Michael Georg LinkFDP - Regierungserklärung durch den Bundeskanzler
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren unmittelbar vor dem Beginn des Europäischen Rates, dem ersten des neuen Bundeskanzlers. Viele in Europa kennen den Politiker Olaf Scholz bereits, aber alle in Europa sind neugierig auf den neuen Kanzler und auf diese neue Koalition. Deshalb haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen bemüht, unseren europäischen Partnern klar und deutlich zu signalisieren, wie wir zu Europa stehen, welches Langfristziel wir formulieren und wie wir bezüglich Europas ticken.
Deshalb haben wir das ambitionierte Ziel aufgestellt, einen dezentral verfassten europäischen Bundesstaat erreichen zu wollen, föderal organisiert, entlang der Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Ein solcher Bundesstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist handlungsfähiger und krisenfester als die EU von heute, und er ist insbesondere auch das Gegenmodell, das ausdrückliche Gegenmodell zu einem Zentralstaat mit einer Art Kompetenzkompetenz, aber auch das Gegenmodell zu dem lockeren Staatenverbund, den wir heute haben, der immer auch unter der Gefahr des Zerfalls steht.
Also, es ist eine Langfristvision, es ist ein mutiges Projekt. Es ist beileibe noch nicht mehrheitsfähig, aber alle Visionen – sei es der Binnenmarkt, sei es die europäische Währung, selbst das Schengener Abkommen – haben damit begonnen, dass mutig vorausgedacht wird und man sich auf den langen Weg zum Ziel macht. Deshalb dieses klare Signal dieser Koalition, wohin wir wollen – in und für Europa.
(Beifall bei der FDP und der SPD)
Die Reformdebatte ist übrigens keine Beschäftigungstherapie, wie manche Kritiker sagen. Nein, das ist sie nicht. Das sind auch keine Sonntagsreden. Wir brauchen jetzt diese Weichenstellungen. Gerade die Zukunftskonferenz zeigt uns das. Über diese hätten wir übrigens gerne schon längst im Bundestag debattiert, was leider bisher noch nicht geklappt hat. Wir müssen auch da zeigen, wohin wir wollen. Es ist gesagt worden: mehr Außen- und Sicherheitspolitik, mehr Resilienz, mehr strategische Souveränität, aber bitte ohne dabei in Protektionismus zu verfallen. Auch das ist sehr wichtig.
Wenn wir mehr strategische Souveränität wollen – es ist heute erstaunlich wenig über Sicherheit und Verteidigung im engeren Sinne, also auch über die Bundeswehr, geredet worden –, dann wollen wir natürlich auch mehr Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Armeen. Wir als FDP wünschen uns, dass wir den Weg hin zu einer europäischen Armee gehen. Wir bleiben darüber in der Koalition im Gespräch.
Wir wollen diese neuen europäischen Sicherheitsstrukturen aber nicht auf Kosten der NATO aufbauen. Deshalb werden wir sehr genau darauf achten, dass beim strategischen Kompass der EU, der jetzt erarbeitet wird und der im März verabschiedet werden soll, die Interoperabilität, die Kompatibilität mit der NATO auf allen Ebenen und in allen Strukturen erhalten bleibt, ja sogar noch dort verstärkt wird, wo es heute zwischen EU-Strukturen und NATO-Strukturen teilweise ruckelt.
(Beifall bei der FDP)
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das müssen wir als Parlament einfordern.
Ich denke, wir sind mit diesem Koalitionsvertrag gut aufgestellt, in dem Sinne, dass wir klar und wirklich deutlich gegenüber unseren europäischen Partnern kommunizieren: mit einem klaren Bekenntnis für die Rechts- und Wertegemeinschaft der EU, für mehr strategische Souveränität, ohne uns transatlantisch abzukoppeln, und vor allem auch für eine global wettbewerbsfähige EU mit fairen Regeln.
Jetzt muss ich auf ein Thema zu sprechen kommen – Kollege Dobrindt hat es vorhin angesprochen –, weil es immer wieder aufkommt: die sogenannte Schuldenunion. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen allergrößten Wert darauf gelegt, noch einmal ausdrücklich auszusprechen, was der Europäische Rat beschlossen hat, nämlich die Einmaligkeit der Finanzierung von „Next Generation EU“. Da habe ich von der alten Regierung, die daran mitgebaut hat, teilweise ganz andere Töne gehört.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die Flexibilität des Stabilitäts- und Wachstumspaktes schreiben Sie rein! Was heißt denn das? Was meinen Sie damit?)
Nein, dieser Koalitionsvertrag spricht deutlich aus, was wir uns gemeinsam vorgenommen haben: solide Finanzen auch auf europäischer Ebene. Deshalb hat dieses Parlament – nicht nur die Regierung, sondern auch dieses Parlament – jetzt die Verantwortung, das einzuhalten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Warum sagen Sie denn dann nicht, was die Flexibilität ist, die Sie bei dem Stabipakt durchsetzen wollen?)
Vielen Dank, Herr Kollege Link. Punktlandung! – Nächster Redner ist der Kollege Lars Klingbeil, SPD-Fraktion und SPD-Vorsitzender.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532732 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 8 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung durch den Bundeskanzler |