Sebastian BrehmCDU/CSU - Stabilisierungsfondsgesetz, Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetz sollen die Coronahilfen für Unternehmen und die Stabilisierungsmaßnahmen bis 30. Juni 2022 verlängert werden. Das ist notwendig angesichts der weiter anhaltenden Pandemie. Wir werden insbesondere unsere Mittelständler in Deutschland hier nicht im Regen stehen lassen. Das ist selbstverständlich, übrigens auch in unserer neuen Rolle als Opposition. Deshalb stimmen wir heute diesem Gesetz zu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Immerhin ist es eine Verlängerung des von der CDU/CSU initiierten und eingeführten Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Coronabedingte Stabilisierungsmaßnahmen waren zunächst bis 31. Dezember 2021 begrenzt und werden nun richtigerweise bis 30. Juni 2022 verlängert. So weit ist alles okay. Aber drei Dinge machen mir große Sorgen.
Erstens. Die Beantragung der Hilfen wird nur bis zum 30. April genehmigt – keine Fristverlängerung, obwohl das Programm bis 30. Juni 2022 läuft. Das ist unsystematisch, liebe Kolleginnen und Kollegen, übrigens handwerklich falsch und zeugt davon, dass Sie nicht aus der Praxis kommen und wissen, welche Belastungen hier auf den Mittelstand zukommen, insbesondere weil auch im ersten Quartal 2022 die Schlussrechnungen für 2020 und 2021 vorgenommen werden müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverschämt! Woher nehmen Sie denn die Annahme?)
Zweitens. Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Sie die Schuldentilgung von 20 Jahren um weitere 16 Jahre auf 36 Jahre verlängern. Und Sie sprechen von nachhaltiger Haushaltspolitik! Das ist keine nachhaltige Haushaltspolitik, sondern belastet die nächsten Generationen maßgeblich.
(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen die Richtigen!)
Drittens – das macht mir die allergrößten Sorgen –: Niemand weiß, wie die Ampelkoalition dies finanzieren will. Es liegt kein Finanztableau vor. Die FDP hätte das übrigens in ihrer damaligen Rolle nie durchgehen lassen und sofort kritisiert. Heute kommt der Finanzminister von der FDP und legt kein Finanztableau vor; er macht also eine intransparente Haushaltspolitik. Herr Habeck wurde im ZDF gefragt und hat gesagt, ja, es gäbe wohl eine Finanzplanung, aber in der Tat hätte man die vielleicht offenlegen müssen. Gleichwohl: keine Offenlegung und kein Finanztableau.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer keine Offenlegung und keine transparente Haushaltspolitik macht, der hat etwas zu verschweigen – oder steht zumindest im Verdacht, etwas verschweigen zu wollen. Deswegen frage ich mich: Warum? Die Antwort ist ganz einfach: Sie wollen offiziell und offensichtlich mit der Nichtvorlage der Finanzplanung die Schuldenbremse umgehen. Der Kollege Dürr hat in der Diskussion im Bundestag gesagt: Es gibt keine Neuverschuldung. – In der Tat gibt es eine Neuverschuldung von 60 Milliarden Euro. Das ist die Wahrheit, und das müssen Sie auch in der Debatte sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unredlich!)
Was noch viel schlimmer ist: Sie ändern die Buchungsregeln für dieses Sondervermögen. Vereinfacht für die Bürgerinnen und Bürger heißt das: Das Geld in diesem Sondervermögen kann ohne Beteiligung des Haushaltsausschusses für alles andere verwendet werden, außer für die Coronamaßnahmen.
(Zuruf von der FDP: Alles Quatsch!)
Sie bunkern damit Geld im Haushalt für Wahlgeschenke 2023, 2024.
Wenn Ausgaben gemacht werden, muss der Haushaltsausschuss hier beteiligt werden. Das ist aus meiner Sicht eine Umgehung des Haushaltsrechts des Deutschen Bundestages, und das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen. Das muss verfassungsrechtlich geklärt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Kollege Brehm, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Fricke?
Selbstverständlich, gerne. Jawohl.
Herr Kollege Brehm, Sie sind mir als Regierungspolitiker wirklich immer als ein fachlich ausdifferenzierter Kollege erschienen. Das fand ich auch immer sehr gut, selbst wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Deswegen würde ich Sie gerne darauf hinweisen, dass Sie von zwei völlig verschiedenen Dingen reden, sie bewusst durcheinanderbringen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Erstens. Zu dem, was Sie bei diesem Gesetzentwurf hier kritisiert haben, die Frage des Auseinandergehens der Frist für die Antragstellung und des Zeitpunkts, bis zu dem der Fonds noch arbeitet, darf ich Sie darauf hinweisen, dass, wenn dem Wunsch der CDU gefolgt wird, die Antragspflicht bis Ende Juni fortzusetzen, Anträge, die Ende Juni eingehen, noch im Juli bearbeitet werden müssten. Dann werden Sie uns Ende Juni sagen, wir müssen aber den Fonds noch weiter verlängern; denn sie müssen bearbeitet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Zweitens. Herr Kollege Brehm, könnten Sie mir sagen, welchen Änderungsantrag dieser Art die CDU im Ausschuss oder hier im Plenum gestellt hat, um dies angeblich zu verhindern?
Drittens. Neue Schulden werden nicht gemacht; die Kreditermächtigung bleibt auf dem Niveau, auf dem sie ist. Im Haushalt streichen wir Kreditermächtigungen von 50 Milliarden Euro, und darüber hätten Sie reden können.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herzlichen Dank. Sie verlängern damit auch meine Redezeit. – Um es noch einmal zu erläutern: Erstens. Bisher war es immer so, dass die Antragsfristen auch mit der Laufzeit des Programms gleichlautend waren.
(Otto Fricke [FDP]: Das haben wir bewusst geändert!)
– Genau. – Das kürzen Sie jetzt bewusst, um die Unternehmer und diejenigen, die die Anträge bearbeiten müssen, noch mehr unter Druck zu setzen.
(Zuruf von der FDP: Also wollen Sie den Fonds verlängern?)
– Nein, eben nicht. Sie haben es doch verkürzt. 1. Januar bis 30. April ist kürzer als 1. Januar bis 30. Juni. Das ergibt sich doch schon alleine aus der Mathematik.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Insofern: Da werden Sie, glaube ich, nachbessern müssen. Es wird im Frühjahr dazu kommen, mit den Schlussabrechnungen, mit dieser großen Belastung des Mittelstands, dass Sie die Fristen verlängern müssen. Sie müssen dann nicht das Programm verlängern, aber die Beantragungsfristen müssen Sie verlängern.
Übrigens: Je mehr Sie die Antragsfristen verkürzen, desto mehr Schätzungen wird es geben, weil man das natürlich für den fünften und sechsten Monat schätzen muss, das heißt, desto mehr Unsicherheit gibt es im deutschen Mittelstand auch bei der Schlussabrechnung und Rückzahlung. Sie gehen das bewusst ein. Wir haben das diskutiert. Wir haben das auch in der ersten Lesung angesprochen; aber Sie wollten hier keine Änderung vornehmen. Also macht es letztlich auch gar keinen Sinn, jetzt einen Antrag zu stellen, wenn man weiß, dass Sie ihn eh ablehnen.
(Lachen bei Abgeordneten der FDP – Reinhard Houben [FDP]: Dann hätten wir vier Jahre keine Anträge schreiben müssen, Herr Brehm!)
Also wenn, dann müssen Sie es schon einfach mit aufnehmen. Aber Sie werden es eh machen müssen. Das wird sich im Laufe der Zeit im Frühjahr auch ergeben.
Außerdem: Sie nehmen sehr wohl 60 Milliarden Euro neue Schulden auf, und Sie ändern sehr wohl die Buchungsregelung für dieses Sondervermögen. Also, das können Sie nicht bestreiten. Es liegt auch kein Finanztableau vor; das können Sie nicht bestreiten. Also machen Sie intransparente Haushaltspolitik, Sie zeigen uns nicht auf, wie Sie das letztendlich finanzieren, und Sie geben auch nicht in den Haushaltsausschuss, wie Mittel, die hier noch frei bleiben, dann ausgegeben werden. Das ist doch der Vorwurf. Das hätten Sie, wenn Sie in der damaligen Rolle gewesen wären, niemals durchgehen lassen.
Die Reden vom Kollegen Dürr, die Reden von Ihnen, die Reden von der gesamten FDP, vom Herrn Kollegen Lindner hätte ich eins zu eins heute hier halten können. Sie haben innerhalb von fünf Tagen eine komplette Kehrtwendung bei ihren finanzpolitischen, haushaltspolitischen Grundsätzen gemacht. Das ist die Wahrheit, und das muss man an einem solchen Tag leider auch einmal sagen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Summa summarum: Die Verlängerung wird kommen müssen, aus praktischen Gründen. Man wird aber diese Haushaltspraxis und diese Intransparenz letztlich auch in Karlsruhe prüfen müssen. Dann bin ich gespannt, was dabei herauskommt. Ich denke, dass Sie hier nachbessern werden müssen. So lassen wir Ihnen das nicht durchgehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532795 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 9 |
Tagesordnungspunkt | Stabilisierungsfondsgesetz, Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz |