14.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 12 / Tagesordnungspunkt 2

Florian HahnCDU/CSU - Verteidigung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich möchte eins vorwegnehmen: Viele Stellen, die Sie genannt haben, teile ich und teilt meine Fraktion, und das gilt vor allem für die letzten Sätze und den letzten Part, den Sie zur Bekämpfung des Extremismus auch in der Truppe benannt haben. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Diese Einzelfälle müssen ganz entschlossen angegangen werden. Da können Sie sich auch auf unsere Unterstützung verlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, im Sommer wollten Sie sich ja noch aus der Politik zurückziehen und Ihren wohlverdienten Ruhestand genießen. Umso mehr freue ich mich, dass ich Ihnen nunmehr für Ihre neue Amtszeit allzeit eine glückliche Hand und Gottes Segen wünschen kann. Das tue ich aus vollem Herzen; denn Sie sind nun Bundesministerin der Verteidigung und damit die Dienstherrin eines ganz besonderen Hauses mit ganz besonderen Menschen, die bereit sind, nicht nur ihrem Beruf mit außergewöhnlichem Pflichtbewusstsein nachzugehen, sondern für die Sicherheit Deutschlands und seiner Bevölkerung sowie für die Sicherheit von Deutschlands Bündnispartnern besondere Entbehrungen hinzunehmen und im Zweifel Leib und Leben zu riskieren.

Aber niemand kann erwarten, dass Sie als Politikerin, die in ihrer langen Karriere bisher wenig Erfahrung in diesem Themenfeld gesammelt hat, nach wenigen Tagen bereits jeden Dienstgrad aufzählen oder gar alle Untiefen der Verteidigungspolitik kennen können.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Und was ist mit Kramp-Karrenbauer?)

Aber Sie sind jetzt trotzdem die IBuK, die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt. Das erfordert die tausendprozentige Bereitschaft, sich mit voller Energie und Einsatzkraft in das für Sie neue Thema zu stürzen, so wie es auch Ihren beiden Vorgängerinnen sehr gut gelungen ist.

Manchmal kann ein Start auch ein bisschen holprig sein. So berichten sowohl Mitarbeiter Ihres Hauses als auch die Medien von einer eher kühlen Übernahme des Ressorts. Auch gab es bis heute weder am ersten Dienstsitz in Bonn noch in Ihrem hier in Berlin eine Mitarbeiterversammlung. Das ist schon eher ungewöhnlich – aber egal. Dies spielt keine Rolle mehr, wenn man seine Formulierungen dennoch klug wählt und die richtigen Ziele beschreibt. Da war Ihre Rede heute hier schon ein Fortschritt im Gegensatz zu einem anderen Fall, nämlich Ihrem prominenten Interview in der „Bild am Sonntag“. Dort haben Sie, Frau Ministerin, unzähligen Soldatinnen und Soldaten auf die Füße getreten. Das zeigt sich nicht nur in zahlreichen Briefen, sondern auch in Kopien von Eingaben an die Wehrbeauftragte, von denen ich Kenntnis habe.

Frau Ministerin, noch einmal: Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie bereits jetzt vollumfänglich Kenntnis über Laufbahngruppen oder die Personalentwicklung haben. Aber wie kommen Sie dazu, bereits jetzt davon zu sprechen, dass Frauen ausgebremst werden oder die Männer die Topjobs unter sich ausmachen?

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sie so nicht gesagt!)

Wo und wie haben Sie die gläserne Decke identifiziert, an die Soldatinnen stoßen? Sie wollen, dass es noch in Ihrer ersten Amtszeit zu einer ersten Frau General außerhalb des Sanitätsdienstes kommt. Wissen Sie, dass es hierzu bereits jetzt schon eine Frau Oberst geben müsste, damit dies in dieser Legislatur überhaupt möglich ist?

(Zuruf von der SPD: Das ist Bürokratendenken!)

Ich möchte Ihnen mal drei Dinge sagen:

Erstens. Zum Begriff „Job“: Der Soldatenberuf ist kein Beruf wie jeder andere, und deshalb passt der Begriff „Job“ schon gar nicht.

Zweitens. Da Frauen erst seit dem Jahr 2000 den aktiven Militärdienst in der Bundeswehr ausüben können, ist es überhaupt nicht möglich, dass Frauen bereits heute Oberst sind, und deshalb gibt es auch keine außerhalb des Sanitätsdienstes.

(Zuruf von der SPD: Quatsch! Das ist ja peinlich!)

Drittens. Regierung und Parlament haben in den letzten Jahren alles darangesetzt, dass es verschiedene Förderprogramme für Soldatinnen in der Bundeswehr gibt und dass eventuelle Karrierenachteile, beispielsweise aufgrund von Elternzeit, ausgeglichen werden.

Ich möchte deswegen festhalten: Es gibt keine gläserne Decke, und wer das behauptet, der schadet der Bundeswehr und irritiert vor allem die Frauen und Männer des Personalmanagements. Außerdem wird damit den Soldaten hier ein ehrenrühriges und kaum kameradschaftliches Verhalten unterstellt, und das weise ich ausdrücklich zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, weder im Koalitionsvertrag noch in der heutigen Rede ist eine klare Marschrichtung in der Verteidigungspolitik deutlich gemacht worden. Wo ist die im Koalitionsvertrag beschriebene Bestandsaufnahme? Da sind einige Ihrer Kabinettskollegen deutlich weiter. Mir scheint, die haben sich über den Jahreswechsel intensiv in ihre neuen Aufgaben eingearbeitet.

Frau Ministerin, als Fachpolitiker wissen wir, dass die Bundeswehr weiter modernisiert werden muss. Generalinspekteur General Zorn sowie ihre Vorgängerin Kramp-Karrenbauer hatten in den letzten zwölf Monaten gerade auch mit Blick auf den Strategischen Kompass der EU, abgeleitet aus der gemeinsamen Bedrohungsanalyse, aufgezeigt, wo die Lücken zwischen Auftrag und Verteidigungshaushalt sind.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Viel Papier, und passiert ist nichts!)

Wie wollen Sie damit umgehen? Die Untersuchungen und Anpassungsoptionen liegen alle auf dem Tisch. Wann entscheiden Sie? Wie geht es mit dem Haushalt weiter?

Da kann man sagen: Ja, das ist eine Binse; natürlich muss er steigen. – Aber sehr geehrte Damen und Herren, mit Blick auf den Koalitionsvertrag stelle ich fest: Statt klarer Bekenntnisse zu unseren Bündnisverpflichtungen wird das 2‑Prozent-Ziel der NATO heimlich kassiert.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das Bekenntnis steht klar drin!)

Unter dem Deckmantel eines 3‑Prozent-Ziels – 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen für das gesamte internationale Engagement ausgegeben werden –

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Inklusive NATO-Verpflichtungen! – Dr. Marcus Faber [FDP]: 3 ist mehr als 2!)

wird in Wahrheit die Kürzung der Ausgaben für die Bundeswehr vorbereitet. Damit ist die dringend notwendige und geplante Vollausstattung der Truppe gefährdet. Das werden wir Ihnen von der Regierungskoalition, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, die CDU/CSU-Fraktion hat sich schon immer ganz besonders für die Sicherheitspolitik und für unsere Bundeswehr eingesetzt. Deshalb erlauben wir uns, noch ein paar konkrete Forderungen an Sie zu richten:

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: All das, was AKK jahrelang nicht hinbekommen hat!)

Leiten Sie die sofortige Nachfolgebeschaffung des Tornados ein! Die Fakten liegen alle auf dem Tisch. Riskieren Sie durch Verzögerungen nicht höhere Ausgaben, unnötige Fähigkeitslücken und den Vertrauensverlust bei unseren Partnern!

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Wir machen nicht Ihre Fehler!)

Halten Sie an der nuklearen Teilhabe fest! Sie ist und bleibt fundamentaler Bestandteil der NATO und ist ein zentraler Beitrag Deutschlands für die Sicherheit Europas. Entscheiden Sie schnell über den dringend benötigten schweren Transporthubschrauber!

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: All das, was AKK jahrelang nicht gemacht hat!)

Sie haben beschrieben, unter welchen Voraussetzungen unsere Soldatinnen und Soldaten in Mali Dienst leisten.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: 16 Jahre Union im Verteidigungsministerium!)

Sorgen Sie dafür, dass unsere Kräfte in der Sahelzone schnellstens durch bewaffnete Drohnen geschützt werden, und stellen Sie sicher, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode die Führungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft einer Heeresdivision nicht nur per PowerPoint, sondern real verfügbar haben! Wir haben das – zuletzt hat es der frühere Außenminister Maas – international zugesichert. Wir brauchen voll ausgestattete, führungsfähige und aus sich heraus einsatzfähige Landstreitkräfte.

(Zuruf von der SPD: Das ist aber eine schlechte Bilanz!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, wie ernst die sicherheitspolitische Lage ist, zeigt die Situation an der ukrainischen Grenze, und ich bin dankbar, dass Sie diese nicht nur erwähnt, sondern auch vollumfänglich dargestellt haben; wir teilen das. Diese Realitäten zeigen, dass es im Zweifel notwendig ist, einem zu allen Mitteln entschlossenen Herausforderer ebenso entschlossen entgegenzutreten. Nur das wird ihn erfolgreich aufhalten. Deshalb brauchen wir eine starke Bundeswehr, eine starke NATO und ein starkes freies Europa, das zusammenhält.

Abschließend möchte ich allen unseren Soldatinnen und Soldaten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr zurufen: Danke für Ihren Dienst und Gottes Segen für Ihr zukünftiges Schaffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Während das Pult hier vorbereitet wird – ich bedanke mich übrigens herzlich dafür, dass das inzwischen in dieser Weise läuft –,

(Beifall)

gestatte ich mir den Hinweis, dass die Allgemeinverfügung der Präsidentin eindeutig ist: Die Maske kann am Redepult abgenommen werden, die amtierenden Präsidentinnen und Präsidenten tragen keine Maske, und natürlich kann man zur Kurzintervention am Mikrofon zur besseren Verständlichkeit die Maske abnehmen. Die Allgemeinverfügung beinhaltet nicht das Abnehmen der Maske für Zwischenrufe. Ich bitte Sie, darauf zu achten.

Nun hat aber die Kollegin Agnieszka Brugger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533223
Wahlperiode 20
Sitzung 12
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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