27.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 1

Lars KlingbeilSPD - Vereinbarte Debatte Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung ist gestartet in einer schwierigen internationalen Situation. Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag war noch nicht einmal trocken, als die neue Regierung schon gefordert war, nicht nur mit einer schwierigen innenpolitischen Lage, der Pandemie, umzugehen, sondern auch mit einer schwierigen außenpolitischen Lage, dem sich zuspitzenden Konflikt an der russisch-ukrainischen Grenze.

Ich will meine Rede damit beginnen, dass ich dem Bundeskanzler und der Bundesaußenministerin danke für das Engagement und die Intensität des Engagements, die beide stellvertretend für die ganze Bundesregierung in den letzten Wochen an den Tag gelegt haben. Es ist wichtig, dass Deutschland europäisch und international Verantwortung übernimmt. Das erleben wir von dieser Bundesregierung. Dafür ein großer Dank an dieser Stelle!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Merz – an dieser Stelle noch einmal: Glückwunsch zur Wahl! –, ich sage Ihnen auch: Ich habe mich gefragt, wie lange die ruhige, bedächtige Tonlage, die wir in den letzten Wochen von Ihnen erlebt haben, anhält. Sie haben recht: Außenpolitik ist kein Fußballspiel. – Ich sage auch: „Außenpolitik ist mehr als Schwarz und Weiß, Außenpolitik hat nicht diese simple Einteilung in Gut und Böse“, und ich habe eine Bitte: Außenpolitik dient auch nicht der Selbstfindung einer neuen Oppositionspartei.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich glaube, dass die Bundesrepublik Deutschland immer davon geprägt war, dass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik einen Konsens hatten, der größer war als eine Regierungsmehrheit, und ich wünsche mir – diesen Wunsch möchte ich äußern –, dass wir das beibehalten.

Ich habe mich gefragt – bei Ihrer Rede gerade und auch bei einigen Kommentaren, die ich in den letzten Tagen gehört habe –: Was wünscht man sich eigentlich von der Spitze des Landes? Wir hatten eine Bundeskanzlerin, die 16 Jahre – ich will das hier erwähnen – das Land gut geführt hat, indem sie Lösungen gefunden hat, statt auf Überschriften zu setzen. Das ist das, was ich auch jetzt von einer Bundesregierung erwarte. Es gibt andere Beispiele: ein konservativer Staatslenker in Großbritannien, der die Europäische Union kaputtmacht; ein Konservativer – und Freund ja gerade der CSU – in Ungarn, Herr Orban, der die Europäische Union kaputtmacht. Ich erinnere mich daran, wie die Junge Union nach der Wahl Herrn Trump als konservativen Staatslenker gefeiert hat; er hat auf Überschriften gesetzt, internationale Beziehungen aber kaputtgemacht.

Herr Merz, das, worum es geht, ist doch, dass wir hier eine Bundesregierung haben, die mit Bedacht und lösungsorientiert in einer schwierigen Lage, wie wir sie an der russisch-ukrainischen Grenze haben, nach Lösungen sucht.

(Johannes Schraps [SPD]: So ist es!)

Das ist das, was ich von einer Bundesregierung erwarte. Deswegen noch einmal ein großer Dank an Olaf Scholz, an Annalena Baerbock für das, was wir in den letzten Wochen erlebt haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Worauf kommt es jetzt an? Ich will hier ein paar Punkte klar benennen. Das Erste ist – und das müssen wir uns jeden Tag bewusst machen –: Mitten in Europa droht gerade ein Krieg. Zwei Flugstunden von Berlin entfernt droht eine kriegerische Auseinandersetzung, die diesen Kontinent nachhaltig verändern kann. Deswegen geht es nicht um eine innenpolitische Debatte. Es geht jetzt darum, außenpolitisch alles zu tun, damit eine militärische Eskalation der Lage abgewendet werden kann.

Zweiter Punkt, um den es geht – das sage ich ganz klar –: Wir benennen sehr deutlich, von wem die Eskalation ausgeht; das ist die russische Seite. Die Eskalation, die wir gerade erleben, geht von Russland aus, und wir blicken mit großer Sorge auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, auf die innenpolitische Entwicklung in Russland, auf die Verletzung des Völkerrechts. Wir sind da klar: Wenn die territoriale Integrität der Ukraine angegriffen wird, dann gibt es eine klare, eine konsequente und eine entschiedene Antwort, die diese Bundesregierung mit den internationalen Partnern abgestimmt hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und, Herr Merz, ich weiß gar nicht, was unverständlich ist an der Aussage des Bundeskanzlers: Alle Optionen liegen auf dem Tisch. – Ich meine, es waren nicht der Vorsitzende der FDP oder die Vorsitzenden der Grünen oder der SPD, die als Erstes gerufen haben: Aber SWIFT nehmen wir aus. – Das waren Sie.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie haben der russischen Seite gezeigt, dass wir an dieser Stelle wackeln. Der Satz „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“ muss aber von allen hier unterschrieben werden.

Damit komme ich zu meinem dritten Punkt. Wir brauchen Klarheit und wir brauchen Konsequenz, wenn die russische Seite die Grenze politisch, geografisch überschreitet. Aber bis dahin konzentrieren wir uns doch jetzt bitte darauf, über Frieden zu reden. Wir brauchen doch nicht jeden Tag Drohungen, wir brauchen nicht jeden Tag Drohgebärden, wir brauchen nicht jeden Tag eine weitere Eskalation der Situation, sondern wir müssen als Bundesrepublik Deutschland deutlich machen, dass es gerade darum geht, Frieden zu organisieren, jedes Gespräch zu nutzen, jeden Dialog.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jeder Tisch, an den man sich setzen kann, ist wichtig, damit Frieden organisiert wird. Und ich sage hier ausdrücklich: Waffen zu liefern, bedeutet nicht, Friedensbemühungen zu stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ganz klar: Wir liefern keine Waffen in die Ukraine.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Der letzte Punkt, den ich ansprechen will: Ja, wenn die aktuelle Situation überwunden ist, müssen wir auch wieder die größere Perspektive in den Blick nehmen: Eine dauerhafte Friedensordnung in Europa wird es nicht geben gegen Russland, sondern nur mit Russland.

(Beifall der Abg. Dr. Ralf Stegner [SPD] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Deswegen muss der russischen Seite klar signalisiert werden: Ihr habt euch da verrannt; ihr seid auf einem völlig falschen Weg; das, was ihr gerade tut, rückt diese europäische Friedensordnung in weite Ferne. Aber das Angebot, sich an den Tisch zu setzen und darüber zu reden, wie wir Frieden und Stabilität in Europa organisieren, dieses Angebot bleibt bestehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Bevor ich das Wort zu einer Kurzintervention Friedrich Merz erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne den Botschafter der Ukraine, seine Exzellenz Herrn Dr. Andrij Melnyk. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun hat das Wort zur Kurzintervention Friedrich Merz.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533377
Wahlperiode 20
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine
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