Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal meine herzlichen Glückwünsche an den Bundesjustizminister! Sie haben eines der schönsten Ressorts der Bundesregierung, und man hat es einem klugen Rechtspolitiker anvertraut. Aber – die Pointe, mit der haben Sie gerechnet – auch ein kluger Kopf in einem wichtigen Ressort garantiert noch nicht zwingend eine kluge Politik.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie in den letzten vier Jahren bewiesen!)

In diesem Sinne freue ich mich auf kritisch-konstruktive Debatten in den nächsten Jahren.

Die ersten Blinksignale der Ampel zeigen, dass es schon heute mehr Anlass für Kritik gibt, als es selbst meine gar nicht so kurze Redezeit zulässt. Im Titel des Koalitionsvertrags ist von Fortschritt, Freiheit, Gerechtigkeit die Rede. In der Rechtspolitik der Ampel sehen wir bislang aber weder Fortschritt noch Gerechtigkeit, sondern vor allem den Versuch eines gesellschaftlichen Umbaus aufgrund eines aus meiner Sicht falschen Freiheitsverständnisses. Wir sehen einen leichtfertigen Umgang mit unserem Grundgesetz, auch aufgrund unausgegorener Änderungsvorschläge. In Artikel 3 Absatz 3 soll der Begriff „Rasse“ ersetzt werden. Das mag ein gut gemeintes Vorhaben sein; aber wir wissen: Das Gegenteil von gut gemeint ist häufig gut. Die implizite – nicht gewollte – Unterstellung, die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes oder andere Autoren aktueller Rechtstexte hätten einem rassistischen Denken angehangen, ist jedenfalls absurd.

Dann schlagen Sie die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz vor. Hier schwebt Ihnen in der Ampel offenbar etwas ganz anderes vor als der Vorschlag, auf den sich die Große Koalition in der letzten Wahlperiode bereits geeinigt hatte; denn sonst hätten Sie von FDP und Grünen dem zustimmen können. Der damalige Vorschlag hatte den Charme, dass er Elternrechte nicht verkürzt; denn wir meinen, dass in aller Regel Kinderinteressen am besten mit und nicht gegen ihre Eltern durchgesetzt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die Ampelregierung plant hingegen einen Angriff auf das Erziehungsrecht der Eltern. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz den sehnlichen Wunsch hat, die – ich zitiere – „Lufthoheit über den Kinderbetten“ zu erringen, wissen wir schon seit 2002. Dass bei diesem Eindringen des Staates in die Familie aber auch Liberale mitmachen, ist für mich in der Tat eine neue Erkenntnis.

Meine Damen und Herren, was mich an dieser Debatte aber am meisten ärgert, ist, dass Sie sich den Schutz von Kindern in der Gesellschaft richtigerweise auf die Fahnen schreiben, aber dann an den eigentlichen Problemen der Kinder vorbeimarschieren. Nicht im Grundgesetz gibt es etwas für die Kinder zu tun, sondern vor allem im Gesetzesrecht. Jahr für Jahr gibt es Tausende Fälle von Kinderpornografie – Frau Kollegin Lindholz hat darauf hingewiesen –, die nicht aufgeklärt werden können, weil Verbindungsdaten nicht gespeichert wurden; 2020 waren es alleine 2 600 Fälle. Den Kindern, die drohen Opfer solcher grässlicher Straftaten zu werden, helfen keine Kinderrechte im Grundgesetz, sondern nur konsequente Strafgesetze.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der FDP-Fraktion?

Selbstverständlich, Kollege Höferlin, ich habe zwar schon eine lange Redezeit, aber eine Frage können wir machen.

(Marianne Schieder [SPD]: Man muss die nicht ausnutzen!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Krings, da Sie noch einmal auf die Vorratsdatenspeicherung zu sprechen kommen und da Sie als Union 16 Jahre lang die Regierung gestellt haben, frage ich Sie einfach: Warum haben Sie es in diesen 16 Jahren nicht geschafft, eine verfassungsgemäße und verfassungsfeste Version einer Vorratsdatenspeicherung ins Gesetzblatt zu schreiben? Und sind Sie nicht auch der Meinung, dass den Kindern und den Kinderrechten viel mehr geholfen ist, wenn die Fortschrittskoalition mit Quick Freeze jetzt einen verfassungsgemäßen Vorschlag auf den Weg bringt, statt – wie von Ihnen 16 Jahre praktiziert – eine Lösung vorzuschlagen und ins Gesetzblatt zu schreiben, die kurz darauf von allen Gerichten – von einfachen Gerichten bis zum Verfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof – als verfassungswidrig erachtet wird? Was ist denn da die bessere Lösung?

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Frage, die mir noch einmal Gelegenheit gibt, einiges etwas ausführlicher klarzustellen. Ich sage zunächst: Es gibt hier noch anhängige Verfahren, europarechtlich, verfassungsrechtlich. Insofern würde ich immer sehr vorsichtig sein mit einer Voreiligkeit, dass wir generell keine verfassungskonforme Lösung auf dieser Basis finden. – Erster Punkt.

(Manuel Höferlin [FDP]: Wiederholt nicht!)

Zweiter Punkt: Quick Freeze. Das muss man sich so vorstellen: Sie kommen heute Abend nach Hause, stellen sicher, dass Ihre Tiefkühltruhe besonders scharfgestellt und heruntergekühlt ist, wenn aber nichts drin ist, dann bringt Ihnen das gar nichts, und dann werden Sie auch nicht satt. Das ist bei den Daten genauso: Wenn Sie keine Daten haben, weil Sie erst auf den Anlass warten und dann aber ermitteln müssen, bringt Ihnen Quick Freeze leider gar nichts. Das mag verfassungskonform sein; aber es ist vollkommen unwirksam.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In den 16 Jahren haben wir auch vier Jahre gemeinsam regiert, mit einer FDP-Justizministerin.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: So ist das! Das haben die schon vergessen!)

Der letzte Unions-Justizminister ist deutlich länger her. Wir haben damals gemeinsam an Lösungen gearbeitet, auch Kompromisse gefunden. Ich nenne Ihnen einen ganz konkreten Punkt – der ist aber nicht anlassbezogen, sondern anlasslos –, was man nach Ansicht der meisten Verfassungsrechtler machen könnte: die IP‑Adressen länger speicherbar und auch länger zuordenbar zu machen. Damit würden Sie schon eine ganze Menge dieser grauseligen kinderpornografischen Fälle aufklären.

(Manuel Höferlin [FDP]: Warum haben Sie das 16 Jahre nicht gemacht?)

Aber das geht nicht durch anlassbezogene Datenspeicherung, sondern Sie brauchen da die Anlasslosigkeit.

Wenn Sie diesen Weg gehen, haben wir vielleicht eine Chance, uns zu verständigen. Aber bitte seien Sie hier auch dafür offen, dass wir manche Dinge anlasslos speichern müssen, sonst helfen wir den Kindern, den Opfern dieser furchtbaren Verbrechen nicht. Lasst uns gemeinsam etwas für die Sache erreichen. Das ist meine herzliche Bitte.

(Beifall bei der CDU/CSU – Manuel Höferlin [FDP]: Dann hätten Sie es ja machen können! – Gegenruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wir haben ja leider nicht alleine regiert, Herr Höferlin!)

Abgesehen von dem Thema Datenspeicherung, sage ich Ihnen: In unserem Wahlprogramm stehen ganz konkrete Vorschläge und Forderungen, etwa wenn es um die konsequente Anwendung von Strafgesetzen geht. Die elektronische Fußfessel könnte auch stärker für die Täter von Sexualdelikten nutzbar gemacht werden; dieses Instrument könnte den Richtern gegeben werden. Wir haben gesagt: Wer Kinder missbraucht hat, darf nicht nur für ein paar Jahre ins Strafregister eingetragen werden, sondern der muss lebenslang ins Strafregister eingetragen werden, selbst wenn er von einem Ende des Landes ans andere Ende umzieht. Er darf nie mehr an Kinder herankommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Dazu gibt es im Ampelkoalitionsvertrag leider keine entsprechenden Passagen. Ich habe es eben gesagt: Mit einer nur noch anlassbezogenen Datenspeicherung kommen wir an die Täter nicht heran.

Aber damit nicht genug: Sie fordern sogar ein pauschales Recht auf Anonymität – jetzt kommt’s – im Internet wie in der realen Welt. Also ist jetzt die Frage, wann wir denn Kfz-Kennzeichen in Deutschland abschaffen; das entspräche auch der Logik dieses Vorschlages. Unausgegoren ist noch das Freundlichste, was ich leider dazu sagen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der von mir kritisierte leichtfertige Umgang mit dem Grundgesetz macht auch vor Änderungen des einfachen Gesetzesrechts nicht halt. Als erste Tat der Ampel in der Rechtspolitik wurde vom Justizminister die Abschaffung des Werbeverbots – § 219a – bei Schwangerschaftsabbrüchen angekündigt. Hier wurde betont: Die ersatzlose Streichung dieses Paragrafen ist der Plan. Ernsthaft? Ist das die erste Priorität in diesen Zeiten? Mir würden hier stattdessen einige andere Maßnahmen in der Rechtspolitik einfallen: Umsetzung der Triage-Entscheidung des Verfassungsgerichts oder ein Regierungsentwurf – wohlgemerkt: Regierungsentwurf – über eine Impfpflicht, Umfang einer Impfpflicht. Zurzeit wird diese Frage in Gruppenanträge geschoben, um zu camouflieren, dass es hier offenbar keine Mehrheit in der Regierungsmehrheit gibt. Leichtfertig und gefährlich an der Abschaffung des Werbeverbots ist aber, dass damit in ein wirklich sehr fein austariertes System eingegriffen wird, in dem der Schutz des ungeborenen Kindes immer mit dem Freiheitsschutz der Mutter zusammengedacht werden muss. Das ist durch den ersten Artikel unserer Verfassung vorgegeben und wurde in einer schwierigen politischen Konsensfindung entwickelt.

Ich sage das in großer Ernsthaftigkeit, aber auch Ruhe: Einer Politik, die diesen Konsens aufkündigt und Werbung im Zusammenhang mit der Tötung menschlichen Lebens zulässt, können wir Christdemokraten und Christsoziale unsere Hand nicht reichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben nach schwierigen Debatten in der Großen Koalition 2019 hier eine Lösung gefunden, dass der Zugang zu Informationen deutlich erleichtert wird. Wer jetzt mehr will als den Zugang zu Informationen, der will Werbung, und das ist etwas anderes, dem wir nicht beitreten können.

Für die Ampel ist das anscheinend auch nur der erste Schritt. Wenn ich in den Koalitionsvertrag schaue, lese ich: Eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung soll offenbar prüfen, ob der Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch gänzlich herausgenommen soll. Damit würde das Gesamtgefüge des Lebensschutzes endgültig zerstört und – ich finde, ohne Not – ein gesellschaftlicher Streit eröffnet. Diesen Streit haben wir in Deutschland, anders als in vielen unserer Nachbarländer, jahrzehntelang glücklicherweise vermeiden können. Ich bitte Sie daher wirklich inständig: Betreiben Sie hier nicht mutwillig die Spaltung unseres Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Schwerpunktsetzung der Ampel im Bereich des Strafrechts ist aber insgesamt fatal. Antworten auf die Probleme, auch auf die aktuellen Probleme, etwa mit Telegram, mit der Clankriminalität oder im Bereich von Zuhälterei und Prostitution fehlen.

Eine einzige Strafschärfung enthält der Koalitionsvertrag: Die Ampelkoalition möchte Teile des Tierschutzrechts in das Strafrecht überführen und das Strafmaß hier erhöhen. Dafür mag es gute Gründe geben, auch wenn das Strafmaß hier keineswegs so gering ist, wie manche denken. Aber bitte passen Sie auf, dass Angriffe auf Tiere durch unser Strafrecht am Ende nicht strenger bestraft werden als Angriffe auf Menschen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Priorität – das Stichwort fiel bereits in der Debatte zur Innenpolitik und auch in dieser Debatte – wollen Sie eine Überwachungsgesamtrechnung auf den Weg bringen. Heißt das etwa ganz konkret – das muss ja irgendwie mal konkret gemacht werden –, dass, wenn Vizekanzler Habeck mehr Kontrollbefugnisse gegenüber Umweltsündern durchsetzt, Innenministerin Faeser zum Ausgleich eine Vorschrift zur Terrorbekämpfung streichen muss, um diese Gesamtrechnung nicht aus der Balance zu bringen? Ich hoffe doch wohl, nicht.

Egal was Sie sich hier ausdenken, meine Sorge ist: Am Ende bleibt es Ausdruck eines Misstrauens gegenüber unseren Ermittlungsbehörden. Wir als Union wollen unseren Behörden und Gerichten demgegenüber zunächst einmal mit Respekt und Vertrauen begegnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will mit einer grundsätzlichen Bemerkung schließen. Ich weiß aus eigener parlamentarischer Erfahrung: Nach landläufiger Auslegung ist das Justizministerium für die Freiheit und das Innenministerium für die Sicherheit zuständig. Als jemand, der seit fast zwei Jahrzehnten Innen- und Rechtspolitik im Bundestag betreibt, empfehle ich der neuen Regierung, diesem staatspolitischen Kurzschluss nicht zu verfallen.

Die Rechtspolitik und natürlich auch ein Justizminister sind dem Freiheits- wie dem Sicherheitsversprechen unseres Staates gleichermaßen verpflichtet. Freiheit ist das höchste Ziel des Rechtsstaates. Aber Freiheit bleibt eben nackte Theorie oder vielleicht ein Luxusgut für wenige, wenn sie nicht auf der stabilen Basis der Sicherheit steht. Wer nicht sicher sein kann, dass er eine Reise überlebt, wird lieber zu Hause bleiben. Wer jederzeit damit rechnen muss, dass man ihm sein Hab und Gut abnimmt, wird vielleicht gar kein Eigentum mehr erwerben. Deshalb brauchen wir eine konsequente Verbrechensbekämpfung mit zeitgemäßen Ermittlungsmethoden.

Wer an verantwortlicher Stelle in der Innen- und der Rechtspolitik steht, darf sich dem nicht verweigern; denn wer die Sicherheit nicht ernst nimmt, verspielt auch die Freiheit. Deshalb bleibt die Rechtspolitik der Union eine Politik der Freiheit auf dem festen Fundament der Sicherheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Krings. – Für ihre erste Rede im Deutschen Bundestag erhält nun das Wort die Kollegin Sonja Eichwede von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7532945
Wahlperiode 20
Sitzung 10
Tagesordnungspunkt Recht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta