26.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 13 / Tagesordnungspunkt 3

Linda TeutebergFDP - Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-Impfpflicht

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Impfen ist eine Errungenschaft und ein Segen. Es ist ein Segen, dass in unserem Land allen Menschen, die sich impfen lassen wollen, so schnell ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Das ist auch ein Zeichen der Leistungsfähigkeit eines Gemeinwesens, in dem Wissenschaft und unternehmerische Betätigung viel Freiheit und Respekt bekommen. Zugleich ist auch die Selbstbestimmung erwachsener Menschen über Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit Kennzeichen dieses liberalen Gemeinwesens. Das schätzen auch viele geimpfte Bürgerinnen und Bürger.

„Trotz ist das Gegenteil von Unabhängigkeit“, hat Friedrich Nietzsche einmal gesagt. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Diese wichtige Debatte über eine mögliche allgemeine Coronaimpfpflicht und das Impfen taugt weder dafür, sich selbstgefällig als Widerstandskämpfer zu stilisieren und wirkliche Diktaturen zu verharmlosen, noch taugt sie dafür, ein Exempel zu statuieren und es bestimmten Bevölkerungsgruppen mal zu zeigen und ein Signal zu setzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sowohl Impfangst als auch Wut darüber sind schlechte Ratgeber. Ich möchte gern ganz bewusst aufgreifen, was Frau Kollegin Baehrens gesagt hat, und es noch weiterführen:

(Abg. Stephan Brandner [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Wolfgang Kubicki [FDP]: Es gibt keine Zwischenfragen!)

Zumutung und Gegner in dieser Pandemie ist das Virus. Es ist nicht der Mitmensch und nicht unser politisches System, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Zweifel an einer allgemeinen Impfpflicht sind allerdings vorhanden, und sie sind eher noch gewachsen. Sie beruhen einerseits auf Zweifeln an der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeit, andererseits auf Fragen der praktischen Umsetzung und Durchsetzbarkeit – die übrigens bei Lichte besehen auch die Verhältnismäßigkeit beeinflussen, weil sie bestimmen, wie wirksam eine Impfpflicht tatsächlich überhaupt sein kann – und auf der Frage des dadurch verursachten politischen Vertrauensschadens und gesellschaftlicher Verwerfungen. Die Nebenwirkungen, wie es eine Kollegin gerade auch schon ausgedrückt hat, einer allgemeinen Impfpflicht sind ziemlich ersichtlich. Ihr Nutzen ist immer fraglicher.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns, glaube ich, hier überhaupt nicht die guten Absichten absprechen, sondern über den Weg streiten. Es wäre auch die falsche Alternative, einer allgemeinen Impfpflicht Nichtstun entgegenzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe hier nicht die Zeit, auf alles einzugehen. Ich nenne mal ein paar Anregungen: Politik aufgrund aktueller und aussagekräftiger Zahlen statt Politik mit Zahlen zu betreiben, die Testkapazitäten auszuweiten und als Teil vorausschauender Politik immer rechtzeitig vorzuhalten und vieles mehr, wären Ansätze.

Die Pandemie ist eine Prüfung – eine Prüfung für unsere Fähigkeit, auch mit der Ungewissheit und Komplexität der Situation und einer modernen Gesellschaft umzugehen. Eine Prüfung für unsere Fähigkeit und Bereitschaft zur Differenzierung und unsere Fähigkeit und Bereitschaft, nachvollziehbar damit umzugehen, was wir wissen und was wir nicht wissen. Lassen Sie uns trotz der kräfte- und nervenzehrenden Zumutung dieser Pandemie die Fassung bewahren und unsere Verfassung achten. Lassen Sie uns der Versuchung widerstehen, in einfache binäre Logiken von Schwarz und Weiß, Gut und Böse und manchem anderen zu verfallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schick geworden, verächtlich über Freiheit und Grundrechte zu reden. Freiheitsgrundrechte und Verhältnismäßigkeit, die sind nicht vulgär, die sind nicht orthodox, die sind auch nicht formalistisch, die sind systemrelevant für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

(Beifall bei der FDP)

Einige Redebeiträge – auch meines Vorredners eben und manch andere – zeigen doch: Gerade in dieser Zeit dürfen wir die Grundrechte nicht mit den Vertretern des Abstrusen alleinlassen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])

Auch das ist ein Grund des Antrags, an dem ich mit anderen Kolleginnen und Kollegen arbeite. Bei so einem ernsten, schwierigen Thema wie einer allgemeinen Impfpflicht gegen Corona geht es nicht um Gesichtswahrung von Politikerinnen und Politikern im Hinblick auf Versprechen oder Ankündigungen. Es geht um etwas Grundsätzliches über den Tag hinaus: um die Wahrung des Gesichts unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Alice Weidel [AfD]: Redezeit!)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Auf dass wir unser Land nach der Pandemie als offene Gesellschaft, als liberale Demokratie und als freiheitlichen Rechtsstaat wiedererkennen!

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Jetzt sind wir schon bei 4 Minuten und 30 Sekunden!)

Lassen Sie uns deshalb genau zeigen: Es gibt einen Unterschied zwischen einer entschlossenen, klugen Pandemiebekämpfung einerseits –

(Dr. Alice Weidel [AfD]: 4 Minuten und 40 Sekunden!)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– und einer schleichenden Gewöhnung an ein Übermaß staatlicher Eingriffe andererseits.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Dr. Alice Weidel [AfD]: Voll überzogen! Wahnsinn! Unglaublich! 45 Sekunden überzogen!)

Als Nächstes erhält das Wort der fraktionslose Abgeordnete Johannes Huber für zwei Minuten. Wir werden das Ende der Redezeit dann sofort einblenden. – Bitte schön.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533339
Wahlperiode 20
Sitzung 13
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zur SARS-CoV-2-Impfpflicht
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