Alexander Graf LambsdorffFDP - Aktuelle Stunde - Truppenkonzentration russischer Streitkräfte an der Staatsgrenze der Ukraine
Ganz herzlichen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte beginnen mit einem Dank an die Kolleginnen und Kollegen von der Union, die hier in der ersten großen außenpolitischen Debatte der neuen Legislaturperiode die Hand gereicht haben zur Zusammenarbeit, zu Kontinuität. Ich finde das aller Ehren wert. Wir werden darauf eingehen bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, lieber Johann Wadephul.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte allerdings, lieber Johann, in diesem Zusammenhang einen Kritikpunkt, den du hier vorgetragen hast, gleich widerlegen.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Und zwar hast du ja infrage gestellt, ob es denn dieser Koalition gelingen werde, Kontinuität bei so absolut zentralen bündnispolitischen Fragen wie beispielsweise der nuklearen Teilhabe zu wahren. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich einmal aus dem Koalitionsvertrag, Thema „nukleare Teilhabe“:
Solange Kernwaffen … im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.
Das, meine Damen und Herren, war der Koalitionsvertrag 2013.
Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag 2018:
Solange Kernwaffen … im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.
Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich jetzt aus dem Koalitionsvertrag dieses Jahres, von 2021:
Solange Kernwaffen im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, mehr Kontinuität in einer so wichtigen bündnispolitischen Frage kann es kaum geben,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
und ich muss Ihnen sagen: Das ist genau das, worauf wir setzen: In den Kernpunkten der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wird es Kontinuität geben.
Aber, meine Damen und Herren, es wird auch Wandel geben; es wird Wandel auch in der Außenpolitik geben, genau deswegen, weil sich natürlich auch die Außenpolitik anderer Akteure wandelt. Nehmen wir bitte nur einmal die russische Außenpolitik dieses Jahres: Im April das große Manöver Sapad, viel größer als sonst. Östlich, nördlich, südlich der Ukraine große Truppenstationierungen: Kursk, Woronesch, Rostow. Im Juni dann der Gipfel Putin/Biden, Gott sei Dank. Wir dachten: Mensch, vielleicht wird es ein bisschen kooperativer. – Was passiert? Im September tauchen „Wagner“-Söldner in Mali auf, wo die Bundeswehr stationiert ist. Im Oktober erklärt die Russische Föderation den Abbruch der Beziehungen zur NATO. Im November hält Wladimir Putin Reden auf der Valdai-Konferenz und bei seinen Botschaftern und erklärt, er suche keinen Konflikt an der Westgrenze. Aber gleichzeitig sehen wir im November und Dezember erneut einen enormen Truppenaufwuchs, eine enorme Truppenkonzentration an der Staatsgrenze zur Ukraine.
Meine Damen und Herren, auf solche Situationen müssen wir eingehen. Es gibt in der russischen Außenpolitik diesen Satz: Wer nicht auf Lawrow hören will, der bekommt es mit Schoigu zu tun. – Also: Wer nicht auf den Außenminister hört, bekommt es mit dem Verteidigungsminister zu tun. – Das ist aber nicht als etwas zu verstehen, das nachgelagert, nacheinander passiert; das geschieht ja die ganze Zeit gleichzeitig. Die Russische Föderation – und das ist nicht unser Wunsch; aber das ist eine Realität, mit der wir umzugehen haben – setzt das Militär als außenpolitisches Instrument ein; genau das ist hier auch wieder der Fall.
Meine Damen und Herren, es ist nicht unser Wunsch, so zu operieren. Aber das bedeutet eines ganz klar – und damit sind wir wieder beim Thema Kontinuität; Kollege Nils Schmid hat es, wie ich finde, hervorragend gesagt –: Unsere gesamte Politik gegenüber der Russischen Föderation müssen wir im Bündnis machen, in der festen Verankerung des Westens. Von dort aus unterstützen wir die Ukraine, von dort aus versuchen wir, Entspannung zu erreichen. Deswegen ist es so wichtig, dass der Koalitionsvertrag auch beim Thema NATO so klar ist.
Und mir ist Folgendes wichtig: Als Willy Brandt Bundeskanzler war – er ist hier schon zitiert worden –, gab die Bundesrepublik 3,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Bundeswehr aus. 3,7 Prozent! Da werden wir nicht hinkommen wollen; aber, lieber Johann Wadephul, im Koalitionsvertrag steht klar drin: Wir wollen 3 Prozent für unsere internationale Politik ausgeben, auch um den in der NATO eingegangenen Verpflichtungen nachkommen zu können. – Also, ich glaube, dass auch hier unsere bündnispolitische Treue vollkommen klar ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Bei den 3 Prozent ist aber auch die Entwicklungszusammenarbeit dabei – 0,7 Prozent ODA-Quote –, und es ist eine Stärkung unserer Diplomatie dabei. Diplomatie ist ja genau das, womit wir jetzt gerade versuchen, die Lage zu entspannen. Die russisch-amerikanischen Konsultationen begrüße ich; aber was ich besonders begrüße, ist, dass die amerikanische Seite vor den Gesprächen mit Russland die NATO-Verbündeten, auch die Bundesrepublik Deutschland, so intensiv konsultiert hat, dass mit der Ukraine gesprochen worden ist, dass es heute ein Gespräch der Bukarest 9 mit den USA gibt. Man könnte glauben, man hat im Weißen Haus unseren Koalitionsvertrag gelesen; denn wir wollen die Russlandpolitik unter besonderer Berücksichtigung auch der Interessen unserer mittel- und osteuropäischen Partner gestalten. Das finden wir gut. Genau das ist unser Ziel, mit Diplomatie zur Deeskalation beizutragen – für die Unterstützung der Ukraine, für Frieden in Europa.
Herzlichen Dank meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich darf das Wort nunmehr erteilen Christian Petry von der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532668 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 6 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Truppenkonzentration russischer Streitkräfte an der Staatsgrenze der Ukraine |