27.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 1

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Vereinbarte Debatte Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Holocaustüberlebende Inge Auerbacher hat uns eine Aufgabe mitgegeben. Die Aufgabe lautete, eine Kerze für den Frieden zu entzünden. Wenn wir heute diese Kerze für den Frieden entzünden würden, dann würde sie in einem erheblichen Gegenwind stehen. Lassen Sie uns eine Kerze entzünden mit der heutigen Debatte für Frieden und gesicherte Freiheit – auch für die Ukraine, nicht nur für uns.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Friedrich Merz und Alexander Graf Lambsdorff haben sehr deutlich gemacht, dass der Verursacher der Eskalation in Moskau sitzt, und wir müssen sehr klar ansprechen, wo Ursache und Wirkung sind.

Es ist Geschichtsklitterung, wenn Gregor Gysi hier Russland das Wort redet und Beifall von der AfD bekommt. Denn erinnern wir uns an die Auswirkungen, was die Ukraine durchzumachen hat: Im Jahre 1994 vereinbarte man im Budapester Memorandum und in vielen Verhandlungen davor, dass die Ukraine ihren Status als drittstärkste Nuklearmacht der Welt abgibt, die Atomwaffen übergibt, um selbst Integrität und Souveränität zu erhalten. Und 2014 ist dieses Abkommen gebrochen worden. Sämtliche Nuklearverhandlungen weltweit liegen auf Eis, weil alle das Beispiel Ukraine fürchten. Das ist die Wahrheit. Herr Klingbeil, ich hätte mir gewünscht, dass Sie so klare Worte gefunden hätten wie Alexander Graf Lambsdorff oder Friedrich Merz.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das war glasklar!)

Frau Außenministerin, ich hätte mir gewünscht, dass Sie diesen Punkt deutlicher herausarbeiten. Es ist natürlich richtig, dass wir verhandeln. Aber die Bundesregierung hat in den letzten 80 Tagen kein glückliches Bild abgegeben. Unsere Hoffnung, auch die der Union, ist, dass Sie nicht in den noch verbleibenden Tagen, bis Sie die 100 Tage voll haben, die16 Jahre verantwortlichen Aufbaus verspielen.

Es war Außenminister Steinmeier, der 2014 mit dem Minsker Abkommen gemeinsam mit der Bundeskanzlerin und dem französischen Präsidenten erreicht hat, dass wir eine europäische Lösung gefunden haben. Diese europäische Lösung war damals gegen den Willen der USA, die auf eine militärische Aufrüstung der Ukraine setzten. Aber was ist denn aus 2014 geworden? Wir müssen uns doch Gedanken machen, ob unsere Art des Umgangs seit 2014 wirklich erfolgreich war.

Seit wenigen Wochen – seit wenigen Wochen – sind so viele Truppen um die Ukraine stationiert wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Wir sind am Vorabend einer kriegerischen Eskalation, wenn wir nicht aufpassen. Wir müssen schauen, dass Putin sich nicht versteigt, weil er eine Erwartungshaltung im eigenen Volk schürt, von der er nicht mehr herunterkommt. Deshalb müssen wir – das erwarte ich auch von Ihnen, Herr Bundeskanzler – alles tun, dass der Zusammenhalt der Europäischen Union gewährleistet bleibt und dass die Ukraine ernst genommen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen zu einem respektvolleren Umgang mit der Ukraine kommen und nicht sorglos glauben, dass wir als der stärkste Geber, die führende Macht in der zivilen Unterstützung der Ukraine, auf volles Verständnis stoßen. Ich möchte nicht Klitschko zitieren, weil es ein sehr ernstes Thema ist. Aber wenn die europäischen Staaten Deutschland bitten, mitzuhelfen, dass Exporte bestimmter Systeme möglich sind, dann sollten wir hinter den Kulissen ganz schnell diese Anträge gewährleisten.

Wir müssen von dem verständnisvollen Umgang mit Russland zu einem entschiedeneren Umgang mit Russland kommen. Ich denke, dass die Kanzlerin dies über viele Jahre versucht hat. Aber heute können wir das nicht fortsetzen, in dem Sinne, dass wir auf der Schiene der Beschwichtigung fahren, wenn Russland fast 80 Prozent seiner eigenen Landstreitkräfte um die Ukraine stationiert.

Diese Truppenmassierung ist einzigartig. Deswegen kommt es, damit die Kerze nicht ausgepustet wird, darauf an, dass wir gemeinsam mit der EU ein starkes Signal setzen, dass wir Biden, den wir uns statt Trump gewünscht haben, zeigen, dass wir in der Lage sind, transatlantische Lastenteilung zu gewährleisten, dass wir in der Lage sind, in der europäischen Sicherheit vorbildlich zu wirken, dass wir im systemischen Wettbewerb mit China zeigen, ob wir überhaupt in der Lage sind, in der Gleichzeitigkeit von Krisen weltweit Krisenprävention auch außerhalb Europas zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten keine Sanktionen ausschließen. Sie müssen hart verhandelt werden; nicht alles muss öffentlich gemacht werden. Aber von vornherein mit Ausschließeritis zu beginnen, ist ein Riesenfehler.

Abschließend. Wir müssen unsere Bevölkerung darauf vorbereiten, dass Sanktionen ihren Preis haben, sie werden auch uns treffen; ansonsten sind Sanktionen wirkungslos. Wenn Putin erkennt, dass wir bereit sind zu entschiedenem Handeln, ermöglichen wir ihm auch, dass er die Truppen zurückzieht. Ansonsten müssen wir geschlossen bleiben und zusammenstehen.

In dem Sinne danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir eine Kerze haben, die diesem Wind entgegensteht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich erteile das Wort Michael Roth, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533384
Wahlperiode 20
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine
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