27.01.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 1

Florian HahnCDU/CSU - Vereinbarte Debatte Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine

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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die ersten Wochen der Regierungsarbeit der neuen links-gelben Koalition betrachte,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir sind gar nicht dabei!)

muss ich immer wieder an einen Satz aus einer legendären Reportage von den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid denken. Der ZDF-Reporter Bruno Moravetz rief damals

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: „Wo ist Behle?“)

mit Blick auf den Verlauf des Langlauf-Wettkampfs: „Wo ist Behle? Behle haben wir noch nicht gesehen. Wir wissen nichts, wir sehen ihn nicht. Behle ist weg.“ – Wie würde Moravetz wohl die aktuelle Arbeit der Bundesregierung und ihre Performance zu den aktuellen Topthemen wie Impfpflicht oder Ukraine-Krise kommentieren? Er würde vermutlich rufen: Wo ist Scholz? Scholz haben wir noch nicht gesehen. Wir wissen nichts, wir sehen und hören ihn nicht. Scholz ist weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Da sitzt er doch! – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir Sie ja bekannt machen! – Zurufe von der SPD)

Das ist der Eindruck, den nicht nur wir haben, sondern den zunehmend auch ein Großteil der Bevölkerung im Moment von Ihnen und Ihrer Arbeit hat, Herr Bundeskanzler. Gravierend kommt hinzu, dass das auch der Eindruck der Bündnispartner in Europa und in der NATO ist. Sie waren 16 Jahre andere Regierungsarbeit gewohnt, nämlich das konsequente Engagement einer Bundeskanzlerin Angela Merkel.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Von ihr wollt ihr doch nichts mehr wissen!)

Sie hat die europäische Familie zusammengehalten und den Draht nach Moskau nie abreißen lassen. Sie hat mit Putin auf Augenhöhe in Minsk verhandelt, und in ihrer Amtszeit wussten unsere Partner: Auf Deutschland kann man sich verlassen.

Wo ist Albrecht? Ich finde, die Bundesverteidigungsministerin

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die heißt anders, Herr Hahn! – Zurufe von der SPD: Die heißt Lambrecht!)

als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr, eine der größten Streitkräfte in Europa und der NATO, sollte in dieser Frage doch eine besonders aktive Rolle spielen. Sie ist bei dieser Debatte noch nicht mal auf der Regierungsbank. Und dass sie bis zum gestrigen Tag noch nicht einmal ein Gespräch mit dem ukrainischen Amtskollegen geführt hat, spricht Bände.

(Johannes Schraps [SPD]: Wie heißt der denn?)

Wir als CDU/CSU wollen, dass die Ukraine-Krise diplomatisch gelöst wird. Das bedeutet ein Verhandeln auf höchstem Niveau. Dabei ist es entscheidend, mögliche Maßnahmen als Folgen einer russischen Eskalation nicht unnötig vom Tisch zu nehmen. Das gilt auch für die Frage von Waffenlieferungen zur Stärkung der Selbstverteidigung der Ukraine, eine schwierige Frage, gerade für Deutschland. Wir stehen dem traditionell sehr skeptisch gegenüber. Dass dies aber auch richtig und wichtig sein kann, hat sich bei der Unterstützung der Kurden zur Bekämpfung des IS gezeigt. Deshalb sollten wir diese Option eben nicht vom Tisch nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über die Ukraine-Krise sprechen und Weltpolitik machen, dann entsteht manchmal der Eindruck, dass wir die Menschen vergessen, die diese Krise direkt betrifft, und das sind die Menschen in der Ukraine. Das sind zum Beispiel Mütter und Väter, die Angst um ihre Kinder haben, die im Zweifel bereit sind, ihr Land und die Freiheit der Ukraine zu verteidigen. Diese Menschen erhoffen sich von uns Unterstützung in dieser Krise. Deshalb ist es so wichtig, das Signal zu setzen: Europa und der Westen sind an der Seite der Ukraine.

Besonders hoch ist dabei der Erwartungsdruck auf Deutschland. Dass die Bundesregierung glaubt, mit einer Lieferung von 5 000 Helmen an die Ukraine dieses Signal der Unterstützung zu senden und dem Erwartungsdruck an uns Herr zu werden, ist ein großer Irrtum.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Schraps [SPD]: Spärlicher Applaus!)

Das war kein Befreiungsschlag, liebe Bundesregierung, sondern ein echter, beschämender Rohrkrepierer.

Meine Damen und Herren, wir fragen uns in diesen Tagen und auch bei dieser Debatte immer wieder: Warum kommt es zu dieser Krise? Was ist der Grund für den Konflikt, den die Ukraine und der Westen auf der einen Seite und die Russische Föderation auf der anderen Seite miteinander haben? – Ich glaube, ein Grund ist, dass wir diametral andere Ansichten darüber haben, was im Interesse eines Landes ist, auch mit Blick auf die Nachbarschaftspolitik. Wir haben durch die europäische Integration gelernt: Geht es unserem Nachbarn gut, profitieren wir selbst massiv davon. – Moskau sieht das anders. Dort befürchtet man den Erfolg des Nachbarn, weil er als Gefahr für die eigene innere Stabilität gesehen wird. Nichts wird dort so gefürchtet wie die Freiheit, die Meinungsfreiheit, die Wahlfreiheit, die Religionsfreiheit, die Pressefreiheit und die Versammlungsfreiheit.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist alles Unsinn!)

Diese Freiheit beansprucht die Ukraine zu Recht für sich. Wir können gar nicht anders, als sie dabei zu unterstützen.

Klar ist aber auch, dass Russland unser Nachbar ist und bleibt und wir natürlich ein übergroßes Interesse an einer guten und gedeihlichen Zusammenarbeit haben. Deshalb bitte ich uns alle: Lassen Sie uns alles daransetzen, diesen Konflikt im Interesse aller zu entschärfen. Die CDU/CSU-Fraktion in ihrer Rolle wird sich dabei in diesem Sinne zu 1 000 Prozent engagieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Herr Hahn geht jetzt Frau Albrecht suchen! – Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn.

Kollegen, das ist das Problem: Mit der Maske im Gesicht kann man Zwischenrufe nur ganz undeutlich wahrnehmen. Ich sage das nur, damit Sie nicht zur Erschöpfung kommen.

Letzter Redner ist der Kollege Dr. Joe Weingarten, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7533390
Wahlperiode 20
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine
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