12.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 10 / Tagesordnungspunkt 2

Dirk WieseSPD - Recht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Bundesminister der Justiz, Herr Dr. Buschmann, ich glaube – das haben Sie ja auch in Ihrer Rede ausgeführt –, dass dieser Ampelkoalitionsvertrag gerade in der Rechtspolitik Fortschritt möglich macht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist Rückschritt und kein Fortschritt!)

Es ist unser gemeinsames Ziel, diesen Fortschritt, der sich im Koalitionsvertrag wiederfindet, gemeinsam voranzubringen. Sie haben das angesprochen, Sie haben es betont und sich an alle demokratischen Kräfte in diesem Haus gerichtet, das gemeinsam in einigen Punkten in dieser Legislaturperiode möglich zu machen. „ Gemeinsam“ heißt aber nicht, dass man die möglicherweise in diesem Jahr ausfallende Rede am politischen Aschermittwoch im Bierzelt schon heute hält.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich glaube, das ist dieser Debatte sicherlich nicht angemessen. Das zeigt ehrlich – vielleicht hier ein Rückblick auf die letzte Legislaturperiode, bei dem ich der früheren Bundesjustizministerin Christine Lambrecht noch mal Danke sagen will –, dass es gut ist, dass der beschwerliche Rucksack des Rückschritts, der bei einigen rechtspolitischen Themen sicherlich da war, uns jetzt nicht mehr in die Quere kommt.

Wir haben einiges in dieser Legislaturperiode vor. Ich will aber auch sagen, dass wir schon einiges vorangebracht haben. Wir haben eine nicht einfache Debatte zum Infektionsschutzgesetz gehabt. Das war nicht leicht; das war schwierig. Aber – das will ich noch mal sagen – dieser Instrumentenkasten, den wir als Ampel mit dem Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht haben, war richtig; er hat gewirkt. Und es war richtig, die wesentlichen Entscheidungen in dieser Pandemie in den Deutschen Bundestag zurückzuholen; dazu stehe ich auch.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das war eine gute Reform. Das war nicht einfach; aber in dem Punkt haben wir gezeigt, dass die Zusammenarbeit hervorragend funktioniert.

Und ja, wir werden uns als Deutscher Bundestag der Debatte über eine Impfpflicht auf Basis von Gruppenanträgen stellen, zunächst in einer Orientierungsdebatte und dann im fortlaufenden Prozess. Das sind letztendlich keine Fragen, die man von heute auf morgen klären kann. Darum, glaube ich, ist es wichtig – das haben wir auch gesagt –, in dieser Debatte Gründlichkeit walten zu lassen. Wir wollen eine gründliche Debatte; wir wollen eine breite gesellschaftliche Diskussion hierüber möglich machen. Ich will das auch gerne an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU richten. Wir laden Sie ein, sich konstruktiv in die Erstellung der Gruppenanträge einzubringen. Das ist eine wichtige gesellschaftliche Diskussion.

Ich war in den letzten Tagen etwas irritiert. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz fiel die Entscheidung der Ministerpräsidenten für eine allgemeine Impfpflicht 16 : 0 aus. Im Gegensatz zu Ihnen waren Ihre Ministerpräsidenten sehr klar an dieser Stelle. Ich habe gestern Morgen vernommen, dass ein Antrag aus Ihren Reihen im ersten Ticker angekündigt worden ist; der wurde mittags wieder eingefangen. Von Friedrich Merz habe ich noch gar keine Stellungnahme dazu vernommen. Ich kann nur eines sagen: Sortieren Sie sich!

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie müssen sich sortieren!)

Kommen Sie in der Opposition an, aber bringen Sie sich in die Erarbeitung von Gruppenanträgen konstruktiv ein! Alles andere ist der Debatte nicht würdig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich begrüße ausdrücklich, dass es mit diesem Koalitionsvertrag, gerade auch mit der angekündigten Familienrechtsreform, im Bereich der Gesellschaftspolitik endlich dazu kommt, dass gesellschaftliche Vielfalt in diesem Land anerkannt wird,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

dass sich gesellschaftliche Vielfalt endlich kodifiziert in Recht und Gesetz wiederfindet. Da haben wir einiges auf der Tagesordnung: die Mitmutterschaft, die Reform des Transsexuellengesetzes, die Streichung des § 219a, aber auch die Verantwortungsgemeinschaft. Und ich finde es, Frau Lindholz, herablassend, wie Sie darauf reagiert haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Schauen Sie mal ins Grundgesetz, Herr Wiese! Schauen Sie in Artikel 6! Gucken Sie sich das Grundgesetz an, Herr Wiese!)

Dass Menschen in diesem Land füreinander Verantwortung übernehmen, auch wenn sie sich nicht vor den Traualter begeben – das kann sein, etwa weil sie im Alter in einer Senioren-WG zusammenleben und gesellschaftliche und auch rechtliche Verantwortung übernehmen wollen –, so herablassend herabzuwürdigen, wie Sie das machen, wird der gesellschaftlichen Vielfalt in unserem Land nicht gerecht. Das sage ich hier und heute in der Debatte sehr deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Ich halte es auch für wichtig, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat fortsetzen. Wir müssen die Justiz weiter stärken. Wenn wir diese Woche hören, dass fast 150 000 Ermittlungen pro Jahr im Bereich „Hass und Hetze“ auf uns zukommen werden, dann müssen wir die Justizbehörden stärken. Wir müssen die Justiz auch digital für die kommenden Jahre vorbereiten. Ein im Bereich der Justiz handlungsfähiger Staat ist entscheidend. Da, glaube ich, haben wir die richtigen Schlüsse gezogen, mit dem Pakt für den Rechtsstaat 2.0 fortzusetzen, was wir auf den Weg gebracht haben. Hier werden wir ansetzen.

Des Weiteren stelle ich, wenn ich den Kollegen Till Steffen und den Kollegen Konstantin Kuhle sehe, fest: Auch im Bereich der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung haben wir einiges voranzubringen. Wir haben das bereits sehr konstruktiv in den Koalitionsverhandlungen diskutiert und niedergeschrieben; das war ein sehr guter Prozess. Auch hier werden wir einiges voranbringen, gerade was den Bereich der Infrastruktur angeht. Hier ist einiges möglich, und da spielt, glaube ich, auch die Rechtspolitik eine wichtige Rolle.

Das wird ebenso sein im Bereich des Mieterschutzes. Auch hier ist, glaube ich, einiges zu tun. Wir haben einiges im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, um gewissen Sorgen und Nöten gerade auch aufgrund der steigenden Mieten gerecht zu werden.

Ich will deutlich sagen und komme damit zum Abschluss, dass ein weiterer wichtiger Punkt im Koalitionsvertrag für uns sehr bedeutsam ist – das ist etwas, was, glaube ich, auch der gesellschaftlichen Realität Rechnung trägt –: Wir müssen im Jahr 2022 endlich die Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Es kann aus meiner Sicht nicht sein, dass die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz bisher immer gescheitert ist, dass es nicht vorangegangen ist. Auch hier der Appell an die Kolleginnen und Kollegen auch der CDU/CSU: Springen Sie hier über Ihren Schatten! Sehen Sie es ein: Kinder haben auch Rechte in diesem Land. Kinderrechte im Grundgesetz sind ein wichtiges Zeichen. Das wollen wir gemeinsam voranbringen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wiese. – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Kollege Thomas Seitz für vier Minuten das Wort.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532939
Wahlperiode 20
Sitzung 10
Tagesordnungspunkt Recht
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