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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen, lieber Herr Buschmann, heute zunächst einmal ganz herzlich zur Übernahme Ihres Amtes gratulieren. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand bei Ihren Aufgaben.

Das, was das ganze Land seit Wochen und Monaten umtreibt, ist die Pandemiebewältigung und hier die Frage der Impfpflicht, aber von Ihnen als mit dafür zuständigem Justizminister ist hier heute nichts dazu zu hören. Das ist, ehrlich gesagt, enttäuschend, auch wenn Sie auf Ihre geringe Redezeit verweisen. Andere Schwerpunktsetzungen, die Sie heute vorgenommen haben, zum Beispiel die Verantwortungsgemeinschaft oder auch die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung, kann ich so nicht nachvollziehen. Ich kann viele Ihrer Inhalte so nicht teilen und komme später noch darauf zurück.

Unser Land befindet sich aber mitten in einer Pandemie. Wir haben heute bei den Neuinfektionen erstmals das Erreichen der Schallgrenze von 80 000 pro Tag erleben müssen; der höchste zuvor gemessene Wert lag hier bei 65 000. Die epidemische Lage ist also noch nicht vorbei. Wir sind mittendrin, und Sie spielen auf Zeit.

Ihr Haus ist zum Beispiel mit federführend verantwortlich für die Frage der Einführung oder auch Nichteinführung, des Ob und Wie eines Impfregisters. Fachleute aus dem medizinischen, ethischen und rechtlichen Bereich sagen ganz klar, dass wir sowohl für diese Krise als auch für künftige Krisen ein solches Register bräuchten, und selbst der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung sagt, dass das möglich ist. Ihr Hinweis ist, dass das Jahre dauern würde; das, muss ich sagen, genügt mir an dieser Stelle nicht. Ich weiß auch nicht, warum man da nicht schneller sein kann, gerade wenn man doch vorhandene Daten nutzen kann und auf der anderen Seite genau weiß, dass uns der Coronavirus noch Jahre beschäftigen wird. Kein Wort von Ihnen dazu!

Ebenfalls auf Zeit spielt die Bundesregierung bei der Impfpflicht. Bundeskanzler Scholz hatte im November und Dezember eine Orientierungsdebatte für die erste Sitzungswoche angekündigt; das hat er nicht umgesetzt. Er hat sich für die Einführung einer Impfpflicht zum März ausgesprochen; das sieht eher schlecht aus. Immerhin haben wir heute in der Regierungsbefragung gehört, was er sich als Abgeordneter vorstellt: alle ab 18.

Und jetzt zur Rechtspolitik: keine großen Strukturen, alles auf niedrigerem Niveau. Herr Buschmann, zum ersten Punkt – alle ab 18 – habe ich zumindest gemäß der Presse anderes von Ihnen vernommen. Aber zumindest beim zweiten Punkt, den großen Strukturen, sind Sie, nachdem Sie vorhin von Freiheit, aber auch von der Durchsetzung des Rechts gesprochen haben, mit mir sicher einer Meinung: Wenn man dieses Instrumentarium einführt, dann muss man auch den Anspruch haben, es durchzusetzen. Und da bin ich gespannt, welche Vorschläge von Ihrem Haus kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fakt ist, dass die Bundesregierung in dieser Frage überhaupt keine einheitliche Linie hat. Sie legt keinen Gesetzentwurf vor. Stattdessen flüchtet sie sich in Gruppenanträge des Parlamentes und erklärt die Frage zur reinen Gewissensfrage. Vor dieser Debatte heute habe ich mich gefragt: Wo ist eigentlich der Unterschied zur Masernimpfpflicht, die wir 2020 eingeführt haben?

(Zurufe von der FDP und der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])

Und wo ist eigentlich der Unterschied zu der Teilimpfpflicht bei Pflegeberufen, die Sie mit dem Gesetz ganz zügig eingeführt haben? Die Antwort haben wir heute ja vernommen. Herr Scholz ist der Auffassung: Es geht jetzt, bei der erweiterten Frage der Impfpflicht, um den Körper. – Ging es um den vorher nicht?

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er nicht gesagt!)

Doch, um den geht es immer. – Die Richtung ändert sich. – Ja, aber die Richtung hat sich auch bei den Pflegeberufen geändert. – Außerdem seien mehr Menschen betroffen. Sorry, aber auch bei der Masernimpfpflicht sind sehr viele Menschen betroffen.

Tatsache ist – die Antwort haben wir hier heute ganz klar bekommen –: Sie sind sich nicht einig. Sie wissen nicht, was Sie machen sollen. Sie haben keinen Plan. Deswegen flüchten Sie sich in Gruppenanträge und erklären das zur reinen Gewissensfrage. Aber das ist eine politische Frage. Sie sind verdammt noch mal in der Pflicht, hier einen Plan vorzulegen, Entscheidungsgrundlagen zu liefern, zu regieren und Verantwortung zu übernehmen. Tun Sie das endlich!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir schon beim Regieren sind: Lieber Herr Buschmann, wann sorgen Sie eigentlich endlich für die Rechtssicherheit für Apotheker? Apothekerinnen und Apotheker wissen nicht, was sie mit gefälschten Impfausweisen machen sollen. Wenn sie dies anzeigen, laufen sie am Ende noch Gefahr, ein rechtliches Problem zu bekommen. Wir haben Ende November einen Vorschlag dazu vorgelegt. Sie haben ihn abgelehnt und bis jetzt keinen eigenen Vorschlag vorgelegt. Regierungshandeln sieht anders aus. Da müssen Sie schneller werden.

Stattdessen forcieren Sie Gesetzesänderungen, die bzw. deren Eilbedürftigkeit ich nicht nachvollziehen kann. Ich will Ihnen drei nennen – der Kollege Krings wird noch auf Weiteres eingehen –: Erstens. Sie wollen das Gesetz zur Wiederaufnahme kassieren. Zweitens. Sie wollen die Vorratsdatenspeicherung abschaffen; das haben Sie heute erwähnt. Drittens. Sie wollen eine, wie Sie es nennen, historische Reform im Familienrecht auf den Weg bringen. Zu den drei Punkten sage ich Ihnen Folgendes:

Erstens. Ihre erste Amtshandlung soll es also sein, das Gesetz zur Wiederaufnahme überprüfen zu lassen. Mit diesem Gesetz, das kurz vor Neujahr verkündet wurde, können in absoluten Extremfällen von Mord und Völkermord Verfahren neu aufgerollt werden, wenn nachträgliche Beweise deutlich für die Täterschaft eines zuvor Freigesprochenen sprechen. Gerade für Hinterbliebene von Opfern bei Mord und Völkermord ist das ein Signal der Gerechtigkeit. Verfassungsexperten haben das Gesetz geprüft, die SPD hat es mitgetragen, der Bundespräsident hat es ausgefertigt und damit als verfassungsgemäß befunden, und Ihr vorrangigstes Anliegen ist es, das möglicherweise wieder abzuschaffen. Das, Herr Buschmann, kann ich nicht nachvollziehen.

Zweitens. Ganz spannend waren Ihre Ausführungen zur Vorratsdatenspeicherung. Vielleicht unterhalten Sie sich mal mit Ermittlern im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch. Für die Ermittler wäre die Vorratsdatenspeicherung eines der zentralen Mittel im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch. Tausende Fälle von Kindesmissbrauch können nicht verfolgt werden, weil Daten gelöscht sind. Allein im Jahr 2017 betraf das 8 400 Hinweise. Dieses Instrument wollen Sie abschaffen. Ich frage Sie ganz klar: Ist Ihnen der Kampf gegen Kindesmissbrauch nicht wichtig genug? Geht Ihnen Datenschutz vor Kampf gegen Kindesmissbrauch?

(Beifall bei der CDU/CSU – Manuel Höferlin [FDP]: Ist doch verfassungswidrig!)

– Dann legen Sie etwas Verfassungsgemäßes vor! Darauf lasse ich mich jetzt nicht ein.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt, wo es schwer wird!)

Drittens. Die angekündigte Familienrechtsreform haben Sie, lieber Herr Buschmann, als vermutlich größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte bezeichnet. Sie und die gesamte Ampelkoalition suggerieren hier gegenüber der Bevölkerung einen riesigen Handlungsbedarf.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Ich sehe da als Fachanwältin für Familienrecht weder Handlungsbedarf noch Reformstau und schon gar keinen historischen Handlungsbedarf. Was Sie mit der sogenannten Verantwortungsgemeinschaft wollen, weiß man, wenn man den FDP-Antrag dazu aus der letzten Wahlperiode genau liest: Das soll so etwas sein wie eheähnliche Privilegien, aber ohne eheähnliche Bindung, für zwei oder mehr Menschen – die Anzahl ist nach oben unbegrenzt –, die sich in irgendeiner Weise verbunden fühlen, damit man – das wurde als Beispiel genannt – Auskünfte im Krankheitsfall bekommt oder im Todesfall der Mietvertrag übernommen werden kann; das geht bis hin zu Themen wie Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche. Ersteres kann man schon jetzt regeln. Das Zweite sehe ich für eine eheähnliche Bindung in einer Verantwortungsgemeinschaft von Personen, die kein enges, persönliches Näheverhältnis haben, schon als sehr kritisch an. Und im Ganzen sehe ich darin überhaupt keinen Mehrwert für unsere Gesellschaft. Viel gravierender ist das eigentliche Ziel, das Sie im Blick haben – sagen Sie es doch deutlich; man muss ja nur den Koalitionsvertrag lesen, in dem Ehe und Familie quasi gar nicht auftauchen –: Sie schwächen mit einem solchen Institut Ehe und Familie, die Keimzelle unserer Gesellschaft.

Ihre Pläne dazu gehen noch weiter. Ich nenne ein weiteres Beispiel: Sie wollen mehr als zwei Elternteile im Abstammungs- und Sorgerecht zulassen. Ich sage Ihnen auch aus meiner praktischen Tätigkeit ganz ehrlich: Wenn sich Eltern trennen, reichen schon die Streitereien bei zweien. Wir brauchen nicht noch mehr Personen, die sich über das Sorge- und Umgangsrecht oder auch den Unterhalt streiten. Das Ganze braucht wirklich kein Mensch.

Zu guter Letzt lässt sich eines festhalten: Ihre angekündigte historische Familienrechtsreform – ich empfehle jedem, mal genau in das Programm der Ampel zu gucken – ist keine Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel, sondern eine rein ideologisch motivierte Umerziehung unserer Gesellschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, schwächt die Institution von Ehe und Familie und steht nicht im Einklang mit unserer Verfassung.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schwächt Ihre Rede!)

Die Union wird da ein Auge drauf haben; das kann ich Ihnen versprechen.

Am Ende eines: Kümmern Sie sich um die drängenden Probleme in unserem Land – das ist aktuell die Pandemie –, und verschonen Sie uns mit gesellschaftspolitischen Experimenten!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lindholz. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt das Wort der Kollege Dirk Wiese.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532938
Wahlperiode 20
Sitzung 10
Tagesordnungspunkt Recht
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Keine
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