16.12.2021 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 9 / Zusatzpunkt 2

Johannes VogelFDP - Sitzordnung im Plenarsaal des Bundestages

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Regierungen gibt es in jedem Staat; aber Parlamente gibt es nur in Demokratien. Deshalb sind Organisationsfragen des Parlamentarismus auch nicht egal, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist wichtig, dass wir hier im Plenum darüber sprechen.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Die Erkenntnis kommt früh! Sie wollten es ohne Debatte machen! Seien Sie doch ehrlich!)

Dass wir diese Woche darüber sprechen, liegt ja in der Natur der Sache; denn um zu funktionieren, muss sich ein Parlament konstituieren. Das geschieht diese Woche mit der Konstituierung der Ausschüsse. Deshalb ist es klar, dass wir, wenn wir von der vorläufigen zur dauerhaften Ordnung des Bundestages für diese Legislatur übergehen, die Frage der Sitzordnung ein für alle Mal entscheiden, und zwar in dieser Woche, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, und das ist richtig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir klären diese Frage allein deshalb ausnahmsweise nicht im Ältestenrat, sondern hier im Plenum, weil Sie nicht mit sich haben reden lassen. Diese Frage kommt doch wahrlich nicht überraschend. Wir haben sie 2017 aufgeworfen, als wir erstmalig als erneuerte FDP in den Bundestag zurückgekehrt sind. Sie wollten nicht mit sich reden lassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie war Gegenstand im Vorältestenrat, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie war Gegenstand von medialen Debatten. Sie war Gegenstand des allerersten Interviews, das Thorsten Frei, erster PGF, und ich gemeinsam hier gegeben haben. Jetzt tun Sie doch nicht so, als würde hier ein Hauruckverfahren erfolgen!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ein respektloses Verfahren!)

Die Kollegin Mihalic hat es gesagt: Die Argumente sind ausgetauscht. – Wir müssen nun entscheiden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, und das machen wir heute.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worum es geht, ist eine ganz einfache Frage. Das Links-rechts-Schema der Politik ist wahrlich nicht perfekt; aber das Links-rechts-Schema der Politik ist ganz offenkundig das, nach dem dieser Deutsche Bundestag bei seinen Fraktionen – mit einer Ausnahme – sortiert ist.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Jeder kann das sehen. Jede Besucherin, jeder Besucher, der hier den Plenarsaal erklärt bekommt, versteht das und sieht das. Jede Schülerin, die etwas über den Bundestag in der Schule lernt, versteht das. Es gibt nur eine einzige Anomalie: nämlich dass die Freien Demokraten nicht in der Mitte sitzen; denn wir sind eine Kraft der politischen Mitte, und deshalb gehören wir auch in die Mitte des Plenums, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So war und ist es in der klaren Mehrheit der Parlamente weltweit. So ist es übrigens auch in ganz vielen Landtagen: in Schleswig-Holstein, in Hamburg, in Niedersachsen, in Rheinland-Pfalz, im traditionsreichen Baden-Württemberg. So war es übrigens bis 2018 auch in Hessen. Da saßen die Freien Demokraten traditionell in der Mitte des Plenums, bis Volker Bouffier mit seiner Mehrheit entschieden hat, dass die Freien Demokraten gegen ihren Willen rechts von der Union gesetzt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so war es übrigens auch in Bayern: Da saßen die Freien Demokraten immer in der Mitte des Maximilianeums, wenn sie dem Parlament angehört haben – bis 2018, als die CSU mit ihrer Mehrheit entschieden hat, dass die Freien Demokraten gegen ihren Willen nach rechts gerückt werden. Faseln Sie doch nicht von Arroganz der Macht und Respektlosigkeit, wenn Sie das selber in Hessen und Bayern machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union! Von Ihnen lassen wir uns da nichts zur Arroganz der Macht erzählen, wahrlich nicht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Und kommen Sie mir bitte auch nicht mit: Das war schon immer so. – Das ist ja das Argument, das angeführt wurde. In der Paulskirche, im ersten demokratisch gewählten Parlament auf Bundesebene, waren die Fraktionen nach dem politischen Spektrum von links nach rechts sortiert. Wo saßen die liberalen Gruppen? In der Mitte. In Weimar saß die DDP, die Partei von Walther Rathenau, nach dem heute unser Fraktionssaal benannt ist, die Partei von Friedrich Naumann, nach dem unsere Parteistiftung benannt ist, die Partei des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, in der Mitte, und rechts von ihr saß das Zentrum, eindeutig Ihre Vorgängerpartei. Es war nicht immer so, sondern die Freien Demokraten, die Liberalen, gehören in diesem Land in die Mitte, auch im Plenum, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist die Mitte vielfältig. Wir repräsentieren sie nicht alleine; das ist auch gut so. Deswegen sind wir als demokratische Parteien in der Mitte koalitionsfähig. Aber es kann doch kein Zweifel bestehen, dass SPD und Grüne sich als Mitte-links-Parteien begreifen. Es kann doch auch kein Zweifel bestehen, dass Sie sich auch als konservativ begreifen, also als Mitte-rechts-Parteien, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Liberalismus, das ist die Verbindung von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Freiheit.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie sind die Arroganzpartei!)

Ich bin stolz darauf, dass der Präsident von Gesamtmetall den aktuellen Koalitionsvertrag als besser als den, an dem Sie beteiligt waren, lobt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das wäre mir nur peinlich! Das ist kein Lob!)

Ich bin stolz darauf, dass wir für Marktwirtschaft stehen und gegen Steuererhöhungen. Aber ich sage Ihnen auch: Ich bin auch stolz darauf, dass wir für gesellschaftliche Freiheit stehen. Diese Koalition liberalisiert die Reproduktionsmedizin, sie verbannt die Vorratsdatenspeicherung aus dem Gesetz, sie modernisiert das Staatsbürgerschaftsrecht, sie schafft Verantwortungsgemeinschaften. Für all diese Vorhaben wird diese Koalition von rechts, von Ihnen, kritisiert.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Genau, das ist nicht die Mitte, das ist links! Das ist ein linkes Bündnis!)

Auch das ist die Wahrheit, und das ist der Traditionsbestand, den wir in diesem Plenum abbilden müssen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich respektiere das, weil die Breite des demokratischen Spektrums und der Meinungsstreit hier zu unserer Demokratie dazugehören. Aber das macht doch deutlich, dass sich das nachvollziehbare Anliegen, das Plenum hier nach dem politischen Links-rechts-Spektrum zu sortieren, gegen niemanden richtet. Sie selber diffamieren diese Koalition ja nicht als links-rechts, sondern als links-gelb.

Die CSU beispielsweise hat gerade in ihrem Mitgliedermagazin ein fiktives Interview mit Franz Josef Strauß abgedruckt – auf vier Seiten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Ich habe das mit Interesse gelesen; denn Franz Josef Strauß hat mal gesagt: Rechts von der Union soll es keine demokratische Partei geben, die unzweifelhaft auf dem Boden der Verfassung steht.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Franz Josef Strauß soll seinen Willen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dafür sorgen wir hier im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt kein historisch schlüssiges Argument gegen die Sitzordnung, die wir heute hier beschließen wollen. Es gibt auch kein sachlich schlüssiges Argument, liebe Kollegen von der Union. Es gibt einfach nur das Argument, dass das zuletzt so war; es gibt einfach nur ein bisschen Gewohnheit. Ich verstehe, dass man etwas aus konservativer Perspektive nicht verändern will, an das man gewöhnt ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind, ehrlich gesagt, anderer Auffassung. Wir sind der Auffassung: Man verändert etwas, wenn es dafür einen vernünftigen Grund gibt. Deshalb beschließen wir das heute, und danach streiten wir wieder über die Sache.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. – Jetzt erhält das Wort für die AfD-Fraktion der Kollege Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532856
Wahlperiode 20
Sitzung 9
Tagesordnungspunkt Sitzordnung im Plenarsaal des Bundestages
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