Marco BuschmannFDP - Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-Impfpflicht
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zwei Bemerkungen vorneweg. Erstens. Wenn man merken wollte, dass die AfD zur Sache nichts beizutragen hat, dann hat man das jetzt gesehen. Ihre Rede hat nichts gezeigt außer wüsten Beschimpfungen
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist so lächerlich!)
und dem Fehlen von sachlichen Argumenten in der Debatte, Herr Chrupalla. Das war, glaube ich, ein Schuss in den Ofen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Tino Chrupalla [AfD]: Ich habe noch gar nicht angefangen, zu schimpfen! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie hätten zuhören sollen!)
Zweitens. Ich möchte mich bedanken. Ich möchte mich als Abgeordneter bei den Fraktionen bedanken, dass sie dieses Debattenformat hier möglich gemacht haben; denn es ist der Sache angemessen. Es ist auch dem Parlament angemessen, denn wir merken ja: Überall – in den Freundeskreisen, in den Ortsverbänden der Parteien, in den Milieus, in den Vereinen – wird über diese Sache sehr leidenschaftlich, zum Teil auch sehr hitzig debattiert. Da gelten auch manch alte Regeln nicht. Deshalb ist es richtig und gut, dass dieses Verfahren dafür sorgt, dass jede Kollegin und jeder Kollege absolut frei von allen Sorgen seine Bedenken, seine Argumente hier vortragen kann. Das zeigt, dass das Gegenteil von dem richtig ist, was Sie behauptet haben, Herr Chrupalla: Es gilt eben nicht die Logik der Macht, sondern es gilt die Logik des Arguments und des frei gesprochenen Wortes, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Wer aus einer schwierigen Frage der Ethik eine parteitaktische Frage der Macht machen möchte, beweist, dass er oder sie die Dimension der Frage nicht verstanden hat, Herr Chrupalla.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Ich möchte ein paar Anmerkungen aus rechtlicher Sicht machen, wohlgemerkt nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern weil ich das Recht zu meinem Beruf gemacht habe und mich, seit ich hier im Parlament tätig bin, auch immer um Fragen des Rechts gekümmert habe. Wenn es um die Frage der Impfpflicht geht, höre ich immer wieder, dazu könne das Verfassungsrecht in Wahrheit keinen Beitrag leisten; denn Karlsruhe habe doch dem Gesetzgeber eine Carte blanche gegeben. Diesem Missverständnis möchte ich hier entgegentreten. Was Karlsruhe in der Entscheidung zur Bundesnotbremse gesagt hat, war, dass diese Frage so komplex, so schwierig, auch mit so vielen prognostischen Elementen, also letztendlich Spekulationen auf die Zukunft versehen ist, dass Richter ihre Beurteilung nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen können. Das heißt aber nicht, dass wir frei sind, sondern dass wir umso sorgfältiger über diese Frage ringen müssen, weil nach uns vermutlich keine andere Instanz mehr kommen wird. Auch deshalb ist dieses Verfahren der Sache angemessen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Beitrag des Verfassungsrechts zu dieser Debatte ist neben den medizinischen und ethischen Fragen enorm; denn unsere Verfassung verlangt von uns, dass wir das Ziel klar benennen. Da reicht es nicht, von einer Botschaft an die Geimpften oder Ungeimpften zu reden; dass die einen die guten oder die anderen die schlechten Bürger seien. Da reicht es auch nicht, zu sagen, dass es doch klug und besser wäre, wenn ein Mensch mit Diabetes sich impfen lassen würde; denn wenn es lediglich um den medizinischen Eigenschutz geht, reicht das nicht aus. Das wäre Paternalismus; das wird man im Lande Immanuel Kants noch sagen dürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Worum es gehen muss, ist der Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems, die Verteidigung der Intensivstationen und auch der normalen Stationen vor Überlastung. Darum muss es gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb müssen wir uns die Frage stellen, und zwar ernsthaft: Ist das auch mit milderen Mitteln möglich? Meine Bitte ist, dass wir uns zwei Fragen wirklich sehr ernsthaft vornehmen:
Erstens. Wenn der Coronaexpertenrat sagt, dass insbesondere die Gruppe der über 50-jährigen Ungeimpften hinsichtlich der Frage einer künftigen Überlastung der Intensivstationen die größte Sorge bereitet, müssen wir die mildere Alternative einer altersbezogenen, einer gestuften Impfpflicht sehr ernst nehmen.
Aber auch die Anhänger dieser gestuften Impfpflicht müssen sich ernsthaft diese zweite Frage stellen: Wenn wir die sehr vielversprechenden antiviralen Medikamente, die in den Studien eine extrem hohe Wirksamkeit zeigen, schnell und flächendeckend zur Verfügung stellen, ist dies nicht möglicherweise auch eine Perspektive und ein Beitrag, um unsere Intensivstationen und unsere Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen?
Ich traue mir heute da noch keine abschließende Meinung zu. Aber wir müssen diese milderen Alternativen nach bestem Wissen und Gewissen prüfen, und darum möchte ich bitten in dieser Debatte.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Nächste Rednerin: die Abgeordnete Kathrin Vogler aus der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533314 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 13 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-Impfpflicht |