16.12.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 9 / Tagesordnungspunkt 8

Kai WhittakerCDU/CSU - Sanktionsfreie Mindestsicherung, Inflationsausgleich

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorrednerinnen haben sich redlich Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, dass es einen großen Unterschied zwischen der SPD und den Linken gibt.

(Takis Mehmet Ali [SPD]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört!)

Mir scheint aber, Die Linke ist über Nacht heimlich der Ampelkoalition beigetreten; denn was man in dem Antrag liest, findet sich auch im Koalitionsvertrag wieder, meine Damen und Herren.

Die Linke fordert, die Sanktionen abzuschaffen, den Wohnkostenzuschuss zu erhöhen, das Schonvermögen zu erhöhen. All das hat die Ampel auch vor. Die Ampel ist also beim Arbeitslosengeld II einer Meinung mit den Linken. Wenn es aber von der Linken über Rot-Grün bis zur FDP keine Unterschiede mehr gibt in der Sozialpolitik, dann ist ein christdemokratischer, ein christsozialer Gegenentwurf umso wichtiger.

(Beifall bei der CDU/CSU – Takis Mehmet Ali [SPD]: Ja, wo ist er?)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Kipping?

Sehr gerne.

Vielen Dank. – Herr Kollege Whittaker, wenn Sie hier den Eindruck erwecken, dass das, was wir als Linke in diesem Punkt vorgelegt haben, also die sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1 200 Euro, identisch ist mit dem Bürgergeld der Ampelkoalition, dann möchte ich gerne ein paar Faktoren abfragen:

Erste Frage: Sind Sie der Meinung, dass wir die gleichen Regelungen bei den Sanktionen haben? Also, können Sie mit Sicherheit sagen, dass die Koalition wirklich eine hundertprozentige Sanktionsfreiheit will?

Zweite Frage – das war der zentrale Kern, zu dem ich gesprochen habe –: Ist Ihnen bewusst, dass wir als Linke eine Mindestsicherung von 1 200 Euro wollen und finden, dass die Regelsätze mindestens auf 658 Euro erhöht werden müssen? Und wissen Sie, dass die Ampel keinerlei Erhöhung vorsieht?

Liebe Frau Kollegin Kipping, wenn Sie wissen wollen, was die Koalition vorhat, dann muss ich Ihnen sagen: Das kann ich Ihnen als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion nicht mehr sagen; das haben Sie ja hoffentlich mitbekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Was das Thema Sanktionen angeht, kann ich aber zum Beispiel sagen, dass die Ampelkoalition vorhat, bis es neue Regelungen im SGB II gibt, die Sanktionen auszusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das bedeutet ein weiteres Jahr ohne Sanktionen; denn ich vermute mal, dass es ziemlich lange dauern wird, bis der entsprechende Gesetzentwurf durch das Parlament durch ist.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Wir brauchen euch da nicht! Das geht schneller!)

– Nein, es geht nicht schneller, weil Sie schon noch die Verwaltung brauchen werden, Herr Kuhle, damit das funktioniert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Konstantin Kuhle [FDP]: Euch brauchen wir halt nicht! Das ist das Gute!)

Sie wollen ja die Leute nicht ins Chaos stürzen.

Das bedeutet also, dass wir im nächsten Jahr dann schon seit drei Jahren keine Sanktionen mehr in diesem Land haben werden, weil seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von vor zwei Jahren die Sanktionen de facto ausgesetzt sind.

(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt nicht! Keine Ahnung! Peinlich!)

Da sage ich nur: Nachtigall, ick hör dir trapsen. – Ich glaube nämlich auch nicht, dass die Ampelkoalition dann den Mut hat, die Sanktionen wieder einzuführen, sondern sie wird natürlich, weil man auch im Koalitionsvertrag überhaupt nichts dazu liest, versuchen, sie so weit wie möglich abzuschaffen.

(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

Deshalb glaube ich nicht, dass nachher die Unterschiede zwischen Ihrer Politik und der der Ampel so wahnsinnig groß sind. Das sind eher homöopathische Unterschiede.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Also, ein Gegenentwurf ist wichtig. Die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Union, unser Gegenentwurf, folgt den drei einfachen Prinzipien der christlichen Soziallehre: Es geht uns um die Personalität. Die Würde des Menschen steht also im Mittelpunkt. Zweitens braucht es die Subsidiarität, wonach zunächst jeder das tun soll, was er kann, um mit seiner Hände Arbeit den Lebensunterhalt für sich und die Seinen zu verdienen. Denn die Subsidiarität ist die Voraussetzung für das dritte Prinzip, die Solidarität,

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

wonach jeder, der auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen ist, sie auch erhält.

Wenn ich diese Prinzipien an die Sozialpolitik der Linken und der Ampel anlege, dann scheitern Sie kläglich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihre Sozialpolitik erschöpft sich nämlich darin, arbeitslosen Menschen mehr Geld zu geben, es bequemer im System zu machen. Aber Würde ist für uns mehr als nur Geld. Würde und Teilhabe bedeutet, dass wir Arbeitslosen wieder eine echte Chance geben, auf den eigenen Beinen im Leben zu stehen.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir ja auch! – Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

Uns geht es nicht darum, dass es im Jobcenter muckeliger zugeht, sondern dass man da nicht mehr hinmuss. Frau Kipping, das ist der Unterschied.

Apropos Jobcenter: Was mich wirklich ärgert, ist Folgendes – da muss ich leider auch meine Vorrednerin in Mithaftung nehmen –: Sie stellen sich gerne hierhin und danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern für ihre Arbeit. Und gleichzeitig bringen Sie es fertig, auch in Ihrem heute vorgelegten Antrag, von Druck und Repressalien in den Jobcentern zu berichten.

(Zurufe von der LINKEN)

Damit verunglimpfen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich sage: Hören Sie auf damit, Frau Kipping!

(Zurufe von der LINKEN)

Wir als Union sind stolz auf die Sozialverwaltung unseres Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und auch das Prinzip der Solidarität verkommt bei Ihnen zur Einbahnstraße. Wenn wir in den letzten Jahren zum Arbeitslosengeld debattiert haben, haben wir nur noch über Sanktionen gesprochen. Dabei betreffen sie bis heute nur einen Bruchteil der Menschen. Aber wer die Hilfe der Gemeinschaft in Anspruch nimmt, hat auch die Verantwortung, schnell aus dieser Hilfe wieder herauszukommen; denn am Ende müssen diese Leistungen auch durch Steuern bezahlt werden, übrigens auch und gerade von Menschen, die wenig Geld verdienen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Sanktionen treffen die, die sich dieser Solidarität verweigern. Sie bleiben aus unserer Sicht aber notwendig. Selbst der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, Mitglied der SPD, sagt, dass die Sanktionen ein Mittel sind, um mit diesen Menschen in Kontakt zu bleiben.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Was soll er denn sonst sagen?)

Hören Sie auf ihn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel!

Meine Damen und Herren, um es klipp und klar zu sagen: Eine Politik, die nur noch fördert und nichts mehr fordert, war nie unsere Politik, ist es nicht und wird es nie werden. Die Erfolge der letzten 16 Jahre kann man am Arbeitsmarkt sehen: Wir haben die Arbeitslosenquote mehr als halbiert. – Unser Gegenentwurf steht. Würde, Eigenverantwortung und Hilfe der Gemeinschaft gehören für uns untrennbar zusammen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Kommen Sie mal in der Realität an!)

Vielen Dank, Herr Kollege Whittaker. – Jetzt kommt für Bündnis 90/Die Grünen, auch zu seiner ersten Rede, Andreas Audretsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532828
Wahlperiode 20
Sitzung 9
Tagesordnungspunkt Sanktionsfreie Mindestsicherung, Inflationsausgleich
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