13.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 11 / Tagesordnungspunkt 2

Felix DöringSPD - Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „ Mehr Fortschritt wagen“, das ist das Motto, das sich diese Koalition auf die Fahnen schreibt. Deswegen möchte ich meine erste Rede im Deutschen Bundestag einem Projekt dieser Ampelkoalition widmen, zu dem dieses Motto „Mehr Fortschritt wagen“ passt wie die Faust aufs Auge. Es geht um eine Norm, die schon im letzten Jahrhundert so wirkte, als sei sie von vorgestern. Es geht um einen alten Paragrafen, der nicht nur verstaubt und antiquiert wirkt, sondern der in seinem Grundsatz falsch ist – und auch reaktionär. Meine Damen und Herren, die Rede ist vom § 219a StGb.

Worum geht es? Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen medizinischen Eingriff vornehmen lassen, und Ihre zuständige Ärztin, Ihr zuständiger Arzt darf Sie nicht darüber informieren, dass er oder sie diesen Eingriff durchführen kann und was das bedeutet.

(Martin Reichardt [AfD]: Es geht um eine strafbare Handlung!)

Dieser Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist deswegen gut, dass diese Ampel sehr zügig, sehr rasch und aus tiefer Überzeugung heraus den § 219a streichen wird. Denn es kann nicht sein, dass Frauen im Jahre 2022 in Deutschland, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen müssen, mit dieser Realität konfrontiert sind. Diese zu ändern, dafür werden wir Sorge tragen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

In meinem Wahlkreis hat dieses Thema eine besondere Brisanz. Ich komme aus Gießen. Dort lebt und praktiziert die Ärztin Kristina Hänel. Kristina Hänel hat informiert, hat aufgeklärt, hat beraten. Man könnte auch sagen: Sie hat eigentlich nur ihren Job gemacht. Es beschämt mich zutiefst, dass sie aufgrund der geltenden Rechtslage mittlerweile eine verurteilte Straftäterin ist.

Liebe Frau Hänel, ich weiß, dass Sie zuhören. Ich sende Ihnen von dieser Stelle und im Namen aller Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments, die sich ebenso wie ich und ebenso wie diese Koalition dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet fühlen, einen herzlichen Gruß der Solidarität.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Christoph de Vries [CDU/CSU]: Interessantes Rechtsverständnis!)

Aber wir belassen es nicht nur bei Solidarität. Wir werden erstens dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Ausbildung sein werden, wir werden zweitens die Versorgungssicherheit verbessern und drittens dafür sorgen, dass Gehsteigbelästigungen durch sogenannte Lebensschützer der nötige Einhalt geboten wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Umfrage aus dem Jahr 2018 hat eine repräsentative Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der Befragten gesagt: Ja, Ärztinnen und Ärzte sollten das Recht haben, diese Informationen auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. – Die gesellschaftliche Mehrheit für das Unterfangen, den § 219a abzuschaffen, ist doch längst vorhanden, meine Damen und Herren. Gescheitert ist dieses Projekt damals am Widerstand der Union.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, den eigentlich notwendigen gesellschaftlichen Fortschritt völlig unnötigerweise auszubremsen, das ist Ihre traurige Kernkompetenz.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Wo ist denn da der Fortschritt? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Aber damit wird jetzt Schluss sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir werden dafür sorgen, dass aus dieser gesellschaftlichen Mehrheit für die Abschaffung des § 219a jetzt auch eine parlamentarische Mehrheit wird,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wo ist denn da die gesellschaftliche Mehrheit? Da ist keine gesellschaftliche Mehrheit!)

und wir werden somit dafür Sorge tragen, dass sich der Fortschritt seinen Weg bahnt.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das war ja keine gute erste Rede!)

Wir sind am Schluss dieser Debatte. Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen nicht vor.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533100
Wahlperiode 20
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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