Jakob BlankenburgSPD - Weiterbetrieb von Atomkraftwerken
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem Jahr werden die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet, und damit endet auch ein Stück deutscher Geschichte, einer Geschichte, die mit dem Glauben an Technik und Fortschritt begann und im erbitterten Widerstand von Teilen der Bevölkerung mündete, einer Geschichte, die eigentlich schon viel früher hätte beendet werden sollen und dann doch weitererzählt wurde, einer Geschichte, an deren Ende eine Menge hochradioaktiver Müll stehen wird.
Man kann diese Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen. Das Fazit ist aber immer das Gleiche: Es ist gut, dass wir aus der Atomenergie aussteigen. – Und das haben wir auch im Koalitionsvertrag bekräftigt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die AfD schlägt nun, alle Jahre wieder, vor, den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke zu ermöglichen. Die Geschichte der deutschen Atomkraft soll nach dem Willen der AfD nicht enden. Sie begründet das mit der angeblichen Versorgungssicherheit und der vermeintlichen Umweltfreundlichkeit. Liebe AfD, mit Verlaub: Das ist Unsinn.
Der Anteil der Atomkraft am Primärenergieverbrauch ist gering. Sie kann deshalb keinen erwähnenswerten Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Eine Abschaltung der AKWs wird auch nicht zu einem Blackout führen, wie wir heute ja auch schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gut ausgeführt bekommen haben.
Atomkraft ist unglaublich teuer, vor allem, wenn man die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung mit hineinrechnet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jeder Cent, der in Atomkraft investiert wird, fehlt beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wendland – es gehört zu meinem Wahlkreis – ist ganz besonders eng mit der Geschichte der Atomenergie verbunden. In Gorleben sollte ein atomares Endlager entstehen. Sie alle kennen die Bilder von Polizeihundertschaften, von Großdemonstrationen und von Menschen, die sich an Gleise ketten. Im Wendland steht heute noch das Anti-Atomkraft‑X in jedem zweiten Vorgarten. Das Misstrauen und das Gefühl der Ohnmacht haben die Menschen hier geprägt. Die Atomkraft und die Frage der atomaren Endlagerung waren lange Zeit zentrale Konfliktfelder – im Wendland und im ganzen Land.
Nach dem Reaktorunglück in Fukushima hat dieses Haus im parteiübergreifenden Konsens endgültig den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen – absolut zu Recht!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Beschluss zum Ausstieg aus der Atomkraft hat Konfliktlinien befriedet. Er hat dafür gesorgt, dass sich unterschiedliche gesellschaftliche und politische Gruppen an einen Tisch setzen konnten.
Die Endlagersuche erfolgt nun nach wissenschaftlichen Kriterien. Sie wird ergebnisoffen durchgeführt, und die Bevölkerung wird in die Suche mit einbezogen. Am Ende dieser Suche wird es einen Standort für radioaktiven Müll in Deutschland geben.
Bis zu 1 900 Castoren mit hochradioaktiven Abfällen werden dort lagern; denn der Müll bleibt, auch dann, wenn wir über die zivile Nutzung der Atomkraft in Deutschland nur noch in den Geschichtsbüchern lesen können. Ich kann nur sagen: An jedem einzelnen Tag, an dem ein AKW weiterläuft, wird mehr Atommüll produziert. Jeder Tag, den die Atomkraftwerke in Deutschland nach 2022 weiterlaufen werden, ist ein Tag zu viel.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dieser Meinung sind im Übrigen nicht nur die Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und ich. Selbst die Betreiber der sechs noch laufenden Atomkraftwerke stimmen uns zu – ich zitiere –:
Kurz vor Abschalten in Deutschland eine Debatte darüber zu starten, ob Kernkraftwerke einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ist befremdlich.
Das zum Beispiel sagte der von Ihnen zitierte EON-Chef Birnbaum am 11. November dieses Jahres dem „Handelsblatt“.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nur wenige Jahrzehnte Atomkraft genutzt. Meine Generation – das gilt auch für alle folgenden Generationen – hat kaum oder gar nicht davon profitiert. Mit dem Atommüll müssen wir trotzdem leben; das können wir nicht mehr ändern.
In Sachen Strom wird in unserem Land nun eine neue Geschichte geschrieben: Die AKWs werden geschlossen. Die Endlagerung ist auf dem Weg. Erneuerbare Energien werden enorm ausgebaut. – Das ist das, was wir in Sachen Versorgungssicherheit brauchen. Deshalb lehnen wir den Antrag der AfD ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herzlichen Dank. – Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7532821 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 9 |
Tagesordnungspunkt | Weiterbetrieb von Atomkraftwerken |