetzen der Patente streuen Sie nur zusätzlich Sand ins Getriebe. Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, löst keines der Probleme, die wir momentan haben. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Hennrich. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Janosch Dahmen, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532648 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 6 |
Tagesordnungspunkt | Patente für Impfstoffe, Therapeutika und Tests |