Antje TillmannCDU/CSU - Finanzen, Haushalt
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Mit dem Titel „Steuerentlastungen in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro“ wurden wir dieses Jahr begrüßt. Und ja, alle Achtung: Ihre Marketingabteilung hat zehn von zehn Punkten verdient. Der Titel auf der Seite der größten Zeitung dieses Landes hat mit Sicherheit Eindruck gemacht, aber nur zwei Tage lang.
Ich danke allen Fachjournalisten, die sich in den Tagen danach auf den Weg gemacht haben, diesen 30 Milliarden Euro hinterherzuspüren. Und völlig begründet titeln dann am nächsten Tag das „Handelsblatt“: „Lindners Taschenspielertrick“ oder die „Welt“: „Die Steuer-Schwindelei des Christian Lindner“.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Unterlegen wir die 30 Milliarden Euro mal kurz mit Zahlen. Mathias Middelberg hat auf die 5 Milliarden Euro für die Rentenbesteuerung schon hingewiesen. Daneben ist allein bei einer Inflation von 3 Prozent die Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags, die verfassungsrechtlich geboten sind, mit 23 Milliarden Euro für diese Legislaturperiode zu finanzieren. Das sind dann 28 Milliarden Euro. Zu Ihren 30 Milliarden fehlen noch 2 Milliarden; das, verteilt auf vier Jahre, heißt, dass sich Ihr gesamtes steuerpolitisches Konzept für diese Legislaturperiode im Rahmen von 500 Millionen Euro pro Jahr abspielt.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Uijuijui!)
Sie haben in Ihrem Interview in der „Bild“-Zeitung – zu Recht – nicht näher ausgeführt, was Sie damit machen wollen.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie Zeitung lesen, wissen wir ja jetzt!)
Das haben Sie heute nachgeholt. Alleine die beiden Maßnahmen Homeoffice-Pauschale und Pflegepauschale bekommen Sie mit diesen 500 Millionen Euro nicht finanziert. So wichtig diese Maßnahmen für die Betroffenen sind: Wenn das das finanzpolitische Programm für diese Legislaturperiode ist, dann mache ich mir deutlich Sorgen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben die Ausweitung des Verlustrücktrags angesprochen; das ist eine wichtige Maßnahme. Aber wenn ich dann lese, was in Ihrem Wahlprogramm noch alles versprochen wurde – die Abflachung des Mittelstandsbauchs, eine wichtige Maßnahme; Spitzensteuersatz nur für Spitzenverdiener, das würden wir sofort unterstützen; die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags, an der Sie ja den Koalitionsvertrag mit uns haben scheitern lassen –, dann stelle ich fest: All diese Maßnahmen haben es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft.
(Christian Dürr [FDP]: Die Koalition kann ja nicht alle Maßnahmen gleichzeitig umsetzen!)
Auch nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat es der Freibetrag für die Grunderwerbsteuer. Stattdessen schwurbelt Herr Dürr bei der Frage, welche Förderprogramme im Bundeshaushalt reduziert werden sollen, über das Baukindergeld. Da die Frist für das Baukindergeld aber längst abgelaufen ist, können Sie eine Einsparung nur erzielen, wenn Sie rückwirkend in die Fristen eingreifen. Ich kann Ihnen schon jetzt den Widerstand unserer Fraktion ankündigen. Das ist mit uns nicht zu machen. Lassen Sie die Finger vom Baukindergeld!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Den zweiten Hinweis, wo Sie Geld aus dem Bundeshaushalt hernehmen wollen, gibt Herr Dürr im gleichen Interview: Man sollte doch endlich mal die Personalkosten der aufgeblähten Bundesregierungsverwaltung reduzieren.
(Christian Dürr [FDP]: Aus Ihrer Regierungszeit! Was Sie seit 16 Jahren verursacht haben! 16 Jahre haben Sie regiert! Legen Sie Ihre Demenz mal ab hier!)
Sie haben in der Kommunikation einen Fehler gemacht: Sie haben die 324 zusätzlichen Stellen, die Sie für Ihre Regierung geschaffen haben, zwei Tage vor diesem Interview öffentlich gemacht, sodass bei ntv und den Zeitungen der Einsparungsvorschlag von Herrn Dürr genau neben der Ausweitung der Personalstellen steht, und ehrlich gesagt: Das kommt ein bisschen blöd.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Sie haben ein Corona-Steuerhilfegesetz angekündigt. Ich habe Ihnen schon gesagt: Bei den 30 Milliarden Euro haben Sie dafür überhaupt keinen Spielraum. Aber Sie können ja auch Dinge tun, die nicht so teuer sind. Sie hätten die Abgabefristen für Steuerberater verlängern können; das kündigen Sie jetzt für Ihr Corona-Steuerhilfegesetz an. Wenn ich mal hochrechne, wie lange eine Gesetzgebung braucht, dann komme ich auf drei Monate Minimum. Dann ist die alte Frist schon fast abgelaufen; das können Sie sich dann auch sparen.
(Christian Dürr [FDP]: Frau Tillmann, schließen Sie nicht immer von sich auf andere! Das ist ein großer Fehler! Wir sind nicht so schlecht wie die Union!)
Sie haben gestern die reguläre Frist für eine Stellungnahme zur EU-Taxonomie ablaufen lassen. Sie hätten uns heute sagen können, wie Sie auf Dauer verhindern wollen, dass demnächst EU-Fördermittel in Atomkraftwerke fließen. Die Kollegen von den Grünen haben Sie darauf hingewiesen. Nichts haben Sie in Ihrer Rede dazu gesagt.
Sie haben sich sehr oberflächlich zur Vollendung der Bankenunion bekannt. Auch das steht in diesem Sommer an. Ich wüsste sehr gerne, wie Sie die Unterlegung von Staatsanleihen mit Eigenkapital in der EU durchsetzen wollen. Allein der Satz „Wir vollenden die Bankenunion“ ist ziemlich oberflächlich für einen Minister in dieser Legislaturperiode.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich bin sehr gespannt, ob Sie unsere Einladung in den Finanzausschuss annehmen. Das müsste sehr bald passieren; denn dieses Thema ist uns wichtig. Wir wollen die Einlagen der Sparer gesichert haben, und da ist eine Risikoreduzierung in den Bankenbilanzen auf jeden Fall erforderlich.
Kindergrundsicherung. Meine Kollegin Lisa Paus weiß, dass ich das für ein gutes Projekt halte.
(Beifall der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber eine Kindergrundsicherung, wo Sie bei finanzschwächeren Eltern Geld drauflegen wollen, geht nur mit Haushaltsgeld. In den 30 Milliarden Euro, die Sie erwähnt haben, ist dafür aber kein einziger Euro übrig. Das heißt, Sie können finanziell Schwache nur dann begünstigen, wenn Sie Besserverdienenden etwas wegnehmen. Und auch das entspricht nicht unserer Vorstellung von Familienförderung. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Letzte Zahl: kalte Progression. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, dass die kalte Progression bis 2025 30 Milliarden Euro ausmacht. Hoppla, da sind die 30 Milliarden wieder! Sie haben sich einfach vertan. Sie meinten nicht Entlastung, sondern Belastung.
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss bitte.
Auch das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich freue mich sehr auf die Diskussion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Tillmann. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dennis Rohde, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533186 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 12 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen, Haushalt |