14.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 12 / Tagesordnungspunkt 2

Rüdiger LucassenAfD - Verteidigung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, Sie haben einen gesunden Abgeordneten, der täglich seinen Coronatest macht und nachweist, dass er negativ ist, aus dem Plenarsaal verwiesen und verbannt. Sie haben die Macht dazu.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Zum Thema!)

Aber ob das klug ist, wird sich schnell erweisen. Der vor fast 160 Jahren ermordete US-Präsident Abraham Lincoln sagte: „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Zum Glück hat die AfD ja keine!)

Sehr geehrte Präsidentschaft, laden Sie bitte möglichst schnell zu einer interfraktionellen Besprechung ein,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Zur Tagesordnung!)

die geeignet ist, eine Lösung zu finden, die diesem Haus die Würde und den Respekt zurückverleiht, die es vor den Augen der Bürger in unserem Land dringend benötigt.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abgeordneter Lucassen, ich habe die Uhr angehalten; das heißt, von Ihrer verbleibenden Redezeit wird jetzt nichts weggehen.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihnen nicht das Recht zusteht, die amtierende Präsidentin in ihrer Amtsführung in der laufenden Sitzung zu kritisieren und ihr Handeln zu bewerten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Im Wiederholungsfall behalte ich mir vor, einen entsprechenden Ordnungsruf zu erteilen und die vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen.

Für alle, die noch nicht so lange unter uns sind: Sollte es – und das kann vorkommen – berechtigte Kritik am Handeln von amtierenden Präsidentinnen und Präsidenten geben, dann gibt es einen Ort und ein Gremium, in dem das geklärt wird: Das ist der Ältestenrat des Deutschen Bundestages, in dem alle Fraktionen vertreten sind. Sollte es zu fehlerhaften Einschätzungen oder anderen Dingen gekommen sein, dann wird dies selbstverständlich auch öffentlich nachvollziehbar kritisiert.

Herr Lucassen, Sie haben jetzt das Wort zu Ihrem Redebeitrag namens der AfD-Fraktion.

Danke. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Lambrecht, nehmen Sie es einem klassischen Verteidigungspolitiker wie mir nicht übel, wenn die Erwartungen an Ihre Amtsführung nicht sehr groß sind. Das hat zwei Gründe:

Zum einen erklärten Sie selbst noch im November 2020 Ihren Ausstieg aus der Politik, Stichwort „Glaubwürdigkeit“. Zum anderen haben wir in den vergangenen acht Jahren viel Erfahrung mit fachfremden Verteidigungsministerinnen machen können. Dass wir da voreingenommen sind, ist menschlich.

Aber: Sollte es doch anders als erwartet kommen und Sie schaffen es, die Bundeswehr voranzubringen, so wie Sie es heute auch schon angedeutet haben, werde ich meine Voreingenommenheit an dieser Stelle als Fehler zugeben.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Sehr großzügig! – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Da bin ich jetzt erleichtert!)

Im Übrigen – das sei an dieser Stelle auch gesagt – haben Ihre männlichen Amtsvorgänger ebenfalls versagt. Weder also ein Mann als BMVg-Chef ist Garant für solide Verteidigungspolitik, und schon gar nicht war es die CDU.

(Beifall bei der AfD)

Die Aufgaben, die vor Ihnen liegen, sind immens. Es sind im Großen und Ganzen die gleichen geblieben wie bei Ihren Vorgängerinnen. Exemplarisch will ich nennen:

Erstens: die großen Beschaffungsvorhaben. Elementare Waffensysteme brauchen dringend Nachfolger: Tornado, schwerer Transporthubschrauber. Ganze Fähigkeitslücken müssen geschlossen werden: Taktisches Luftverteidigungssystem, bewaffnete Drohnen.

Zweitens. Die Personalgewinnung der Bundeswehr muss zukunftsfähig gemacht werden. In den Fachblättern wird seit Wochen über eine weitere Verkleinerung der Bundeswehr gemunkelt. Das wäre eine fatale Entscheidung für die Sicherheit Deutschlands. Der ehrliche Grund für diese Planspiele ist folgender: Seit Aussetzung der Wehrpflicht vor zehn Jahren ist es zu keinem Zeitpunkt gelungen, ausreichend Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. Es wäre ein fataler Irrweg, über eine Reduktion der Truppenstärke nachzudenken. Das wäre ein Offenbarungseid.

(Beifall bei der AfD)

Drittens. Unterziehen Sie die Auslandseinsätze der Bundeswehr einer ernsthaften Prüfung. Tun Sie das, was alle Bundesregierungen immer sagten, und ziehen Sie die Lehren aus dem gescheiterten Afghanistan-Einsatz. Die deutschen Kontingente in Mali und im Irak tragen eben nicht zur Stabilisierung bei. In Mali wird am laufenden Band geputscht, im Irak beschießen sich die Volksgruppen mit Raketen – und mittendrin unsere Bundeswehr, mit unklarem Auftrag und ohne Strategie. Im besten Fall schaffen es unsere Soldaten – Sie haben es vorhin selbst gesagt –, keine Verluste zu erleiden. Das ist aber zu wenig.

(Beifall bei der AfD)

Frau Ministerin, um wirklich erfolgreich an die Großbaustellen der Bundeswehr herangehen zu können, müssten Sie aber das tun, was seit 1990 keiner Regierung gelungen ist: Sie müssten eine Etage höher gehen und die Daseinsfrage für die Bundeswehr endlich belastbar beantworten. Wozu wollen wir deutsche Streitkräfte haben? Eine ganz einfache Frage mit einer extrem schwierigen Antwort.

Vielleicht hilft die folgende Herangehensweise: Stellen Sie sich vor, Deutschland hätte keine Bundeswehr. Für welchen Zweck würden Sie sie aufstellen? Um sie nach Mali oder in den Irak zu senden? Wohl kaum! Um sie in Gesundheitsämtern oder bei Aufräumarbeiten nach einer Naturkatastrophe einzusetzen? Sicherlich nicht! Gehen Sie diese Liste weiter durch, und Sie kommen am Ende zwangsläufig bei der einzig vertretbaren Aufgabe für deutsche Streitkräfte an: die Daseinsvorsorge für die Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen, so wie es im Grundgesetz steht.

Aber: Die wirkliche Schwierigkeit besteht darin, zu definieren, was die Bundeswehr dazu benötigt. Um diese Frage seriös zu beantworten, braucht man eine ehrliche Bedrohungsanalyse – nicht nur für heute, sondern für die nächsten 10 bis 20 Jahre. Man muss die Verlässlichkeit von Bündnissen abschätzen, und man muss den deutschen Anspruch in Europa und in der Welt definieren. Wenn dies alles steht, dann fallen auch die Antworten auf alle anderen Fragen der Verteidigungspolitik leichter: Wie viele Soldaten brauchen wir? Wie viele Panzer, Schiffe, Drohnen brauchen wir? Und welchen Ansprüchen müssen unsere Soldaten genügen?

Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, eine Veranstaltungsreihe unter Führung des BMVg zu initiieren als Startschuss zur Beantwortung dieser wichtigen Frage: Wozu brauchen wir Streitkräfte? Und wenn Sie heute erwähnt haben, dass Sie das Beschaffungswesen grundsätzlich und gründlich erneuern wollen, dann empfehle ich Ihnen, da anzufangen, wo wir alle den Abholpunkt haben, beim Grundgesetz, und sich zu überlegen, ob die Trennung von §§ 87a und 87b noch zeitgemäß ist.

(Beifall bei der AfD)

Frau Ministerin Lambrecht, für mich haben Sie den wichtigsten Posten im Bundeskabinett inne. Sie sind verantwortlich für die Daseinsvorsorge unseres Landes, käme es einmal zum Äußersten. Auch hier im Saal, aber auch in der Gesellschaft täten alle gut daran, sich dieses wieder mehr bewusst zu machen, damit die Vorbereitung auf das Schlimmste gelingt und dieses in Gottes Namen nie eintreten möge.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat der Kollege Dr. Marcus Faber für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533226
Wahlperiode 20
Sitzung 12
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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