09.12.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 6 / Zusatzpunkt 1

Martina Stamm-FibichSPD - Patente für Impfstoffe, Therapeutika und Tests

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, über das wir gerade debattieren, ist entgegen allen anfänglichen Hoffnungen leider zu einem Dauerbrenner in dieser Pandemie geworden. Bereits kurz nach der Coronapandemie war uns allen klar, dass wir dieses Virus nur global besiegen können.

Dazu gehört eben auch, dass wir gemeinsam daran arbeiten, allen Menschen auf der Welt möglichst schnell den Zugang zu einer Impfung gegen Covid-19 zu ermöglichen. Die Frage nach dem gleichen Zugang zur Impfung gegen das Coronavirus ist daher nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine Frage der effektiven Pandemiebekämpfung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Wahrheit gehört leider aber auch, dass rund zwei Jahre nach dem Beginn der Pandemie eine riesengroße Impflücke zwischen den reicheren und den einkommensschwächeren Staaten der Welt klafft. Während die Impfquoten in Europa bei rund 70 Prozent liegen, liegt die Impfquote trotz aller internationaler Anstrengungen und Initiativen in den Ländern der Afrikanischen Union gerade einmal bei rund 5 Prozent. In anderen Staaten mit niedrigem Einkommen sieht die Lage nicht unbedingt besser aus.

Von einer flächendeckenden Durchimpfung der Weltbevölkerung sind wir meilenweit entfernt. Die Ausbildung von Fluchtmutationen wie aktuell der Omikron-Variante ist deshalb kein Zufall – im Gegenteil: Sie war abzusehen. Wir dürfen die Augen vor dieser Gefahr nicht länger verschließen. Es ist ein Fehler, wenn wir uns auf die Erhöhung der Impfquoten hierzulande beschränken. Die globale Gemeinschaft muss mehr tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben im Rahmen der Pandemie immer auf gemeinschaftliche Lösungsansätze gesetzt. Bereits jetzt ist Deutschland einer der wichtigsten Partner des Globalen Südens, wenn es um die Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus geht. Deutschland hat als Geberland die Covax-Initiative mit über 1 Milliarde Euro unterstützt, und wir spenden bis Ende dieses Jahres Millionen von Impfdosen an andere Stellen.

Dieses Engagement müssen wir in der neuen Ampelkoalition fortführen und weiter ausbauen; denn wir sehen natürlich auch, dass sich Covax nicht so entwickelt hat, wie wir uns das erhofft haben. Bis Anfang Dezember hat Covax lediglich 644 Millionen der 5,5 Milliarden vertraglich zugesicherten Impfdosen an 144 Empfängerländer ausgeliefert, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist viel zu wenig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Initiative leidet insbesondere darunter, dass sie nach wie vor nicht richtig ausfinanziert ist. Hinzu kommen nicht eingehaltene Lieferzusagen der Hersteller, Produktionsprobleme und lokale Exportbeschränkungen, wie wir sie leider beispielsweise in Indien hatten. Viele der genannten Probleme lassen sich nicht durch die Aufhebung des Patentschutzes lösen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich behaupte nicht, dass eine Lockerung des Patentschutzes für Coronaimpfstoffe nichts bringen würde. Wir müssen alle möglichen Maßnahmen in der neuen Koalition offen diskutieren. Aber es muss auch allen klar sein: Die Lockerungen des Patentrechts sind keine Garantie dafür, dass der Zugang zu Impfstoffen für alle Staaten in Zukunft einfacher wird.

Bereits jetzt sehen wir ein enormes Wachstum im Bereich der weltweiten Produktionskapazitäten für Coronaimpfstoffe. UNICEF schätzt, dass die weltweite Impfstoffproduktion bereits dieses Jahr die 10-Milliarden-Marke überschreiten wird. Bis Mitte des nächsten Jahres wird die Produktion aller Wahrscheinlichkeit nach die 22-Milliarden-Marke überschreiten. Demgegenüber steht eine Weltbevölkerung von etwa 7,9 Milliarden. Die große Frage, die am dringendsten beantwortet werden muss, lautet also: Wie können wir es schaffen, die vorhandenen Impfstoffe global gerecht zu verteilen? Bei der Beantwortung dieser Frage hilft die Aufhebung von Patenten nur indirekt weiter.

Wir müssen zudem auch Folgendes bedenken: Die alte Bundesregierung war mit ihrer ablehnenden Haltung gegen die TRIPS-Initiative von Südafrika und Indien nicht alleine. Selbst wenn wir uns jetzt für die Unterstützung des TRIPS Waiver starkmachen, ist damit noch nichts gewonnen. Wir sollten uns deshalb nicht darauf versteifen, Verteilungsprobleme allein durch die Aufhebung von Patenten lösen zu wollen. Es macht Sinn, sich neben dieser Diskussion, die zweifelsohne geführt werden muss, besonders darauf zu konzentrieren, die aktuelle Bestell- und Verteilpraxis zu überdenken und für die Impfung notwendige Strukturen in den Covax-Zielländern zu verbessern und zu unterstützen.

Wir bleiben an diesem Thema dran, und wir werden noch viel dazu arbeiten müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Stamm-Fibich. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stephan Pilsinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532652
Wahlperiode 20
Sitzung 6
Tagesordnungspunkt Patente für Impfstoffe, Therapeutika und Tests
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