Katrin Helling-PlahrFDP - Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-Impfpflicht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich setze mich für eine allgemeine Impfpflicht ein. Ich mache das gerade als Liberale, als Juristin nicht leichtfertig; denn natürlich sind Pflichtimpfungen Eingriffe in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung. Aber, meine Damen und Herren, was ist die Alternative zur allgemeinen Impfpflicht? Professor Wißmann von der Universität Münster hat sehr treffend formuliert: Die Impfpflicht ist das mildere Mittel, als „den freien Staat in Lockdown-Endlosschleifen abzuschaffen.“
Ich möchte nicht, dass unsere Kinder jeden Winter bangen müssen, ob und wie lange sie in Kita und Schule gehen können. Ich möchte nicht, dass meine Generation sich fortwährend Sorgen um die Gesundheit der Kinder und der oft vorerkrankten Eltern machen muss, und das, während sie zugleich um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten muss, weil die Leute zum Beispiel nicht in Gastronomie oder Einzelhandel gehen. Und da ist es am Ende auch egal, ob die Leute deshalb zu Hause bleiben, weil sie es staatlich verordnet bekommen oder weil sie es aus eigener Vernunft heraus tun. Ich möchte nicht, dass Krebskranke auf notwendige Behandlungen warten müssen. All diese Maßnahmen und Einschränkungen sind auch Grundrechtseingriffe.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unser Gesundheitssystem gerät an seine Grenzen, wenn eine große Coronawelle auf uns zurollt. Wir können uns auf den Kopf stellen: Das bekommen wir so schnell nicht gelöst. Dann bleibt – zugespitzt formuliert – die Wahl zwischen Impfen und Schließen. Ich finde, wir müssen Covid-19 zu einer beherrschbaren, zu einer handhabbaren Erkrankung machen, zu einer, die nicht mehr die gesamte Gesellschaft zum Stillstand bringt. Die Impfung ist der wirksamste Schutz gegen das Virus, egal in welcher Mutante. Auch bei Omikron verhindert eine dreifache Impfung schwere Verläufe, Hospitalisierungen, Aufenthalte auf Intensivstationen und Todesfälle.
Richtig ist, dass ältere Personen ein besonders hohes Risiko haben, an schweren Verläufen zu erkranken. Eine altersbezogene Impfpflicht ist dennoch keine Option; denn wer sich auf diese Gruppe beschränkt, läuft sehenden Auges in Abgrenzungsschwierigkeiten und Wertungswidersprüche.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was ist denn mit dem 40-jährigen Typ-2-Diabetiker? Was ist mit der 20-jährigen Schwangeren?
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die können sich doch impfen lassen!)
Ihre Risiken sind genauso hoch wie oder gar höher als die rüstiger Rentner. Eine altersbezogene Impfpflicht ist natürlich auch nicht genauso wirksam wie eine allgemeine Impfpflicht. Und es gibt starke Stimmen in der Wissenschaft, die darauf hinweisen, dass eine Impfpflicht jenseits einer gewissen Altersschwelle bei den anderen Altersgruppen genau den gegenteiligen Effekt haben wird. Diese glauben dann, dass die ganze Frage sie nicht betreffe, sie sich nicht so dringend impfen lassen müssten; denn sie sind ja eben nicht von der Pflicht erfasst.
Richtig ist auch, dass wir keine Glaskugel haben. Es kann sein, dass wir die Impfpflicht früher oder später nicht mehr brauchen. Man kann sie auch nicht von heute auf morgen beschließen. Deswegen ist es selbstverständlich, dass wir fortwährend streng prüfen, ob eine Impfpflicht weiter angemessen ist und ob wir ein Gesetz von vornherein kurz befristen.
Meine Damen und Herren, nach alledem halte ich die allgemeine Impfpflicht in unserer Situation in der Abwägung für das kleinste Übel und eine Chance.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)
Gestatten Sie mir mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen von der Union noch einen letzten Satz: Ich bin verdammt froh, dass ich einer Fraktion angehöre, in der ich ein Gewissen haben darf.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Unglaublich! – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Unglaublich! – Weiterer Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das mit dem Gewissen klären wir noch mal.
Als Nächstes erhält das Wort – von der Tribüne aus – der fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich; auch für zwei Minuten, und Ihre zwei Minuten werden auch sofort eingeblendet, sodass Sie Ihre Zeit sehen können. Bitte schön.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533333 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 13 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-Impfpflicht |